Auf einem Parkplatz an der Grenze zu den Niederlanden auf der A3 in Emmerich kontrollieren Bundespolizisten einen Autofahrer und sein Fahrzeug. Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) hatte im Mai wenige Stunden nach seinem Amtsantritt eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt.

Baden-Württemberg CDU-Migrationsstaatssekretär sorgt mit Äußerungen über Richter für Ärger in der BW-Landesregierung

Stand: 06.06.2025 16:59 Uhr

Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen sind laut einer Gerichtsentscheidung rechtswidrig. Dennoch gehen sie weiter. Aussagen eines CDU-Politikers aus BW sorgen für weiteren Gesprächsstoff.

Von Jakob Fandrey

Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zu Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen und der Ankündigung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), diese trotz der Einstufung des Gerichts als rechtswidrig fortsetzen zu wollen, entzündet sich weiterer Ärger um eine Äußerung des baden-württembergischen Migrationsstaatssekretärs Siegfried Lorek (CDU). Dieser hatte in einem Video auf seinem Instagram-Kanal behauptet, "ein grüner Verwaltungsrichter" in Berlin habe die Zurückweisungen an den Grenzen für illegal erklärt.

In dem mittlerweile gelöschten Video zitierte der Migrations-Staatssekretär zuvor Zeitungs-Schlagzeilen, wonach die Zurückweisung an deutschen Grenzen illegal sei. Dann sagte der CDU-Politiker: "Was es damit auf sich hat, erkläre ich euch in sechs Stockwerken." Während der Fahrt mit dem Aufzug schildert Lorek den Fall von drei Somaliern, die an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder zurückgewiesen wurden. Dann fiel der Satz, der für Kontroverse sorgt.

Denn dieser Selfie-Aufsager hat nach SWR-Informationen Ärger in der grün-schwarzen Landesregierung verursacht. Lorek hatte das Video zwischenzeitlich gelöscht. Offiziell teilte das Staatsministerium daher dem SWR mit, "dass die Sache damit erledigt sei", weil das Video gelöscht worden sei. Das Justiz- und Migrationsministerium verweist auf eine Klarstellung des Staatssekretärs in einem weiteren Video. Darin habe er "aufgetretene Missverständnisse" ausgeräumt.

Urteil zu Zurückweisungen an Grenzen: Kritik auch an zweitem Video

Dieses hat Lorek am Donnerstagnachmittag auf seiner Instagram-Seite veröffentlicht. Darin stellt er klar, dass einige das gelöschte Video missverstanden hätten. "Es ging mir nicht darum, das Urteil oder unser Rechtssystem infrage zu stellen. Richterliche Unabhängigkeit ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaats", heißt es in der Videobeschreibung. "Nicht falsch verstehen: Ich freue mich auf den migrationspolitischen Kurs der Bundesregierung. Meines Erachtens machen sie es richtig und sie handeln auch rechtmäßig", sagte der 48-Jährige in der zweiten Videobotschaft.

Die Aussagen Loreks rufen erhebliche Kritik hervor. Man dürfe nicht zulassen, dass Gerichte diskreditiert werden, warnt die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Evers. "Schleichenden Tendenzen einer solchen "Trumpisierung" müssen wir entschlossen entgegentreten", sagte sie auf SWR-Anfrage.

SPD-Politiker mit Kritik: "Hat in diesem Amt nichts mehr verloren"

Auch der SPD-Innenexperte Sascha Binder kritisierte Lorek. "Das ist nicht nur ein Versehen", sagte er dem SWR. Lorek stelle ganz bewusst die Unabhängigkeit der Justiz in Frage und zeige damit, dass ihm jeglicher Respekt vor der Justiz fehle. Seine lächelnd vorgetragene Entschuldigung im Nachgang sei blanker Hohn. "Ein Staatssekretär im Justizministerium, der die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellt und Richter persönlich diffamiert, hat in diesem Amt nichts mehr verloren", so Binder weiter.

