Die Sucht nach Schmerzmitteln wie Fentanyl und Oxycontin - sogenannten Opioiden - ist ein großes Problem.

Baden-Württemberg Zahl der Drogentoten in BW steigt drastisch - Problem sind Mischungen

Stand: 03.04.2025 11:38 Uhr

Lange Zeit ist die Zahl der Drogentoten in Baden-Württemberg gesunken, nun zeigt sich aber ein heftiger Umschwung. Das Problem ist nicht eine einzelne Droge, sondern Mischkonsum.

Die Zahl der Todesfälle durch Rauschgift ist in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr um mehr als 38 Prozent (auf 195) gestiegen - das ist der höchste Stand seit mehr als 20 Jahren. Ein Grund für die vielen Drogentoten ist laut Sicherheitsbericht des Landes der zunehmende Mischkonsum verschiedener Substanzen.

Ein großes Problem seien sogenannte Legal Highs oder synthetische Designerdrogen. Durch sie kamen im vergangenen Jahr deutlich mehr Menschen in Baden-Württemberg ums Leben als in allen Jahren zuvor. Die Zahl der Todesfälle durch diese sogenannten Neuen Psychoaktiven Stoffe (NPS) explodierte laut Sicherheitsbericht des Landes von 2 auf 26 Tote.

Was sind NPS beziehungsweise "Legal Highs"?
Neue psychoaktive Stoffe (NPS) sind meist synthetische Stoffe, die gelegentlich auch als "Designerdrogen", "Research Chemicals" oder auch "Legal Highs" bezeichnet werden. NPS ahmen die Wirkung bekannter Drogen nach, sind aber chemisch leicht verändert. 

Als "Legal Highs" bezeichnet man Substanzmischungen, die in der Regel zweckentfremdet als Fertigprodukte wie Badesalze, Düngerpillen oder Kräutermischungen unter Fantasienamen angeboten werden.

Fentanyl, Benzos und Co: Das macht Mischkonsum bei Drogen so gefährlich

Ein Problem seien stark süchtig machende Drogen, die mit anderen Substanzen gemischt werden. Laut der Statisik zu Drogentoten kombinierten 126 Menschen vor ihrem Tod mehrere Drogen, das sind 49 mehr als im Vorjahr. Vor allem süchtige Menschen würden solche Mischungen kaufen, ohne zu wissen, was darin ist - ein tödliches Risiko.

Ein Beispiel ist das Opioid "Fentanyl", das bereits allein schon als äußerst schwer dosierbar gilt. In Verbindung mit Heroin kann es viel leichter zur Überdosierung führen. Viele Konsumentinnen und Konsumenten können nicht einschätzen, in welcher Dosis sie die Droge zu sich nehmen dürfen, ohne ihr Leben zu riskieren.

Eine Packung und ein Beutel neuer psychoaktiver Substanzen, auch Legal Highs genannt, liegen im Labor

Sogenannte Legal Highs werden häufig als Fertigprodukte wie Badesalze, Düngerpillen oder Kräutermischungen unter Fantasienamen angeboten.

Noch ein Beispiel: Laut Bericht der Polizei starb in Baden-Württemberg etwa jeder Vierte (50 Fälle) durch eine Mischung aus Benzodiazepinen, auch umgangssprachlich bekannt als "Benzos", mit sonstigen Drogen. Das legal verschriebene starke Beruhigungs- und Schmerzmittel wird immer stärker als "Partydroge" missbraucht, weil es die eigene Wahrnehmung und unangenehme Empfindungen dämpft, Ängste blockiert und entspannend wirkt. Doch mit Alkohol, Antidepressiva oder anderen Substanzen konsumiert, sind Wechselwirkungen schnell unberechenbar.

Stellenwert von Heroin ist gesunken

Laut Bericht kamen durch eine Mischung von Kokain mit anderen Substanzen zudem 36 Menschen ums Leben, weitere 40 kombinierten vor ihrem Tod Substitutionsmittel wie Methadon, Diamorphin oder Morphin mit anderen Drogen. Heroin verliert hingegen sein tödliches Risiko trotz des florierenden Handels, wie das Innenministerium dazu mitteilte. 

Das "synthetische Heroin" Nitazen, das als noch gefährlicher als Fentanyl gilt und sich in Europa seit Kurzem ausbreiten soll, spielt in Baden-Württemberg hingegen noch keine große statistische Rolle. Die Pharmaindustrie hatte Nitazen in den 1950er Jahren eigentlich als Schmerzmittel entwickelt, zugelassen wurde die Substanz allerdings nie. Überdosiert kann es zu Atemdepressionen und Atemstillstand führen. "Die wirksame Dosis ist nicht weit entfernt von der tödlichen Dosis", sagt Bernd Werse vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt. 

Landeskriminalamt hat Stoffmischungen im Blick

Auch das Landeskriminalamt (LKA) hat die Gefahr durch Nitazen im Blick. "Wegen den neu entwickelten chemischen Strukturen dieser Stoffe gibt es keine Erkenntnisse, in welcher Konzentration die Stoffe welche Wirkung erzeugen", teilen die Ermittler mit. Bereits eine geringe Überdosierung könnte der Gesundheit schaden und im schlimmsten Fall zum Tod führen. "Die Gefährlichkeit erhöht sich durch den gleichzeitigen Konsum mit anderen Betäubungsmitteln oder Medikamenten, da die Wechselwirkungen unkalkulierbar sind", warnt das LKA weiter.

Laut einem Bericht des Instituts für Therapieforschung in München sind die Konsumenten von Nitazen eine eher kleine Gruppe junger, sehr experimentierfreudiger Menschen, die die Substanzen online bestellen. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) berichtet von Konsumierenden mit "einschlägigem Erfahrungshorizont". Nach Daten des Bundesdrogenbeauftragten konsumierten in Deutschland zuletzt etwa 1,3 Prozent der Erwachsenen bis 59 Jahre und 0,1 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren neue psychoaktive Stoffe. 

Der Stühlinger Kirchplatz in Freiburg gilt als Problemort: Es wird gedealt, getrunken und nicht selten geprügelt. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen. Der Australier Nathan Thurlow will das mit seinem Projekt "Soup in the Park“ ändern. Vor einigen Jahren habe der 42-Jährige selbst in einer Krise gesteckt. Nach einer Trennung sei er am Boden gewesen, habe Drogen genommen, wusste nicht mehr weiter:

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swraktuell

Suchtberater warnt vor naivem Konsum

Auch Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation, warnt vor allem vor unwissenden Konsumenten. "Gerade bei Jüngeren stellen wir eine große Konsumnaivität fest", sagt er. "Die wissen oft gar nicht, was sie da bestellen und einnehmen, oder sie machen sich keinen Kopf." In einer Stuttgarter Einrichtung des Verbands würden gerade sogar zwei von Fentanyl abhängige Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren behandelt. Die Landesregierung müsse sich bewusst sein, dass das Spektrum der Suchthilfe verästelt in viele andere Hilfebereiche hinein rage, darunter die Jugend-, die Wohnungslosen-, die Alten-, die Straffälligen- und die Migrationsdienste. Suchtprobleme müssten möglichst rechtzeitig angegangen werden, mangelnde Prävention lasse sich zudem erst verspätet erkennen. "Es ist einfach: Je weniger Prävention es gibt, desto mehr Betroffene wird es geben", so Kaiser.

Hilfe bei Drogenkonsum
Anonyme Hilfe bei Drogenkonsum finden Betroffene rund um die Uhr unter der Telefonnummer 01806 313031.

Sendung am Do., 3.4.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg

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