
Nordrhein-Westfalen NRW-SPD startet Abstimmung zum Koalitionsvertrag
Wird die SPD dem Koalitionsvertrag zustimmen? Darüber entscheiden jetzt die Mitglieder. In NRW formiert sich Widerstand.
In Brilon ist die SPD-Basis skeptisch. Hier, im Geburtsort von Friedrich Merz, kennen Sie nicht nur den möglichen neuen Kanzler Merz gut, sondern auch den frisch ausgehandelten Koalitionsvertrag. Die einen hätte sich dabei "mehr Steuererleichterungen gewünscht für die, die sie wirklich brauchen", andere mehr "Belastungen für Besserverdienende".
Seit Dienstag können die SPD-Mitglieder ihre Skepsis - aber auch ihre Zustimmung - nun ganz offiziell kundtun. Denn die Befragung zum Koalitionsvertrag unter den SPD-Mitgliedern ist gestartet.
Anders als bei CDU und CSU muss bei der SPD die Mehrheit der Parteimitglieder dem ausgehandelten Koalitionsvertrag zustimmen. Ansonsten wird es - zumindest unter diesen Bedingungen - keine Koalition geben.
Mehrheit muss zustimmen
Deshalb bekommt jedes SPD-Mitglied nun erst einmal Post. Rund 86.000 Briefe werden allein in NRW verschickt, aufgeteilt in drei Chargen. Die Parteizentrale in Düsseldorf geht davon aus, dass bis spätestens Ende der Woche alle Mitglieder das Schreiben erhalten haben.
Darin enthalten ist jeweils ein Link zur Abstimmungsplattform und ein persönliches Passwort. Denn anders als bei den Mitglieder-Abstimmungen 2013 und 2017 wird es dieses Mal keine Briefwahl geben. Eine Abstimmung ist nur online möglich. Für die Annahme des Koalitionsvertrags ist nicht nur die Mehrheit der Stimmen, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder erforderlich.
Landesverband gibt sich zuversichtlich
Die Parteispitze in NRW gab sich kurz vor der Abstimmung zuversichtlich. Er gehe von einer hohen Beteiligung und Zustimmung zum Koalitionsvertrag aus, erklärte der Co-Landesvorsitzende Achim Post. "Es sind nicht alle begeistert, aber die Verantwortung für - ich sage das mal ganz pathetisch - das Vaterland ist ausgeprägt wie selten zuvor", ergänzte SPD-Fraktionschef Jochen Ott. Beide nehmen keine "No-GroKo-Stimmung" an der Basis wahr.
Kritik und Ablehnung von den Jusos
Bei ihrer Parteijugend allerdings formiert sich deutlicher Widerstand. Zuerst hatte sich der Juso-Bundesvorsitzende Philipp Türmer gegen die Koalition mit CDU und CSU ausgesprochen. Ihm folgten die Landesverbände Bayern, Schleswig-Holstein, Berlin - und nun auch der größte Landesverband NRW. "Ich werde gegen diesen Koalitionsvertrag stimmen", betonte NRW-Juso-Vorsitzende Nina Gaedike im Gespräch mit dem WDR. "Und wir haben auch allen unseren Mitgliedern empfohlen, uns das gleichzutun."
Das ist nicht der große Wurf.
Nina Gaedike, Juso-Vorsitzende in NRW
Der Koalitionsvertrag bleibe hinter den Erwartungen zurück, so Gaedike. Beim Thema Bürgergeld oder Migration werde zudem mit Rechtsstaatlichkeit gebrochen, so ihr Vorwurf.
Sollte der Koalitionsvertrag von der Mehrheit der SPD-Mitglieder abgelehnt werden, so wäre eine Koalition mit der Union zwar weiter möglich. Aber: "Dann wünsche ich mir sehr ernsthafte Nachverhandlungen", so Gaedike.
Zwei Wochen Zeit für Abstimmung
Bis zum 29. April haben die SPD-Mitglieder Zeit, online über das Vertragswerk abzustimmen. "Das ist eine besondere Herausforderung, weil nicht alle gleich digital fit sind.", erklärte Landesvorsitzender Achim Post. Aber die Ortsverbände würden dabei weiterhelfen, ist sich Post sicher. Er setze auf "nachbarschaftliche Hilfe".
Zudem könnten sich Mitglieder an ihre örtliche SPD-Geschäftsstelle wenden, um dort entsprechende Unterstützung zu erhalten, teilte der Landesverband mit. Bei technischen Problemen sollten sich die Mitglieder aber an die Berliner Parteizentrale im Willy-Brand-Haus wenden, so eine Sprecherin der Partei.
Parteivorstand will für Vertrag werben
Er werde "in den nächsten beiden Wochen für den Vertrag werben", erklärte Achim Post vor der Abstimmung. Man werde offen und transparent darlegen, was in den Verhandlungen erreicht werden konnte und was nicht, ergänzte eine Parteisprecherin.
Dafür hat die Partei bis zum Ende der Abstimmung unter anderem verschiedene Info-Veranstaltungen geplant. So soll es etwa auch verschiedene Dialog- und Onlinekonferenzen mit den Verhandlerinnen und Verhandlern geben, auf denen der Koalitionsvertrag diskutiert und Fragen geklärt werden könnten.
Über dieses Thema berichten wir am Dienstag (15.04.) unter anderem im Hörfunk in der WDR 5-Sendung Westblick ab 17.04 Uhr.
Unsere Quellen:
- SPD-Pressegespräch mit Jochen Ott und Achim Post
- Gespräch mit SPD-Parteimitgliedern in Brilon
- Interview mit NRW-Juso-Vorsitzende Nina Gaedike