Herbert Reul

Nordrhein-Westfalen Innenminister Reul zu Clankriminalität in NRW: "Es ist ein Marathon"

Stand: 10.04.2025 20:31 Uhr

Den Kampf gegen die Clankriminalität hat sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) seit Jahren auf die Fahnen geschrieben. Im Interview mit dem WDR spricht er darüber, was die Maßnahmen bisher gebracht haben.

Hier eine Razzia in einer Spielhalle, da zahlreiche koordinierte Durchsuchungen in Shisha-Bars und an einem anderen Tag Polizeiaktionen in diversen Cafés. Seit Jahren hat das Land NRW den kriminellen Familienclans den Kampf angesagt. Treibende Kraft hinter der sogenannten Politik der Tausend Nadelstiche ist NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

Studiogespräch: Herbert Reul, CDU Innenminister NRW | Aktuelle Stunde

Seit sieben Jahren soll diese die Geschäfte der Clans nachhaltig stören. Bei den lange in Voraus geplanten Aktionen agiert die Polizei gemeinsam mit Ordnungsämtern und Finanzbehörden. Obwohl der Personaleinsatz groß ist, stoßen die Ermittler häufig nur auf ein paar Päckchen unversteuerten Shishatabak.

Ein Gespräch mit Innenminister Reul darüber, inwieweit die Aktionen einen Nutzen haben, ob man von Erfolgen sprechen kann und inwiefern die neue Bundesregierung die Ermittlungen in NRW erleichtern könnte.

WDR: Damit wir wissen, worüber wir da reden. Wo hört eigentlich Familie auf und fängt Clan an?

Herbert Reul: Das kann man gar nicht so genau beschreiben. Es sind Familienstrukturen, die im organisierten Geschäft des Verbrechens unterwegs sind, und das ist das, was wir definiert haben und das, was wir seit sieben Jahren bekämpfen. 

Herbert Reul mit Martin von Mauschwitz bei der Aktuellen Stunde

Herbert Reul (li.) im Gespräch mit Martin von Mauschwitz

WDR: Sie haben wieder und wieder Polizeipräsenz gezeigt, da wo Sie Clan-Unwesen vermuteten. Da war immer viel Blaulicht, viel Personal, oft auch Sie selbst und am Ende fanden ihre Leute bisschen unverzollten Tabak und zogen wieder ab. Stehen bei ihren Nadelstichen, Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis?

Reul: Ja, klar. Ich finde, 30 Jahre lang hat man gar nichts gemacht und hat nur geklagt. Und wir haben angefangen. Und ich habe von Anfang an gesagt, das wird ein Marathon, das ist keine leichte Veranstaltung, da hat sich ganz viel festgesetzt. Aber wenn man nicht anfängt, ändert man überhaupt nichts. Und das Anfangen sind ja nicht nur die Nadelstiche, sind ja nicht nur die Razzien, sind ja auch die systematischen Ermittlungsverfahren, die wir haben. Also es ist ja ein viel komplexeres Verfahren als mit ein paar Razzien das Problem anzugehen. Die Razzien sind die Nachricht und die Information an diejenigen, die da meinen, sie könnten machen, was sie wollen. Hier gilt nicht das Recht der Familie, sondern des Rechtsstaates und jeder muss sich an die Regeln halten. Und wenn ihr erwischt werdet, bei noch so kleinen Verstößen, gibt es ein Problem.

WDR: Sie sagen: "Wir haben wenigstens mal angefangen und das ist ein Marathon." Was haben Sie denn in den Jahren tatsächlich bewirkt?

Reul: Ja, es gibt ein paar Oberbosse, die wir erwischt haben. Wir haben ein Senioren-Betrugssystem aus der Türkei hochgenommen. Wir haben im Bereich Kindergeld-Betrug einen riesigen Durchbruch erzielt. Wir haben ein paar große Dinge erwischt und jeden Abend irgendwo viele kleine - und die summieren sich. Und ich kann Ihnen sagen, wir haben im letzten Jahr mehr als 700 solcher Verfahren an Land gezogen. Also ich finde es ändert sich was, aber es geht langsam. Und wissen Sie, wenn früher in Essen jeden Tag, jede Woche irgendein Tumult war und jetzt zweimal im Jahr, dann hat sich ja wohl was verändert.

WDR: Sie sagen, es hat sich was verändert. Viele Menschen in NRW denken: "Wieso sind die, die kriminell sind, die Täter eigentlich immer noch hier? Kann man denen nicht das Aufenthaltsrecht entziehen?"

Reul: Ja, das sind meistens Leute, die auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben und damit hat sich das erledigt. Und die Frage müssen dann andere beantworten: Warum die doppelte Staatsbürgerschaft da ist und wie man damit umgeht. Ich glaube schon, man muss genauer hingucken, ob und unter welchen Bedingungen man Menschen, die sich hier nicht an die Regeln halten, auch abschieben kann. Aber am Ende steht da immer ein Gerichtsverfahren und ich könnte schöne Beispiele erzählen, wie die manchmal enden. Also Polizei kann nicht alle Probleme lösen.

WDR: Stichwort Gerichtsverfahren. Da gibt es so was wie Beweislast. In Berlin wurde jetzt ein neuer Koalitionsvertrag vorgestellt. Eine Idee darin ist, dass in bestimmten Fällen die Beweislast umgekehrt werden kann. Dann müssten die Clans in Zukunft nachweisen, woher sie ihre diversen Reichtümer haben. Hilft Ihnen das?

Reul: Das ist ein Durchbruch. Es ist ja noch nicht Gesetz, aber die Idee ist sensationell. Wir haben oft Typen erwischt, die mit dicken Autos durch die Gegend fahren, die wir bei Straftaten erwischen. Da beschlagnahmen wir dann auch die Autos. Dann stellt sich raus, das Auto gehört gar nicht ihm, sondern der Oma. Und das ist so ein Beispiel, wo wir sagen, da gibt es einen begründeten Verdacht auf Straftaten. Und ja, in Zukunft müssen die beweisen, dass das Geld ordentlich erwirtschaftet wurde. Das ist gar nicht so einfach - manchmal.

Das Interview führte Martin von Mauschwitz in der Sendung "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen, 10.04.2025, ab 18.45 Uhr.

Die aktuelle 45-minütige WDR-Dokumentation zum Thema gibt es hier zu sehen: