Wegen Kürzungen im Sozialbereich  wurden über 3.000 Briefe an Kai Wegner übergeben. (Quelle: rbb24/J. Wintermantel)

Berlin Über 3.000 Briefe an Kai Wegner wegen Kürzungen im Sozialbereich

Stand: 02.06.2025 18:36 Uhr

Der Senat plant im laufenden Haushalt Einsparungen in Milliardenhöhe – betroffen sind auch Angebote der Jugend- und Sozialarbeit. Dagegen regt sich Protest. Am Montag wurden 3.000 Briefe - symbolisch - an Kai Wegner übergeben. Von Jonas Wintermantel

"Lieber Kai, die Schulsozialarbeit hat mir geholfen, dass ich pünktlich komme. Sie ist wichtig für Kinder, falls sie Konflikte haben. Wenn die Schulsozialarbeit nicht ausreicht, dann gäbe es mehr Schlägereien, mehr Konflikte." So beginnt einer der über 3.000 Briefe, die Berliner Kinder und Jugendliche an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) geschrieben haben – als Reaktion auf die geplanten Kürzungen im Berliner Landeshaushalt. Die Briefe wurden am Montagmittag symbolisch mit einer Schubkarre vor das Rote Rathaus gebracht.

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Briefe aus Schulen und Jugendclubs

Die Protestaktion unter dem Titel "#BriefeAnKai" wurde vom Sozialarbeits-Träger "tandem BLT" initiiert, mit Unterstützung zahlreicher Berliner weiterer sozialer Träger wie FiPP, Gangwas oder dem Paritätischen Wohlfahrtsverband.
 
Hintergrund sind die Kürzungen in Milliardenhöhe im Berliner Landeshaushalt, die gerade auch Projekte in der Jugendhilfe, Jugendclubs oder die Schulsozialarbeit treffen. Nach Angaben der Veranstalter sind schon heute über 600 soziale Projekte von Einsparungen betroffen.
 
Zur Aktion vor dem Roten Rathaus sind auch einige Schüler:innen gekommen. Zum Beispiel der elfjährige Eric, der sich an seiner Grundschule gerade – mit Hilfe der Schulsozialarbeiter – zum Streitschlichter ausbilden lässt. Auch er hat einen Brief geschrieben: "Ich habe geschrieben, dass es Menschen gibt, die die Schulsozialarbeit brauchen, weil es ihnen vielleicht nicht so gut geht oder weil sie irgendein Problem haben, mit dem sie nicht alleine sein sollten", sagt er.

Kürzungen bei Jugendlichen seien "Milchmädchenrechnung"

Der 16-jährige Muhammad hat seinen Brief im Namen seines Jugendclubs im Soldinerkiez geschrieben – dem Jugendclub "Soko 116": "Es ist wichtig für mich, dass andere Jugendliche mehr Freundschaften finden und miteinander spielen können. Dass sie nicht nur alleine zu Hause rumsitzen", sagt er.
 
Neben ihm steht Julia, die in Muhammads Jugendclub als Sozialarbeiterin arbeitet. Kürzungen im Sozialbereich – das sei für sie eine "Milchmädchenrechnung". Ihr Jugendclub sei für viele Kinder häufig die erste Anlaufstelle nach der Schule - oft der einzige sichere Rückzugsort. "Die Überlegung, Jugendclubs gerade in so prekären Orten zu kürzen, ist absolut fatal", sagt Julia. "Das, was heute gekürzt wird, kann später doppelt und dreifach investiert werden."

Wegen Kürzungen im Sozialbereich wurden über 3.000 Briefe an Kai Wegner übergeben. (Quelle: rbb24/J. Wintermantel)

Protestbriefe Kai Wegner

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So sehen das auch die Veranstalter:innen. "Aktuell leben 600.000 Kinder in der Stadt, 400.000 Tausen Schülerinnen und Schüler. Wie kann man in einer Zeit, wo die Zahl steigt, die Unterstützung kürzen?", ruft Ria Schneider ins Mikrofon. Sie ist Geschäftsführerin von "tandem BLT", das die Aktion initiiert hat. "Das Gegenteil müsste der Fall sein", sagt Schneider weiter. "Mehr Unterstützung, mehr Prävention, wir brauchen Investition in die Kinder und Jugendliche jetzt."
 
Für den Vorsitzenden des Berliner Landesschülerausschusses Orcun Ilter kommen Kürzungen auch mit Blick auf die aktuelle politische Lage nicht infrage: "Wir leben in schwierigen Zeiten", sagt Ilter. "Wir sprechend immer darüber, es brauche besser politische Bildung, mehr Demokratiebildung. Aber im gleichen Atemzug spart man da, wo es dringend notwendig ist."

Wegner nimmt Briefe nicht persönlich entgegen

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner selbst war am Montag nicht da, um die Briefe entgegenzunehmen. Auch kein anderer Senatsvertreter fand dafür die Zeit. Schriftlich teilt die Senatssprecherin mit, dass wegen der noch laufenden Haushaltsberatungen aktuell keine Aussagen über Kürzungen getroffen werden könnten. Die Briefe wurden daher kurzer Hand direkt vor dem Rathaus-Eingang geparkt und anschließend in die nahegelegene Poststelle gebracht. Den lauten Protest vor seiner Haustür dürfte Wegner mutmaßlich trotzdem mitbekommen haben.

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