
Nordrhein-Westfalen NRW-Firmen im Knebel von Trumps Anti-Woke-Politik
Trumps Kulturkampf gegen sogenannte Wokeness knebelt auch Firmen in NRW. Programme für Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion hat die US-Regierung per Dekret für illegal erklärt. Einige Unternehmen in Deutschland knicken schon ein.
Wenn sich NRW-Unternehmer mit Beziehungen zu den USA in diesen Tagen treffen, kursiert diese Frage: "Hast du schon Post bekommen?" Einen Brief, wie ihn Kollegen etwa in Frankreich schon von der dortigen US-Botschaft erhalten haben. Darin die freundliche Aufforderung: Sie mögen von Programmen für Diversität, Gleichstellung und Inklusion - kurz DEI - Abstand nehmen. All das, was Trump als "woken" Unsinn der Demokraten betrachtet – und per Dekret für illegal erklärt hat.
Programme für Vielfalt am Arbeitsplatz waren in den USA eingeführt worden, um der historisch bedingten Benachteiligung - etwa von Schwarzen oder Frauen - entgegenzusteuern. US-Firmen fahren solche Initiativen seit Antritt der neuen Regierung auf breiter Front zurück. Von ihren Websites verschwinden Begriffe, die dem Präsidenten zu "woke" erscheinen. Auch in Europa knicken die ersten Unternehmen ein, die um ihr Geschäft in den USA fürchten.
Aldi Süd und T-Mobile streichen Programme
Aldi Süd hatte gleich im vorauseilenden Gehorsam alles von seiner Website gelöscht, was auf DEI-Praktiken hinwies - "Diversity, Equity, Inclusion". Gestrichen wurde etwa die Förderung von schwarzen College-Studenten. Auch die US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile, verpflichtete sich gegenüber einer US-Kontrollbehörde, Programme zur Förderung von Vielfalt einzustellen. Der Mutterkonzern in Bonn unterstrich hingegen, die Deutsche Telekom bleibe ihren Werten verpflichtet.

Programme für Vielfalt im Job sind unter Druck
"Große Unsicherheit, tiefe Verwirrung"
Trumps Feldzug gegen Vielfalt habe "große Unsicherheit" gesät, erklärt der Emmericher Kaffee-Röstmaschinen-Hersteller Wim Abbing. In Unternehmerkreisen herrsche tiefe Verwirrung, sagt der Chef des mittelständischen Familienunternehmens Probat, das auch eine Tochterfirma in den USA hat. Genau an solche Unternehmer richtet sich das Diktat des US-Präsidenten gegen die in EU-Richtlinien verbrieften Werte.
Von dringlichen Ratschlägen der US-Industrieverbände berichtet der Manager einer deutsch-geführten Firma in Texas dem WDR: "Nehmt besser alles von euren Websites, was woke klingt. Gestaltet eure Texte und Angebote neu und passt auf: Über Frauenquoten redet ihr nicht, über Afroamerikaner nicht, über Energiesparen erst recht."
Ein ganzer Katalog von Formulierungen solle plötzlich umschifft werden, sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. Alles, was sich richtig anfühle, dürfe nicht mehr gesagt werden. So müsse sich das früher in der DDR angefühlt haben, sagt der Manager. Von anderen Zeiten wolle er gar nicht reden.
Emmericher Unternehmer steht zu seinen Werten

Wim Abbing, Unternehmer
Der Emmericher Unternehmer Abbing will sich von so etwas nicht einschüchtern lassen. Sein Unternehmen stehe zu seinen Werten. "Wir nehmen gar nichts von unserer Website", sagt der Chef, dessen Tochtergesellschaft Probat Inc. in den USA zwei Fabriken hat. "Nichts in der Richtung wird nicht geschrieben sein."
Auch der jährliche Nachhaltigkeitsbericht, der ESG-Report, werde auf der Website stehen bleiben. Der Bericht, zu dem die EU alle größeren Unternehmen verpflichtet, könnte jetzt in den USA als Rechtsverletzung gelten. Darin werden Punkte behandelt, von denen Trump einfach nichts mehr hören will: Energieverbrauch, CO2-Ausstoß, Einhaltung der Menschenrechte oder Fragen der Unternehmensethik.

Die Bayer-Story
Vorsichtiger klingt der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer in Leverkusen, der schließlich mit Bill Anderson einen Texaner an der Spitze hat. Seit der Übernahme von Glyphosat-Hersteller Monsanto hat Bayer neben einem Rechtsstreit engste Verbindungen in die USA.
Firmensprecher Markus Siebenmorgen erklärt dem WDR: "Wir setzen uns weiterhin für Vielfalt ein und wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Chancengleichheit und Inklusion für alle gelten." Dies spiegele nicht nur die Werte von Bayer wider, sondern helfe dem Konzern auch dabei, ein noch stärkeres und innovativeres Unternehmen zu werden.
Anwalt: Trumps Kampagne verstößt gegen Völkerrecht
Während manche Wirtschaftsanwälte in Düsseldorf dazu raten, mit besonnenen Formulierungen in Deckung zu gehen, plädieren andere Unternehmensberater dafür, nicht einzuknicken. Der renommierte Wirtschafts-, Europa- und Verfassungsrechtler Ulrich Karpenstein rät betroffenen Unternehmen gar zu einer Unterlassungsklage vor deutschen Zivilgerichten.
Insbesondere Vertragspartner der US-Botschaft könnten sich dagegen wehren, dass das Ansinnen der USA gegen die Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung verstoße, sagt Karpenstein, der auch Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins ist. Dann würde festgestellt werden, dass das, was die USA veranlasst hätten, in Europa gegen die Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung verstoße. "Wir sehen das als einen völkerrechtswidrigen, unionsrechtswidrigen und grundrechtswidrigen Eingriff in die Unternehmenspolitik der betroffenen Unternehmen."
Mehr als an europäisches Recht müssten sich die betroffenen Unternehmen nicht halten. "Wir halten insofern zwar eine Prüfung anhand des europäischen Rechts immer für richtig. Soweit das aber eingehalten wird, hat die europäische Rechtsordnung natürlich Vorrang gegen irgendwelche exterritorialen Machtbefugnisse der neuen US-Administration."
Liminski: Hoffe, dass Firmen Haltung zeigen

Nathanael Liminski, NRW-Minister für Internationales
Mit Sorge blickt auch der NRW-Minister für Internationales und Europaangelegenheiten auf das Dilemma. "Ich befürchte in der Tat, dass deutsche Unternehmen mit Blick auf ihren Wertekodex Abstriche machen", so Nathanael Liminski. Das liege am Ende in der Verantwortung der Unternehmensleitungen. "Es zeigt sich erst im Gegenwind, wie ernst man es denn meinte und insofern hoffe ich, dass hier deutsche Unternehmen Haltung zeigen", so Liminski. Gleichzeitig gebe es natürlich ein Interesse am wirtschaftlichen Austausch. "Und insofern muss man hier zu einer guten Balance kommen."
Firmenchef Abbing ist skeptisch: "Ich glaube, der Großteil der Unternehmen sagt sich: Wir machen alles, damit wir das Geschäft halten."
Unsere Quellen:
- Interview mit Wim Abbing, Chef der Firma Probat
- Interview mit Nathanael Liminski, NRW-Minister für Internationales und Chef der Staatskanzlei
- Auskünfte der Pressestelle der Bayer AG
- Auskünfte der Pressestelle der Deutschen Telekom AG
- Interview mit dem Wirtschafts-, Europa- und Verfassungsrechtler Ulrich Karpenstein
- eigene Recherchen der Autorin