
Klimawandel Bodensee-Pegel fast auf historischem Tiefstand
Am Bodensee herrscht Niedrigwasser. Der aktuelle Pegel in Konstanz liegt nur knapp über einem historischen Niedrigwert. Dass der noch nicht gebrochen ist, liegt ausgerechnet an Wasserpflanzen.
Sandbänke und seichtes Wasser sind zur Zeit an vielen Stellen am Bodensee keine Seltenheit. Denn dort herrscht Niedrigwasser. Das ist nicht nur zu sehen, sondern auch zu riechen: Weil Schlick und Algen an den Sandbänken freigelegt sind, beschreiben Passanten den Geruch vor Ort als "modrig" und "fischig".
Der Pegelstand bei Konstanz liegt aktuell bei ungefähr 2,72 Meter. Das zeigen Zahlen des Niedrigwasser-Informationszentrums (NIZ), das bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) ansässig ist.
Niedrigwasser-Rekord fast geknackt
Dass die Pegelstände zu dieser Jahreszeit niedrig sind, ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich, weiß LUBW-Niedrigwasserexperte Gabriel Fink. Dass die Sandbänke so sehr hervortreten und das Niedrigwasser so extrem ist, dagegen schon.
Das zeigen auch die rekordverdächtigen Zahlen, denn sie beziffern den zweitniedrigsten Pegelstand, der im April in Konstanz je gemessen wurde. Ein Pegelstand von etwa 2,70 Metern wurde in Konstanz zuletzt vor rund 40 Jahren gemessen, so Fink. Er erklärt im Gespräch mit dem SWR: "Der normale Wasserstand wäre jetzt ungefähr 36 Zentimeter höher, also mehr als drei Meter, wir sind jetzt ganz knapp an einem neuen Rekord."
Der wäre schon längst gebrochen, gäbe es nicht an einigen Stellen im Bodensee Wasserpflanzen. Das sogenannte Schweizer Laichkraut sorgt etwa am Konstanzer Trichter - dem Ausfluss des Bodensees in den Seerhein bei Konstanz - dafür, dass das Wasser leicht aufgestaut wird.
Das führt laut Niedrigwasser-Experte Fink wiederum dazu, dass der Pegelstand dort ein paar Zentimeter höher ist als er normalerweise wäre. "Wenn man jetzt also Modellrechnungen macht und den Wasserstand mit und ohne Wasserpflanzen durchrechnet, dann kommt man auf 17 Zentimeter Differenz." Ohne die wäre der Negativ-Pegelstand bereits unterschritten, folgert Fink.

Das sogenannte Schweizer Laichkraut im Bodensee von oben.
Zu wenig Regen, zu wenig Schmelzwasser
Grund für das Niedrigwasser am Bodensee ist unter anderem, dass es in den vergangenen Monaten kaum geregnet hat. Außerdem fiel Fink zufolge in den Alpen in diesem Jahr weniger Schnee. Denn ein Teil des Wassers im Bodensee komme aus den Alpen und sei dort zunächst als Schnee gespeichert. Davon gebe es aber weniger.
Fink erklärt: "Nach Angaben der Schweizer Kollegen haben wir in diesem Jahr ungefähr die Hälfte der für Anfang April üblichen Schneemengen in den Alpen." Dementsprechend fließe auch weniger Schmelzwasser als üblich in den Bodensee. Die Kombination dieser beiden Faktoren führe schließlich zu den niedrigen Pegelständen.
Diese seien aber nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar, ergänzt der Hydrologe Fink von der LUBW. Grund dafür sei der Pegelnullpunkt - ein Wert, der von Messpunkt zu Messpunkt variieren kann und festgelegt wird, um die Messungen einfacher zu machen, erklärt Fink. "Der See an sich ist 251 Meter tief. Also wäre es schwierig, da eine Pegel-Latte reinzusetzen, die mehr als 200 Meter lang ist." Darum fange man die Messung nicht beim tiefsten Punkt an, sondern bei einem Pegelnullpunkt.
Die unterschiedlichen Pegelnullpunkte führen demnach dazu, dass man die unterschiedlichen Messstellen und die daraus resultierenden Pegel nur bedingt miteinander vergleichen kann - das gilt laut Fink auch für die Deutsche und die Schweizer Seite des Bodensees.
Probleme durch Niedrigwasser in der Zukunft
Welche Auswirkungen hat das Niedrigwasser für das Ökosystem Bodensee? Aktuell noch nicht viele: Die Schifffahrt-Saison startet am Bodensee größtenteils am Wochenende - Fähren und Katamarane können bislang normal verkehren.
Und auch für die Lebewesen im See seien die niedrigen Pegelstände zumindest aktuell kein Problem, erklärt Fink. Das könne sich im Herbst aber ändern, nämlich dann, "wenn die Algen im Herbst absterben und in tiefere Wasserbereiche absinken". Dort werden die Algen dann von Mikroorganismen abgebaut - und es kommt zu einem Sauerstoffmangel.
Für die kommenden Monate erwartet der LUBW-Experte zumindest ein bisschen Entspannung: Denn auch wenn weniger Schmelzwasser zu erwarten sei als normal zu dieser Zeit, so helfe das dennoch, die Pegelstände zumindest etwas steigen zu lassen. Außerdem könne ausreichend Regen dem Negativ-Trend des fehlenden Schmelzwassers entgegenwirken - und für ein kurzzeitiges Aufatmen sorgen.
Auf lange Sicht gebe es nur eine langfristige Lösung für das Niedrigwasser am Bodensee: aktiver Klimaschutz. So erklärt Fink: "Wenn sich das Klima ändert, wirkt sich das auch auf den Bodensee aus."