
Saarland Hohe Falschmedikation in saarländischen Pflegenheimen?
Laut des aktuellen Qualitätsatlas der AOK erhalten in saarländischen Pflegeheimen rund ein Viertel der Bewohner ungeeignete Medikamente. Auch um die Versorgung stehe es mitunter schlecht. Der saarländische Pflegebeauftragte Jürgen Bender und Michael Kulas, Sprecher des Hausärzteverbands, teilen diese Analyse so nicht.
Moderation: Simin Sadeghi / Onlinefassung: Raphael Klein
Zu viele oder falsche Medikamente für Bewohner in Pflegeheimen? Im Saarland seien im Jahr 2023 davon rund 25 Prozent der Heimbewohner davon betroffen gewesen - zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Qualitätsatlas der AOK. Damit liegt das Saarland über dem Bundesschnitt.
Vor allem bei Beruhigungs- und Schlafmitteln: Sie wurden im Saarland mehr als doppelt so häufig verordnet im Vergleich zum Bundesschnitt. Der saarländische Pflegebeauftrage Jürgen Bender und Michael Kulas, Sprecher des saarländischen Hausärzteverbandes, sehen jedoch keinen grundsätzlich falschen Umgang bei der Verordnung von Medikamenten.
Pflegebeauftragter spricht von Einzelfällen
Was die Gesamtlage in saarländischen Pflegeheimen im Vergleich zu anderen Bundesländern angehe, könne Bender hier kein Urteil fällen - dazu fehlten ihm die Daten, sagt er im SR-Interview. Einzelfälle seien durchaus denkbar und ihm auch bekannt, vor allem Beschwerden von Seiten der Angehörigen. Eine grundsätzliche Falschmedikation könne er nicht bestätigen.
Außerdem liege die Verantwortung für die Verordnung von Medikamenten auf Seiten der Ärtze nicht bei den Pflegeeinrichtungen. Und: Eine korrekte Verordnung zu überprüfen, liege in der Verantwortung der Kassen, die dann den medizinischen Dienst einschalten sollten, so Bender.
Bender gibt zu Bedenken, dass es in saarländischen Pflegeheimen besonders viele Hochbetagte mit vielen Krankheiten gebe. Das Durchschnittsalter liege bei 83 Jahren, die durchschnittliche Unterbringung bei einem halben Jahr, so Bender. Hinzu komme ein hoher Prozentsatz von Demenzkranken - der liege zwischen 60 und 80 Prozent. Damit müsse "auch ein Heimbetreiber rechnen" und "fertig werden".
Auch Kulas widerspricht Qualitätsatlas
Auch Michael Kulas, Sprecher des saarländischen Hausärzteverbandes, teilt die Analyse des AOK-Qualitätsatlas nicht. Eine grundsätzliche Falschmedikation sehe er nicht. Denn es gebe auch Unterschiede in den Landkreisen. Hier müsse man auf jeden Fall und dessen Vorgeschichte einzeln schauen, so Kulas.
Die Frage, warum im Saarland überdurchschnittlich viele Heimbewohner mit Beruhigungs- und Schlafmitteln behandelt werden, könne er nicht beantworten. Er gehe von einer ordnungsgemäßen Verschreibungspraxis bei den saarländischen Hausärzten aus.
Dass Pflegebewohnern überhaupt Psychopharmaka verschrieben würden, habe häufig mit Anpassungsschwierigkeiten und neuronalen Veränderungen im hohen Alter zu tun. Die Patienten litten etwa an Ängsten, Überlastung oder auch Desorientierung. Aber auch hier müsse man sehr individuell hinschauen, ob die Verordnung eines solchen Medikaments sinnvoll ist. Eine dauerhafte Medikation müsse jedoch regelmäßig überprüft werden.
Qualitätsatlas bemängelt Versorgungslage im Saarland
Auch bei der ärztlichen sowie der pflegerischen Versorgungslage schneidet das Saarland laut AOK-Qualitätsatlas in einigen Punkten schlechter ab als im bundesweiten Durchschnitt.
So sind laut AOK-Qualitätsatlas im Schnitt über 82 Prozent der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner mit Diabetes ohne augenärztliche Vorsorge. Dabei sehen die medizinischen Leitlinien regelmäßige Kontrolluntersuchungen vor, um schwere Sehschäden zu vermeiden.
Außerdem komme es vermehrt zu Stürzen oder Dehydrierung in den Heimen selbst. So musste im Saarland im Jahr 2023 mehr als jeder sechste Heimbewohner, der starke Medikamente wie Antidepressiva, Antipsychotika, Hypnotika/Sedativa oder auch Benzodiazepine erhielt, im Krankenhaus wegen eines Sturzes behandelt werden. Denn diese Medikamente erhöhen das Sturzrisiko.
Hier sieht Bender ein "Ping-Pong-Spiel" zwischen Pflegeheimen und Krankenhäusern, die beide mit Versorgungsproblemen zu kämpfen hätten. Verbesserungsbedarf gebe es hier allerdings immer.
Ein Thema in der Sendung "Region am Nachmittag" am 04.06.2025 auf SR 3 Saarlandwelle.
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