An der Verschalung eines Hochbeets krabbeln Ameisen.

Baden-Württemberg Millionen Ameisen überall: So kämpft ein Dorf gegen die aggressiven Tiere

Stand: 04.04.2025 06:14 Uhr

Sie nagen an Stromkabeln und unterhöhlen Gehwege: Mit dem Frühling breiten sich invasive Ameisen weiter in Baden-Württemberg aus. Ein Dorf nahe Offenburg kämpft mit verschiedenen Mitteln gegen die Tiere.

Auf den ersten Blick wirkt alles ruhig in Schutterwald (Ortenaukreis), doch wer genauer hinschaut, entdeckt zahlreiche Sandhäufchen und reges Wuseln am Rande des Bürgersteigs. Hier gibt es weitaus mehr Krabbeltiere als Einwohner. Die als invasiv geltende Ameisenart "Tapinoma magnum" bildet Superkolonien mit Millionen von Tieren. Sie ist nur schwer aufzuhalten und breitet sich in Baden-Württemberg zunehmend aus.

Denn die aus dem Mittelmeerraum stammende Art ist aggressiv, verdrängt heimische Ameisenarten und hat nach bisherigen Erkenntnissen in Deutschland keine natürlichen Feinde. Dazu kommt, dass sie Schäden verursacht: In Kehl (Ortenaukreis) hat sie unter anderem Stromausfälle ausgelöst und den Boden eines Spielplatzes unterhöhlt.

Wie hilft kochendes Wasser gegen Ameisen?

Aber wie geht man am besten gegen die invasive Art vor? Die Gemeinde Schutterwald versucht es mit kochendem Wasser. So wie auch die Nachbarkommunen Offenburg und Kehl. Schutterwalds Bürgermeister Martin Holschuh (SPD) erzählt, er sei in engem Kontakt mit anderen Kommunen, man tausche Erfahrungen aus. Die Bekämpfung mit heißem Wasser sei bisher die einzige Lösung, die Wirkung zeige und zugelassen sei, so Holschuh.

Unser Ziel ist es, die Ameisen auf dem Stand zu halten, wie er jetzt ist. Loswerden wir sie wahrscheinlich nicht mehr. Martin Holschuh, Bürgermeister von Schutterwald (Ortenaukreis)

Zur Ameisenbekämpfung brauchen die Gemeinden ein spezielles Heißwassergerät. Bisher wird Schutterwald von der Stadt Offenburg bei der Bekämpfung unterstützt - eine Übergangslösung, sagt Holschuh. Die Gemeinde kaufe sich bald ein eigenes Heißwassergerät. Kostenpunkt rund 20.000 Euro. Außerdem sollen extra Mitarbeitende eingestellt werden, die an mehreren Tagen in der Woche mit dem Gerät durch die Straßen Schutterwalds ziehen, um die Ameisen zu bekämpfen. Pro Jahr rechnet die Gemeinde mit 40.000 bis 50.000 Euro für die Bekämpfung der "Tapinoma magnum".

Ein Mitarbeiter der Technischen Betriebe Offenburg bekämpft die invasive Ameisenart Tapinoma magnum in Schutterwald mit heißem Wasser.

Ein Mitarbeiter der Technischen Betriebe Offenburg bekämpft die invasive Ameisenart Tapinoma magnum in Schutterwald mit heißem Wasser.

Superkolonien unter Straßen in Schutterwald

Vor zwei Jahren habe die Bevölkerung in Schutterwald das Problem zum ersten Mal wahrgenommen, erzählt Bürgermeister Martin Holschuh. Seitdem haben sich zwei Superkolonien der "Tapinoma magnum" in der Gemeinde breitgemacht. Mit ihren vielen Nestern haben sich die Ameisen unter mehreren Straßenzügen der Gemeinde eingenistet. Zum Leid der Anwohnerinnen und Anwohner und mehrerer Unternehmen. Denn auch im Industriegebiet sind die Krabbeltiere mittlerweile unterwegs. Allein könnten die Gemeinden das Ameisen-Problem nicht bewältigen, Unterstützung vom Land sei nötig, sagt Holschuh.