Unter dem zweiten Instagram-Video reißt die Kritik an den Äußerungen Loreks ebenfalls nicht ab. Viele User sprechen von einer "Nonpology", also dass die Entschuldigung nicht ernst gemeint sei. "Welchen Mehrwert sollte dann die Nennung der Parteimitgliedschaft gehabt haben, außer zu implizieren, dass das Urteil parteipolitisch gefärbt war?", fragt ein User. Ein anderer kommt zu dem Fazit: "So verhalte ich mich, wenn ich beim Scheiße bauen erwischt wurde".

Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Berlin verweist auf das Neutralitätsprinzip, das für alle Richter gelte. Eine Parteimitgliedschaft müssten Richter nicht angeben, sie werde daher auch nicht erfasst. Und der Beschluss zu den Zurückweisungen an den Grenzen sei nicht von einem, sondern von drei Berufsrichtern erlassen worden. Die sind laut Verwaltungsgericht Berlin nach dem Geschäftsverteilungsplan eingeteilt worden.  

Angriffe auf Richter nach Urteil zu Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen

Seit den Eilentscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts über die Rechtswidrigkeit von Zurückweisungen Asylsuchender werden die beteiligten zwei Richterinnen und ihr Kollege laut Aussagen des Deutschen Richterbunds diffamiert und bedroht. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in Berlin vom Donnerstag heißt es, dass Kritik an gerichtlichen Entscheidungen durch das Recht zur freien Meinungsäußerung geschützt werde.

Sie sei wichtig für die demokratische Diskussion und unterstütze die Entscheidungsfindung anderer Gerichte. Etwas anderes gelte für persönliche, diffamierende Angriffe auf Richterinnen und Richter. "Sie sind ein Angriff auf den Rechtsstaat und damit auf uns alle. Das geht zu weit", teilten die Berufsverbände mit.

CSU-Minister Dobrindt sieht Grenzkontrollen als Erfolg an

Auch die Justizministerinnen und -minister von Bund und Ländern haben die Angriffe auf zwei Berliner Richterinnen und ihre Kollegen wegen der Asyl-Entscheidung verurteilt. "Wer Richterinnen und Richter angreift oder bedroht, greift das Herz unseres Rechtsstaats an", erklärte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) nach Beratungen mit ihren Ressortkollegen aus den Ländern am Freitag. Hubig machte deutlich, dass sich diese Angriffe nicht nur gegen einzelne Personen richten, "sondern gegen das Recht selbst - und gegen die Idee einer unabhängigen Justiz".

Unterdessen hat Bundesinnenminister Dobrindt am Freitag erneut eine Fortsetzung seines migrationspolitischen Kurses bekräftigt. "Grenzkontrollen wirken und deswegen setzen wir sie auch fort", sagte Dobrindt im Bundestag. Seit Einführung der verschärften Grenzkontrollen sei ein Rückgang der Asylzahlen zu verzeichnen, so der CSU-Politiker. Er bekräftige allerdings erneut, dass die Maßnahme "zeitlich befristet" sein müsse. Dies hatte er bereits im Zuge der Anordnung der Maßnahmen Anfang Mai betont. Auch Dobrindt wandte sich gegen verbale Angriffe gegen das Berliner Gericht. "Was definitiv nicht geht, ist dass hier Kritik in Form von Gewaltandrohungen gegenüber Richterinnen und Richtern stattfindet".

Auch Siegfried Lorek sieht die Grenzkontrollen als Erfolg. Denn die Bundespolizei habe seit der Einführung der Grenzkontrollen 138 Schleuser festgenommen, so Lorek am Donnerstag im SWR. Doch die Grenzkontrollen seien keine Dauerlösung, er fordert eine europäische Lösung: "Europa muss endlich handeln. Wir müssen die Zugangszahlen nach Europa in den Griff bekommen und die Verteilung in Europa wieder hinbekommen."

Das komplette SWR-Interview vom Donnerstag mit Siegfried Lorek gibt es hier im Video:

BW-Staatssekretär Lorek hält verschärfte Grenzkontrollen für Erfolg

Sendung am Fr., 6.6.2025 17:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

Weitere aktuelle News zur Zurückweisung von Asylsuchenden und den Grenzkontrollen