
Rohstoffabkommen Ukraine-USA Neue Forderungen - und weitere Gespräche
Die USA und die Ukraine verhandeln weiter über ein Rohstoffabkommen - und neue Forderungen aus Washington beunruhigen ukrainische Abgeordnete. Sie berichten von Entwürfen, die den USA den Zugriff auf alle Rohstoffe geben würden.
Mehr als sechs Wochen sind inzwischen vergangen seit dem Streit im Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump sagte die Unterschrift unter ein bereits vereinbartes Rohstoffabkommen mit der Ukraine ab und zwang seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj zur vorzeitigen Abreise. Beide Seiten geben zwar an, dass sie weiter an einem Abkommen interessiert seien, aber die Details, die über die Verhandlungen an die Öffentlichkeit dringen, stimmen Beobachter wenig optimistisch.
Vor allem die Forderungen der US-Administration - soweit sie bekannt wurden - sorgten in der Ukraine regelrecht für Empörung. Diese beziehen sich offenbar nicht nur auf ein Rahmenabkommen, wie es Ende Februar in Washington unterschrieben werden sollte. Sie nehmen bereits in den Blick, wie US-Unternehmen ukrainische Bodenschätze, darunter sogenannte Seltene Erden, ausbeuten und welche Teile der ukrainischen Wirtschaft dabei unter US-Kontrolle kommen sollen.
Eine Pipeline - und alle Rohstoffe
Zuletzt berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, die USA forderten auch die Kontrolle über eine Gaspipeline, die früher russisches Gas durch die Ukraine in die Europäische Union beförderte. Diese solle der staatlichen US-amerikanischen Entwicklungsagentur "International Development Finance Corporation" (IDFC) übertragen werden, so Reuters. Die Ukraine hatte den Vertrag zur Durchleitung von russischem Gas durch diese Pipeline zum Ende des vergangenen Jahres auslaufen lassen.
Hauptquelle für Einzelheiten aus den Verhandlungen sind ukrainische Parlamentsabgeordnete, die offenbar in den Besitz eines Vertragsentwurfs kamen, sowie US-Medien. Jaroslaw Schelesnjak, Abgeordneter der liberalen Oppositionspartei Holos (auf Deutsch "Stimme"), berichtete in seinem Kanal beim Nachrichtendienst Telegram, die USA wollten nun Zugriff auf alle Rohstoffe in der Ukraine.
Bis dato war nur von denjenigen die Rede gewesen, die US-Firmen künftig in der Ukraine fördern würden. Die USA sollen also auch über bereits erschlossene Vorkommen mit verfügen, darunter neben Mineralien auch Vorkommen an Öl, Gas und Eisenerz.
Fonds mit US-Mehrheit
Auch von der Verwaltung her würden die USA laut den Dokumenten eine alles dominierende Rolle einnehmen. Für die gemeinsamen Unternehmen werde ein Fonds unter Führung der Entwicklungsagentur IDFC gegründet, so die New York Times. Die US-Seite solle drei von fünf Mitgliedern im Verwaltungsrat des Fonds stellen.
Als ebenfalls "ungünstig für uns" schätzt Schelesnjak die finanzielle Komponente des Vertragsentwurfs ein. Alle Mittel des Fonds sollen in US-Dollar konvertiert und außerhalb der Ukraine aufbewahrt werden.
Zudem sollen die Gewinne, die der Fonds erzielt, zuerst den USA zugutekommen, so lange, bis die Summe der bisherigen US-Militärhilfen erreicht sei, so die New York Times. Erst danach werde die Ukraine zum Zug kommen.
Damit nicht genug: Sollte der Fonds die erwarteten Gewinne nicht erzielen können, müsse der ukrainische Staat dies aus anderen Einnahmen kompensieren.
Die Regeln der EU im Blick
Nach Ansicht der meisten ukrainischen Beobachter ist ein Abkommen in der Form sinnlos für die Ukraine. Trump überschreite mit seinem letzten Vorschlag "fast alle roten Linien, die zuvor vereinbart wurden", kommentierte die einflussreiche Internetzeitung Ewropejska Prawda. Andere Kommentatoren sprachen sogar davon, die USA wollten die Ukraine offenbar zu ihrer wirtschaftlichen Kolonie machen.
Die ukrainische Regierung hat die kolportierten Details zum letzten US-Vorschlag weder bestätigt noch dementiert. Präsident Wolodymyr Selenskyj machte lediglich deutlich, dass er auf die Forderungen der USA nicht eingehen werde. Er sei vor allem nicht bereit, die US-Militärhilfe aus den vergangenen Jahren, die ohne Bedingungen gewährt wurde, zurückzuzahlen.
Außerdem erklärte Selenskyj, dass ein Abkommen mit den USA nicht den Regeln der Europäischen Union widersprechen dürfe, der die Ukraine beitreten will. Damit bezog er sich auf die Forderung, die USA sollten ein Vetorecht über künftige Investitionsentscheidungen im Bereich Bodenschätze in der Ukraine haben.
Sicherheitsgarantien sind nicht mehr vorgesehen
Nach Darstellung der Nachrichtenagentur Ukrinform machte Selenskyj in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten US-Finanzminister Scott Bessent für die Unstimmigkeiten maßgeblich verantwortlich. Dieser habe der Ukraine bei einem Besuch in Kiew Bedingungen diktieren wollen, so stellte es Selenskyj dar.
"Ich verteidige das, was der Ukraine gehört", sagte der Präsident laut Ukrinform. Ein Abkommen müsse für beide Seiten von Vorteil sein. Selenskyj räumte allerdings ein, dass im Rahmen der Verhandlungen über militärische Sicherheitsgarantien gar nicht mehr gesprochen werde.
Neuer Vertragsentwurf übergeben
Dennoch hat die Ukraine ein Abkommen mit den USA noch nicht aufgegeben. Justizministerin Olga Stefanischyna sagte im ukrainischen Fernsehen, das Land habe den US-Unterhändlern in der vergangenen Woche einen eigenen Vertragsentwurf übergeben. Details könne sie nicht preisgeben. "Aber es ist an sich schon an sich ein gutes Zeichen, dass es wieder Konsultationen gibt", sagte die Ministerin. Sie gehe davon aus, dass die Verhandlungen noch länger andauern würden - "so lange, bis wir zu einer Übereinkunft finden".
Deutlich pessimistischer schätzten Gesprächspartner der Nachrichtenagentur Reuters die Chancen der neuen Gespräche ein. Das Verhandlungsumfeld sei "sehr antagonistisch" gewesen, so eine Quelle gegenüber Reuters in Washington.