Forschungsprojekt sucht Schwachstellen der "Tapinoma magnum"

Ein Forschungsprojekt, gefördert durch das Land, soll jetzt die Basis für geeignete Gegenmaßnahmen liefern. Durchgeführt wird es von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der staatlichen Naturkundemuseen in Stuttgart und Karlsruhe. Die Forschenden sind dabei auf die Beteiligung der Bevölkerung und betroffener Kommunen angewiesen. Bürgerinnen und Bürgern schicken Ameisen ein, die Forschenden untersuchen sie unter dem Mikroskop. So wollen die Forschenden herausfinden, wo die invasive Art schon überall unterwegs ist, erklärt Insektenforscher Manfred Verhaagh vom Naturkundemuseum Karlsruhe.

Forschenden des Naturkundemuseums Karlsruhe untersuchen von Bürgerinnen und Bürgern eingeschickte Ameisen unter dem Mikroskop. So wollen sie herausfinden, wo die Tapinoma magnum schon überall unterwegs ist.

Forschenden des Naturkundemuseums Karlsruhe untersuchen von Bürgerinnen und Bürgern eingeschickte Ameisen unter dem Mikroskop. So wollen sie herausfinden, wo die Tapinoma magnum schon überall unterwegs ist.

Außerdem erforschen Verhaagh und seine Kolleginnen und Kollegen die Biologie der "Tapinoma magnum", unter anderem, um mögliche Schwachstellen zu finden. Diese könnten dann Erkenntnisse liefern für die Bekämpfung der Ameisen. Trotzdem sagt Verhaagh: "Ich glaube nicht, dass wir die "Tapinoma magnum" wieder ganz loswerden." Man könne aber dafür sorgen, ihre Ausbreitung einzudämmen.

Kampf gegen Ameisen: Grundstücksbesitzer sind gefragt

Bisher gebe es noch keinen offiziellen politischen Auftrag, die Ameisen zu bekämpfen, erklärt Verhaagh weiter. Auf Privatgrundstücken sei es also Aufgabe des Besitzers, die Tiere zu bekämpfen. Deswegen sei die Koordination zwischen privaten und öffentlichen Eigentümern ganz entscheidend. In Schutterwald will die Gemeinde privaten Eigentümern deshalb anbieten, auch auf deren Grundstücken mit heißem Wasser gegen die Ameisen vorzugehen, sagt Bürgermeister Martin Holschuh. Nur so könne die Gemeinde das Problem in den Griff kriegen.

Ein Mitarbeiter der Technischen Betriebe Offenburg bekämpft die invasive Ameisenart Tapinoma magnum in Schutterwald mit heißem Wasser. Mit einer Lanze sticht er in die Erde, dorthin, wo er Ameisennester vermutet.

Eine Bekämpfungsmethode gegen die invasive Ameisenart Tapinoma magnum ist kochendes Wasser. Mit einer Lanze sticht ein städtischer Mitarbeiter in die Erde, dorthin, wo er Ameisennester vermutet.

Seit wann gibt es "Tapinoma magnum" in Deutschland?

Erste wissenschaftliche Nachweise der "Tapinoma magnum" in Deutschland gibt es seit 2009 in Rheinland-Pfalz. 2016 wurde sie das erste Mal im baden-württembergischen Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) vom Naturkundemuseum Karlsruhe dokumentiert. Insektenforscher Manfred Verhaagh geht aber davon aus, dass die Ameisenart schon viel länger da ist. Erst wenn die Kolonien größer seien, machten sie sich bemerkbar.

In den letzten Jahren sei das Ameisen-Probelm in Baden-Württemberg akut geworden, erklärt Verhaagh. An immer mehr Orten werden die invasiven Krabbler entdeckt: zum Beispiel in Lörrach, Schallstadt (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald), Karlsruhe und Heidelberg. Auch in angrenzende Regionen wie Hessen, Ostfrankreich und der Schweiz wurde die "Tapinoma magnum" gesichtet.

Sendung am Do., 3.4.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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