Europas größte Produktionsanlage für E-Fuels von Karlsruher Start-up INERATEC

Baden-Württemberg Karlsruher Start-up nimmt Europas größte Produktion für E-Fuels in Betrieb

Stand: 03.06.2025 11:00 Uhr

Das Karlsruher Start-up INERATEC feiert die Einweihung seiner Anlage für E-Fuels. Sie soll sich durch ihre einfache Bauweise in flexiblen Modulen auch weiter verkaufen.

Von Thorsten Weik, Petra Thiele, Matthias Breitinger

Sie sind künstlich hergestellte Kraftstoffe auf Grundlage von Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2): sogenannte E-Fuels, die als E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin wie anderer normaler Treibstoff verwendet werden können. In der Nähe des Frankfurter Flughafens hat das Karlsruher Unternehmen INERATEC jetzt eine neue Produktionsanlage dafür in Betrieb genommen.

Dort sollen bis zu 2.500 Tonnen E-Fuels pro Jahr hergestellt werden und dafür jährlich bis zu 8.000 Tonnen CO2 recycelt werden. Zunächst soll der synthetische Kraftstoff von INERATEC vor allem Flugzeuge und Schiffe bewegen. Auch an Schwerlasttransporter ist gedacht. Das Unternehmen hat gut 40 Millionen Euro in die Anlage namens ERA ONE investiert. INERATEC ist eine Ausgründung aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Klimaneutrale e-Fuels sind nicht nur technologisch möglich. ERA ONE zeigt, dass sie auch marktreif sind. Tim Böltken, CEO von INERATEC

2.500 Tonnen E-Fuels im Jahr gegenüber 15.000 an einem Tag

Die produzierten Mengen der E-Fuel-Entwickler reichen aber bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Allein der Frankfurter Flughafen benötigt laut dessen Betreiber Fraport rund 15.000 Tonnen Kerosin am Tag.

Selbst bei einer erheblichen Steigerung der Produktion können E-Fuels in absehbarer Zeit nur einen Bruchteil des Bedarfs der Luftfahrtindustrie decken. Strategieberater gehen davon aus, dass weitere technologische Fortschritte und ein massiver Ausbau der Kapazitäten nötig sind. Nur so könnte die Luftfahrt nachhaltig mit alternativen Kraftstoffen versorgt werden.

Was sind E-Fuels?
E-Fuels (kurz für Electrofuels) sind Kraftstoffe, die mithilfe von elektrischer Energie - also Strom - aus Wasser bzw. Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Dies wird auch Power-to-Fuel-Technologie genannt. E-Fuels können als E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin genauso wie Kraftstoff auf Rohöl-Basis in konventionellen Verbrennungsmotoren verwendet werden. Die Herstellung von E-Fuels kann nahezu klimaneutral erfolgen - dazu muss der benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Zudem lassen sich E-Fuels wie herkömmliche Kraftstoffe transportieren und über bestehende Tankstellen vertreiben. Allerdings ist die Herstellung des synthetischen Kraftstoffs teuer. Aus E-Fuels erzeugtes E-Kerosin kostet etwa fünf bis sieben Mal so viel wie Kerosin aus fossilen Quellen. Diese Kosten sollen jedoch noch sinken und hängen auch vom Standort und den verfügbaren Ressourcen ab, insbesondere vom Strompreis. Denn die Erzeugung von E-Fuels ist extrem energieaufwendig. Besonders viel Strom ist dabei für die Elektrolyse nötig, um Wasserstoff aus Wasser herzustellen. Diesem Wasserstoff wird dann CO2 zugeführt, um künstliche E-Fuels zu erzeugen. Kritiker bemängeln außerdem, dass bei der Umwandlung von elektrischem Strom in synthetischen Kraftstoff viel Energie verloren geht. Daher ergibt eine Nutzung von E-Fuels vor allem in Bereichen Sinn, wo die Alternative - den Strom direkt in Akkus einzuspeisen - kaum besteht, etwa in der Luftfahrt. E-Fuels erzeugen umwelt- und gesundheitsschädliche Abgase - ähnlich wie herkömmliche Kraftstoffe. Synthetische Kraftstoffe können zwar kohlenstoffneutral sein, bei der Verbrennung werden aber Luftschadstoffe wie etwa das giftiges NO2 und krebserregende Partikel ausgestoßen.

CO2 aus Biogasanlage, Wasserstoff aus Chlorproduktion

Im Industriepark Höchst liefert INERATEC die Technologie für die Herstellung der E-Fuels und betreibt auch die Anlage. Die beiden benötigten Rohstoffe - CO2 und Wasserstoff - kommen vom Partner Infraserv. Das CO2 stammt aus einer Biogasanlage, der Wasserstoff wird als Nebenprodukt der Chlorproduktion gewonnen.

Produktionsanlage für E-Fuels des Karlsruher Start-ups INERATEC in Frankfurt-Höchst

Die E-Fuels-Anlage des Karlsruher Start-ups INERATEC soll die Luftfahrt mit nachhaltigem Kerosin versorgen.

INERATEC: Modularer Aufbau macht Technologie leicht einsatzbar

Die neue Anlage soll aber nicht nur E-Fuels produzieren, sondern auch als Vorbild dienen und ein Beispiel für das Potenzial der Technologie sein. Dank ihres modularen Aufbaus kann die Anlage leicht erweitert und weltweit eingesetzt werden. Sie kann synthetisches Kerosin, Benzin, Diesel, Wachs, Methanol oder Erdgas herstellen.

Hoffnungsträger internationaler Investoren

Nach Angaben von INERATEC arbeitet das Unternehmen bereits an internationalen Projekten, unter anderem in Chile und Italien. Das Unternehmen wird von verschiedenen internationalen Investoren unterstützt. Zuletzt gab es eine weitere Finanzierungsrunde mit über 100 Millionen Euro.

Für die künftigen noch größeren Anlagen braucht es vor allem genügend Rohstoffe für die Produktion. Am Standort in Frankfurt-Höchst sind die limitierenden Faktoren das CO2 und der Wasserstoff. Bei weiteren Produktionsanlagen will das Unternehmen strategisch sinnvolle Standorte wählen. Beispielsweise in der Nähe von Papierproduzenten - dort fallen die passenden Rohstoffe als Abfall an - und in einem Land mit geringen Stromkosten.

Sendung am Di., 3.6.2025 6:00 Uhr, SWR Aktuell am Morgen, SWR Aktuell

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