Verlegung von Erdkabeln. Symbolbild, Archivbild: 28.06.2021

Nordrhein-Westfalen Ausbau des Stromnetzes: "Wir haben an Geschwindigkeit gewonnen"

Stand: 11.04.2025 12:38 Uhr

Ein neues Erdkabel soll Windstrom aus Ostfriesland nach NRW und Süddeutschland bringen. Der schnelle Ausbau des Stromnetzes ist zentral, um Deutschland mit günstigem, erneuerbaren Strom zu versorgen, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Im WDR-Interview erklärt er, wie die genehmigten Kilometer innerhalb von drei Jahren verdreizehnfacht werden konnten.

Übernächstes Jahr soll die neue Stromleitung, die das ostfriesische Emden mit Meerbusch-Osterath in NRW verbindet, in Betrieb genommen werden. Zwei Gigawatt Windstrom kann die insgesamt 300 Kilometer lange Trasse in Zukunft transportieren, das würde für drei Städte von der Größe Dortmunds reichen.

Gebaut wird bereits, am heutigen Freitag wird in Rhede der Bauabschnitt in NRW offiziell eröffnet. Das Projekt läuft seit 2018, also neun Jahre bevor die Leitung dann in Betrieb gehen soll - klingt nicht gerade nach Rekordtempo. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ist dennoch zufrieden und betont, dass Projekte zuletzt durch die Politik deutlich beschleunigt wurden.

WDR: Solche Projekte dauern oft sehr lange. Wo stehen wir denn aktuell beim Trassenausbau?

Klaus Müller: Präsident der Bundesnetzagentur

Klaus Müller: Präsident der Bundesnetzagentur

Klaus Müller: Deutschland hat sich sehr lange Zeit gelassen. Aber wenn ich jetzt gucke, wo wir in den letzten Jahren an Geschwindigkeit dazugewonnen haben, dann ist das schon ziemlich gut. Ich gebe Ihnen nur zwei Zahlen: Wenn wir die letzten drei Jahre vergleichen, dann haben wir die Zahl der schon im Bau befindlichen Kilometer vervierfacht, die Zahl der genehmigten Kilometer verdreizehnfacht. Wir kommen jetzt langsam auf die Spur, die wir brauchen.

Stromtrassen sind ja kein Selbstzweck. Es geht darum, preiswerten, verlässlichen, erneuerbaren Strom quer durch Deutschland transportieren zu können. Das ist gut für die Versorgungssicherheit und es hilft uns auch endlich, die Netzkosten zu senken.

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur

WDR: Woran liegt es, dass wir schneller werden?

Müller: Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Legislaturperiode drei große Beschleunigungsgesetze beschlossen. Dadurch konnten Leitungen gebündelt werden, wir haben Beteiligungsrechte reduziert, wir haben weniger Rücksicht auf Umwelt- und Artenschutz genommen.

Ich glaube, es gibt auch einen größeren Konsens. Wir haben vor Gericht gesehen, dass Klagen weniger bis keinen Erfolg mehr hatten. Und ich denke, es gibt in der Wirtschaft, in der Politik einen großen Konsens: Wir brauchen diese Leitungen, wir brauchen sie schnell. Es waren bewusste Entscheidungen.

WDR: Aber es muss auch bezahlt werden. Der Netzbetreiber Amprion hat in diesem Fall Entschädigungssummen bezahlt. Ist es - etwas zugespitzt - nötig, Zustimmung auch zu erkaufen?

Die Baustelle der Stromtrasse, im Hintergrund ein Mensch in Warnweste.

Erdkabeltrasse von Amprion

Müller: Es geht ja letztendlich immer darum, dass Menschen und Unternehmen davon profitieren, guten, günstigeren, erneuerbaren Strom aus Nord- und Ostsee zu bekommen. Und umgekehrt haben natürlich andere Menschen auch die Last, bei denen über ihre Grundstücke oder unter ihren Grundstücken ein solches Kabel gelegt wird. Ja, Stromtrassen sind nicht nur schön, das ist keine Frage. Und dann auch über finanzielle Ausgleiche zu reden, ist absolut legitim und im Gesetz so vorgesehen.

WDR: Brauchen wir denn eigentlich einen so großangelegten Ausbau, wie er aktuell geplant wird? Das basiert ja nur auf Prognosen. Besteht die Gefahr, dass wir möglichweise in diesem Fall mal zu groß denken und zu viel bauen?

Müller: Das ist eine sehr legitime Frage. Die Projekte, über die wir gefühlt seit Jahrzehnten reden, die müssen jetzt endlich schnell zum Abschluss gebracht werden. Da sind sich, glaube ich, auch alle einig. Und das geschieht jetzt in diesen Monaten und den nächsten anderthalb Jahren.

aa

Arbeit an der "Windstrom-Autobahn" im Münsterland

Darüber hinaus wird die Bundesnetzagentur in wenigen Wochen einen neuen sogenannten Szenariorahmen veröffentlichen, den wir mit vielen Unternehmen und Netzbetreibern vorbereitet haben: Was ist aus den Zielen geworden, die wir uns gesetzt haben? Wo stehen wir da und welcher Netzausbau ist dafür noch notwendig? Und dann werden wir der Politik verschiedene Optionen vorlegen, wo dann Entscheidungen getroffen werden können.

WDR: Das heißt, es ist auch eine Option, weniger Kapazitäten zu bauen?

Müller: Ganz genau, es muss nicht alles gleichzeitig geschehen. Wir sind beim Ausbau der Elektromobilität, der Wärmepumpen nicht so schnell gewesen, wie man sich das gewünscht hatte. Wir haben auch die konjunkturelle Delle, die nicht wegzudiskutieren ist. Andererseits: Am Ziel der Klimaneutralität will ja auch die neue Bundesregierung festhalten.

WDR: Im Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierung stehen jetzt wieder Freileitungen im Vordergrund, bisher hatte das Erdkabel Vorrang. Ist das eine Rolle rückwärts, die dafür sorgen könnte, dass die Akzeptanz wieder eher kleiner wird?

Über einen teils bewaldeten teils aus Feldern bestehenden Landabschnitt verlaufen viele Leitungen über mehrere hohe Strommasten

Freileitungen haben Kostenvorteile

Müller: Das ist ja die Sorge derjenigen, die sich damals für die Erdleitungen ausgesprochen und das gesetzlich durchgesetzt haben. Die Kehrseite ist: Erdkabel sind um ein vielfaches teurer als Freileitungen. Wenn wir also in den letzten Monaten über zu hohe Stromnetzentgelte geklagt haben, ist das die Konsequenz dieser Erdkabel.

Der neue Koalitionsvertrag ist ein wenig interpretationsbedürftig. Er sagt jetzt nicht, dass es einen Vorrang für Freileitungen gibt, da wird man sicherlich dann genau in das Gesetz reingucken müssen. Aber ja, die Kostenvorteile von Freileitungen sind unbestreitbar.

Das dürfte auch den Ausschlag gegeben haben für die neue Bundesregierung, das ändern zu wollen. Und dann werden wir das jetzt auch unverzüglich realisieren. Etwas Verzögerung ist dann aber schon drin, weil wir natürlich bestimmte Leitungen schon als Erdkabel geplant haben - und da muss man jetzt umplanen.

Unsere Quellen:

  • Interview im WDR 5 Morgenecho
  • Pressemitteilung von Amprion
  • Nachrichtenagentur dpa

Das Interview führte Ulrike Römer am 11.04.2025 im WDR 5 Morgenecho. Für die Online-Version haben wir einige Passagen gekürzt und sprachlich angepasst, ohne den Inhalt zu verändern.