Alexander Dobrindt (li.) und Friedrich Merz

Nach Rechtsextremismus-Einstufung Union sieht mögliches AfD-Verbot kritisch

Stand: 05.05.2025 10:53 Uhr

Nach der Verfassungsschutz-Einstufung der AfD als rechtsextrem wird wieder über ein mögliches Verbot der Partei diskutiert. Die Union ist skeptisch, Grüne und Linke machen Druck. Die AfD reichte eine Klage gegen ihre Hochstufung ein.

Wie sollen die anderen Parteien mit der AfD umgehen? Über die Frage wird nach der Hochstufung der Partei durch den Verfassungsschutz als rechtsextremistisch intensiv diskutiert. Gegen die Neubewertung hat die AfD Klage eingereicht. Ein entsprechendes Schreiben sei an das zuständige Verwaltungsgericht Köln verschickt worden, bestätigte der Sprecher von Parteichefin Alice Weidel, Daniel Tapp.

Die AfD hatte den Verfassungsschutz zuvor per Abmahnung aufgefordert, die Einstufung der Partei als gesichert rechtsextremistisch zurückzunehmen und eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Der Verfassungsschutz antwortete nach AfD-Angaben nicht darauf. Mit der Klage versucht die Partei der Behörde nun gerichtlich zu untersagen, die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einzuordnen und zu beobachten.

Dobrindt: Müssen die AfD "wegregieren"

Die anderen Parteien diskutieren weiter über ein mögliches Verbot der AfD. Allerdings sind führende Unionspolitiker weiter skeptisch. Um die AfD zu verbieten, müsse als Wesensmerkmal das Aggressiv-Kämpferische gegen die Demokratie nachgewiesen werden, sagte der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) im Bericht aus Berlin. Zu Recht habe das Bundesverfassungsgericht hohe Hürden für ein Parteiverbot aufgestellt.

"Ich bin der Überzeugung, man muss die AfD nicht wegverbieten, man muss sie wegregieren", sagte Dobrindt, der sich dafür aussprach, sich über jene Themen zu unterhalten, die die AfD groß gemacht hat. "Da gibt es auch eine Aufgabe zu erledigen", sagte der CSU-Politiker.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil hatte sich dafür ausgesprochen, die AfD politisch "kleinzukriegen". Dobrindts Vorgängerin, die scheidende Ministerin Nancy Faeser (SPD), hatte zu einer sehr vorsichtigen Prüfung eines Verbotsverfahrens geraten. "Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus", sagte sie nach der Verfassungsschutz-Einstufung. Auch der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich zurückhaltend.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Bild-Zeitung bezüglich eines möglichen Verbotsverfahrens: "Ich halte da nichts von. Die meisten Wähler wählen die AfD aus Protest. Und Protest kann man nicht verbieten."

Bayerns Innenminister hält Verbotsforderungen für verfrüht

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hält politische Forderungen für ein Verbotsverfahren zu diesem Zeitpunkt für verfrüht. "Wir müssen zwischen der Frage, ob eine Organisation extremistisch ist und der Frage, was verboten werden kann, klar unterscheiden", sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel. Dies gehe aus der langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hervor. 

"Wir sind klug beraten, uns das Gutachten des Verfassungsschutzes sehr genau anzuschauen", sagte Herrmann. Die Politiker hätten die 1.100 Seiten erst am Freitag erhalten. "Ich bedaure es sehr, dass sich nun viele Politiker, die das Gutachten noch gar nicht gelesen haben können, bereits zu einem Verbotsverfahren äußern. Das ist völlig verfrüht und nicht abgewogen", kritisierte der CSU-Politiker.

Zugleich ließ Herrmann keinen Zweifel daran, dass es in der AfD Bestrebungen gebe, die verfassungswidrig seien. "Es gibt Personen in der AfD, die sich für einen starken Führer an der Spitze des Staats begeistern", sagte er. Zudem gebe es Kräfte, die die Demokratie untergraben und beseitigen wollten. "Es wird interessant sein, in dem Gutachten zu lesen, ob diese Kräfte inzwischen stark genug sind, um die gesamte Partei zu beherrschen", sagte Herrmann.

Union will sich mit SPD verständigen

Die Unionsfraktion will sich nun nach den Worten ihres designierten Vorsitzenden Jens Spahn (CDU) mit der SPD über einen gemeinsamen Kurs verständigen. "Eine Empfehlung, AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden zu wählen, wird es von unserer Seite nicht geben", schrieb er auf der Plattform X.

