Symbolbild: Strassenverkehr im Dunkeln. 27.2.2023 in Berlin. (Quelle: picture alliance/SZ Photo/Christian Ditsch)

Berlin Warten auf Aktionsplan: Berlin hinkt beim Lärmschutz hinterher

Stand: 07.06.2025 08:12 Uhr

Weil der Krach einer Großstadt krank machen kann, stellt der Berliner Senat schon seit Jahren Lärmaktionspläne auf. Der aktuelle für 2024-2029 ist aber noch immer nicht vom Senat beschlossen. Von Sabine Müller

Es ist laut an der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain. Gespräche in normaler Lautstärke sind teilweise unmöglich. Und das nicht nur, wenn gerade ein Rettungswagen vorbeifährt, auch der normale Verkehr dröhnt ständig in den Ohren.
 
Regine Laroche von der örtlichen SPD hat deshalb gemeinsam mit anderen schon 2021 eine Petition für Tempo 30 gestartet. "Nicht, weil wir besonders geräuschempfindlich sind", sagt sie. In der Großstadt müsse man einen gewissen Geräuschpegel ertragen. "Aber der Lärm an der Frankfurter Allee ist schon gesundheitsbelastend, besonders für Menschen, die direkt an der Straße wohnen."

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Vor allem nächtlicher Lärm kann ohne Schutz krank machen

Auf der Lärmkarte des Senats ist die Frankfurter Allee dunkellila eingezeichnet, das heißt: Die Lautstärke beträgt hier über 70 Dezibel. Das ist so viel wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Besonders nachts ist Lärm ein Problem, weil er die Menschen nicht zur Ruhe kommen lässt.
 
Die Forschung zeigt, dass dauerhafter nächtlicher Verkehrslärm ab 55 Dezibel zu vermehrten Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Von solchen Werten sind an den Berliner Hauptstraßen nach Angaben der CDU-geführten Verkehrsverwaltung knapp 340.000 Menschen betroffen.

Warten auf neue Tempo-30-Zonen

Eine zentrale Ankündigung im Lärmaktionsplan des Senats ist ein Konzept für mehr nächtliche Tempo 30-Zonen. In einem ersten Schritt könnten knapp 190.000 Berlinerinnen und Berliner profitieren, heißt es. Tino Schopf, Verkehrsexperte der SPD-Fraktion, hofft darauf, dass bald auf weiteren 230 Kilometern Straße nachts von 22 bis 6 Uhr Tempo 30 gelten könnte. Bisher kennt er aber kein Konzept der Verkehrsverwaltung und ist ungeduldig: "Da warte ich auf die Umsetzung."
 
Es handele sich um ein "komplexes" Vorhaben mit intensiver Bürgerbeteiligung, betont der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Johannes Kraft. "Bei diesem wichtigen Thema geht es weniger um Geschwindigkeit als um Gründlichkeit, denn Lärmschutz ist Gesundheitsschutz." Das Konzept stehe, heißt es aus der Verkehrsverwaltung. Sie kündigt an, der Senat werde den Lärmaktionsplan nun am 17. Juni verabschieden, erst danach würden Informationen veröffentlicht.
 
Abwarten ist auch bei einem anderen zentralen Punkt des Plans angesagt: dem "Poser-Lärm". Dazu gehören rasantes Beschleunigen oder das Aufheulen-Lassen des Motors. Sogenannte Lärmblitzer könnten Poser abschrecken. Nach einem Pilotversuch am Kurfürstendamm sieht der Senat aber noch offene rechtliche Fragen. Um diese zu klären, kündigt die Verkehrsverwaltung eine Initiative im Bundesrat an. Schnelle Antworten sind nicht zu erwarten.

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Gerade einmal vier Kilometer "Flüsterasphalt"

Allerdings gibt es auch bei Projekten, wo nicht auf Konzepte oder Initiativen gewartet werden muss, nur gebremsten Fortschritt im Kampf gegen Straßenlärm. Ein Beispiel ist der Flüsterasphalt. Ein spezieller, poröser Belag, der Straßen leiser macht. Im vergangenen Jahr war die Verkehrsverwaltung an drei Projekten in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Spandau beteiligt, am Ende standen etwa vier Kilometer neuer Flüsterasphalt.
 
Warum so wenig? Dieser spezielle Belag könne nur zum Einsatz kommen, wenn Straßen grundsaniert würden, erklärt Johannes Kraft, verkehrspolitischer Sprecher der CDU. "Aus finanziellen Gründen kann man nicht einfach den Asphalt einer intakten Straße durch Flüsterasphalt austauschen. Das ist viel zu teuer." Ob die Bezirke weitere Strecken mit Flüsterasphalt ausgestattet haben, konnte die Verwaltung dem rbb nicht sagen, sie habe keinen Überblick.

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Kommt das Aus für etliche Tempo-30-Zonen?

Auch Schallschutzfenster können bei Lärm helfen. An lauten Straßen fördert der Senat den Einbau finanziell, im vergangenen Jahr gab er gut 324.000 Euro für insgesamt 20 Projekte. Allerdings blieb mehr als die Hälfte der Fördergelder liegen, laut Verkehrsverwaltung, weil es zu wenig Anträge gab. Für dieses Jahre waren bis Ende Mai schon drei Viertel des Geldes aus dem Schallschutzfensterprogramm verplant, es ist allerdings auch deutlich weniger Geld im Fördertopf.
 
Kommt Berlin also voran beim Kampf gegen den Verkehrslärm? An vielen Stellen der Stadt fürchten lärmgeplagte Bürgerinnen und Bürger, dass die Belastung eher zu- als abnimmt, denn auf knapp zwei Dutzend Hauptstraßen sollen nach dem Willen der CDU Tempo 30-Zonen wegfallen. Diese waren eingerichtet worden, weil die Luft dort so schlecht war, dass gedrosseltes Tempo für weniger Schadstoffausstoß sorgen sollte. Mittlerweile sind die Luftwerte besser und Tempo 50 soll zurückkommen.

Es gibt Widerstand nicht nur aus der Opposition

Die grüne Verkehrsexpertin Oda Hassepaß kritisiert, es brauche nicht weniger, sondern mehr Tempo 30, besonders in der Nähe von Schulen und Kitas. "Tempo 30 ist sauber, sicher und leise, die Vorteile liegen auf der Hand", so Hassepaß zum rbb. "Es ist einfach Ignoranz und Politik gegen die Menschen, dass die CDU hier nicht handelt." Auch der SPD-Abgeordnete Tino Schopf will keine Wiedereinführung von Tempo 50 auf Straßen, an denen Schulen, Kitas oder Spielplätze liegen. "Das ist mit mir und der SPD-Fraktion nicht zu machen", sagt er.
 
Und was sagt die Verwaltung? Auch bei diesem Thema heißt es: abwarten. Informationen gebe es Mitte Juni zur Senatssitzung.
 
Dann ist vielleicht auch klar, wie es an der Frankfurter Allee weitergeht. Regine Laroche klingt nicht optimistisch. "Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Aber offen gestanden, unter der derzeitigen Verkehrsverwaltung sehe ich da ein bisschen schwarz."

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.06.2025, 07:00 Uhr