Vor dem Landgericht Konstanz wird dem Mann gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung vorgeworfen

Baden-Württemberg Trotz Haftstrafe: AfD-Mann darf in Singener Gemeinderat nachrücken

Stand: 06.06.2025 14:15 Uhr

Elf Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung: Dieses Urteil hat am Freitag ein Mann erhalten, der als AfD-Mitglied in den Singener Gemeinderat nachrücken soll.

Von SWR

Am Freitag hat das Landgericht Konstanz ein Urteil in einem Berufungsverfahren gegen ein AfD-Mitglied gesprochen. Der Mann wurde wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und versuchter Nötigung zu elf Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Besonders ist der Fall, da der Mann in den Singener Gemeinderat nachrücken soll. Der Südkurier hatte zuerst über den Vorgang berichtet.

Mann war mehrfach einschlägig vorbestraft

Die elfmonatige Gefängnisstrafe wird laut Richter nicht auf Bewährung ausgesetzt. Denn unter anderem sei der Mann mehrfach - auch einschlägig - vorbestraft und habe die Taten während seiner Bewährungszeit verübt. Unter anderem ging es in dem Prozess um das Würgen eines Mannes und die Bedrohung mit einer täuschend echt aussehenden Pistole. Darüber hinaus habe der Angeklagte die Taten abgestritten und keine Reue gezeigt. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Alibi gegeben: Zeugin wegen Falschaussage verurteilt

In seiner Urteilsbegründung sagte der Richter auch, dass bei den Zeugen Angst eine Rolle gespielt hätte. Auch der Staatsanwalt bemerkte, ein Zeuge hätte bei seiner Aussage sehr nervös und eingeschüchtert gewirkt. Das habe Methode beim Angeklagten, im Nachhinein auf Zeugen einzuwirken, so der Staatsanwalt.

Laut dem Richter ist eine Zeugin, die dem Angeklagten während des Prozesses in erster Instanz vor dem Amtsgericht Singen ein Alibi gegeben hatte, bereits rechtskräftig wegen Falschaussage verurteilt worden. Die Verteidigung dagegen forderte Freispruch, unter anderem wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen und nicht passender Täterbeschreibung. Außerdem engagiere sich der Angeklagte sozial und pflege seinen Vater.

AfD-Mitglied Nachrücker für Singener Gemeinderat

Eigentlich sollte das AfD-Mitglied in dieser Woche in den Singener Gemeinderat nachrücken. Aber dies wurde laut der Stadt Singen verschoben. In einer schriftlichen Pressemitteilung heißt es dazu, dass das AfD-Mitglied "freiwillig zugestimmt hat, seine Verpflichtung zu verschieben, bis das Landgericht Konstanz das letztlich rechtskräftige Strafmaß im aktuellen Berufungsverfahren gegen ihn festgelegt hat." Die Verpflichtung soll nun zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Das könnte noch vor den Sommerferien der Fall sein. Hintergrund ist laut Stadt, dass ein AfD-Stadtrat aus Singen weggezogen und damit aus dem Singener Gemeinderat ausgeschieden ist.

Aus juristischer Sicht: Nachrücken trotz Gefängnisstrafe möglich

Aus juristischer Sicht könnte das AfD-Mitglied auch mit dieser elfmonatigen Gefängnisstrafe in diesem Verfahren in den Gemeinderat Singen nachrücken, so eine Sprecherin des Landgerichts Konstanz. Denn bei den Tatvorwürfen handele es sich nicht um Verbrechenstatbestände. Das wäre jedoch zwingend erforderlich, um das passive Wahlrecht, also das Recht, in ein Amt gewählt zu werden, zu verlieren.

Dafür müsste man zumindest wegen eines Verbrechens zu einer Einzelstrafe von einem Jahr verurteilt sein.

Rechtslage "Verlust passives Wahlrecht"
§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) ordnet den automatischen Amtsverlust und den automatischen Verlust des passiven Wahlrechts für die Dauer von 5 Jahren an. Es bedarf in solch einem Fall keines gesonderten Ausspruchs im Urteil.  Vorausgesetzt wird insoweit allerdings die Verurteilung wegen eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1, 3 StGB) zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Bei einer Gesamtstrafe muss zumindest eine Einzelstrafe wegen eines Verbrechens über einem Jahr liegen. Gem. § 12 StGB sind Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.  Die Tatvorwürfe der gefährlichen Körperverletzung, der Nötigung und der Bedrohung erfüllen diese Voraussetzungen nicht, sodass § 45 Abs. 1 StGB nicht einschlägig ist. Quelle: Pressestelle, Landgericht Konstanz

Laut der Stadt Singen möchte das AfD-Mitglied sein Mandat annehmen. Wäre dies nicht der Fall, würde der AfD-Sitz unbesetzt bleiben, denn die Alternative für Deutschland habe für die Kommunalwahl in Singen insgesamt nur vier Kandidaten aufgestellt. Die Partei hatte bei der Gemeinderatswahl 2024 drei Sitze im Gemeinderat errungen.

Der Angeklagte hat sich gegenüber dem SWR trotz mehrfacher Anfrage nicht geäußert.

Auch im Konstanzer Kreistag Diskussion um AfD-Mandatsniederlegung

Auch im Konstanzer Kreistag gab es zuletzt Diskussionen im Zusammenhang mit der AfD, als es um die Nachbesetzung einer Kreisrätin ging. Eine Ex-AfD-Rätin stellte nach einem Jahr den Antrag, wieder aus dem Kreistag entlassen zu werden. Als Begründung gab sie laut Kreis an, inzwischen aus der AfD ausgetreten zu sein und zu wenig Zeit für ihre Familie zu haben. Die Ex-AfD-Rätin konnte ihr Mandat niederlegen. Andere Kreistagsmitglieder hatten aber laut Landratsamt kritisiert, dass sie sich nicht ihrer Verantwortung stellt.

Die Nachbesetzung im Kreistag habe sich schwierig gestaltet. Der erste, laut dem AfD-Listenwahlergebnis mögliche Nachrücker sei inzwischen auch aus der AfD ausgetreten und habe das Amt nicht antreten wollen. Nachgerückt sei nun der zweite mögliche Kandidat, der aber auch nicht mehr der Partei angehöre.

Sendung am Fr., 6.6.2025 14:30 Uhr, SWR4 BW Studio Friedrichshafen

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