Spahn hatte sich noch vor seiner Nominierung dafür ausgesprochen, mit der AfD im Parlamentsbetrieb so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch. Dies löste eine Kontroverse aus. Er schrieb nun, Union und SPD würden sich im Umgang mit der AfD "eng abstimmen und in allen Fragen gemeinsam vorgehen".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die AfD seit vergangener Woche als gesichert rechtsextremistisch ein. Der Schritt hatte die seit Jahren geführte Debatte um ein mögliches Verbot der AfD neu angefacht. In der Union etwa hatte sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dafür ausgesprochen, dass Bundestag oder Bundesregierung ein Verbotsverfahren einleiten.

Grüne und Linke machen Druck

Grünen-Chef Felix Banaszak rief die Union auf, sich gemeinsam auf ein AfD-Verbotsverfahren zu verständigen. "Ich lade CDU und CSU ausdrücklich und aufrichtig ein: Herr Merz, Herr Söder - lassen Sie uns gemeinsam darüber reden, lassen Sie uns aktiv werden. Nicht aus parteipolitischem Kalkül, sondern weil unsere Demokratie es wert ist. Bevor es zu spät ist", schrieb er auf X.

Auch die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sieht genügend Indizien dafür, dass ein AfD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht geprüft werden solle. Im ARD-Morgenmagazin begründete Lang ihre Einschätzung neben der Einstufung durch den Verfassungsschutz außerdem durch die Aufnahme des Begriffs "Remigration" ins Wahlprogramm zur Bundestagswahl.

Weiterhin sprächen die Aufnahme des wegen seiner Äußerungen zum Nationalsozialismus umstrittenen Abgeordneten Matthias Helferich in die Bundestagsfraktion dafür sowie die Rolle des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Es gebe in der AfD ein völkisches Denken, das fundamental dem Grundgesetz widerspreche, sagte Lang. "Wir erleben jetzt hier eine sich radikalisierende Partei und irgendwann muss Politik Grenzen setzen."

Ricarda Lang, Bündnis 90/Die Grünen, zu der Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren

Morgenmagazin, 05.05.2025 05:30 Uhr

Die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger sprach sich ebenso für ein Verbotsverfahren aus. "Der Bundestag muss jetzt auch den Mut haben, ein entsprechendes Verfahren in Gang zu bringen", sagte sie dem Tagesspiegel.

Ebenso forderte der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, die Vorbereitung eines Verbotsverfahrens. Dieses ersetze allerdings nicht die tägliche politische Auseinandersetzung mit der AfD, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch ist es dennoch an der Zeit, ein Verbotsverfahren vorzubereiten, das erwarte ich von den Ländern und vom Bund."

Frei spricht sich für Prüfung von Staatsbediensteten aus

Ein Verfahren zu einem Parteienverbot kann nur von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung initiiert werden. Die schlussendliche Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt beim Bundesverfassungsgericht. Ein erster Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren hatte im aufgelösten Bundestag keine Mehrheit gefunden, auch weil viele Abgeordnete zuerst die Bewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz abwarten wollten.

Im Falle der rechtsextremistischen früheren NPD - heute unter dem Namen Die Heimat - waren zwei Verbotsverfahren gescheitert. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, gegen die Partei vorzugehen.

So sprach sich der designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) dafür aus, AfD-Mitglieder in Staatsdiensten auf ihre Verfassungstreue hin zu überprüfen. "An dieser Stelle darf es keine Zweifel geben", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Daher halte er es "für richtig, sich unter dieser Maxime jeden Einzelfall genau anzuschauen".

Dies sieht auch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz so. "Gerade mit Blick auf Beamte, die in der Justiz und in Sicherheitsbehörden tätig sind, ist es sehr drängend, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen", sagte er den Funke-Zeitungen und ähnlich der Augsburger Allgemeinen.

Forderung nach Streichung der Parteienfinanzierung

Notz sprach sich dafür aus, auch die Finanzierung der Partei durch Staatszuschüsse ins Auge zu fassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der NPD-Entscheidung deutlich gemacht, dass dafür die Hürden geringer sein könnten als für ein komplettes Verbot einer Partei.

Auch die Linken-Abgeordnete Bünger sprach sich für ein Ende der staatlichen Parteienfinanzierung für die AfD aus."Die Demokratie darf nicht zulassen, dass sie mit Mitteln aus der Staatskasse ihre eigene Abschaffung auch noch finanziert", sagte sie dem Tagesspiegel.

Zurückhaltender äußerte sich der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm. "Es bedarf in jeglicher Hinsicht eines kritischen Umgangs mit der AfD", sagte er dem Tagesspiegel. Staatliche Mittel müssten der Partei jedoch nicht gestrichen werden. "Solange die AfD an Wahlen teilnimmt, stehen ihr auch die entsprechenden Rechte auf staatliche Zuschüsse zu. Mehr aber auch nicht".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung "Presseclub" am 04. Mai 2025 um 12:03 Uhr.