Ein Stau in der iranischen Stadt Teheran.

Krieg in Nahost Teheran - Flucht aus einer Stadt in Angst

Stand: 17.06.2025 20:44 Uhr

Fünf Tage Krieg haben die Menschen im Iran jetzt hinter sich. Besonders im Fokus der Angriffe: Teheran. In der Hauptstadt gibt es keine Bunker, keine Warnsirenen. Diejenigen, die können, ergreifen die Flucht.

Reza ist 37 Jahre alt, er arbeitet als Ingenieur und lebt mit seiner Familie in Teheran. Die iranische Hauptstadt hat er auch nach fünf Nächten mit Angriffen noch nicht verlassen. Doch die Situation setzt ihm zu: "In den vergangenen Tagen bin ich ununterbrochen Sorgen und Ängsten ausgesetzt. Ich muss wachsam sein, ständig die Risiken kalkulieren und entscheiden, was ich als nächstes tun soll."

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie der Krieg sich entwickeln könnte, verfolgt er aufmerksam die Nachrichten und interpretiert die Statements von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. "Ich denke, er will wichtige Einrichtungen des Regimes ins Visier nehmen", sagt Reza. "Ehrlich gesagt halte ich es für unwahrscheinlich, dass er Teheran wahllos flächenbombardiert."

Kaum Möglichkeiten, sich zu schützen

Ohne Bunker unter ihren Häusern, ohne Sirenen, die Einschläge vorab ankündigen: Die Menschen in Teheran haben wenige Möglichkeiten, sich in der Stadt vor den Angriffen Israels zu schützen.

Deswegen versuchen diejenigen, die es sich irgendwie leisten können, die Stadt zu verlassen. An Tankstellen kommt es zu langen Schlangen. Und auch auf den Autobahnen raus aus der Stadt, in Richtung des Kaspischen Meeres im Norden - in Richtung gefühlte Sicherheit - herrschen Staus.

Warteschlange vor einer Tankstelle im iranischen Teheran.

Weil Menschen aus der Stadt fliehen, kommt es an Tankstellen zu langen Schlangen.

Die 60-jährige Farideh ist mit zwei erwachsenen Kindern und ihrer Mutter in einem Auto unterwegs in die Stadt Rasht. "Ich sorge mich um meine Freunde, die ich in Teheran zurück gelassen habe. Aber ich bin froh, heute Nacht endlich ruhig schlafen zu können."

Rasht, die Hauptstadt der iranischen Provinz Gilan, sie ist das Ziel vieler Menschen aus Teheran. Die 55-jährige Mandana ist hier geboren, macht hier oft Urlaub. Doch dieses Mal fühlt es sich anders an. "Ich habe absichtlich ein paar Sachen in meiner Wohnung in Teheran zurückgelassen: Als würde ich einen Teil von mir dort zurücklassen wollen - als Einladung zur Rückkehr."

Angst vor Eintritt der USA in den Krieg

Doch ist an Rückkehr überhaupt zu denken? Wie es im Krieg zwischen Israel und Iran weitergeht, ist völlig offen. Der Iran scheint zwar zu Verhandlungen bereit, laut Außenminister Abbas Araghtschi - aber nur, wenn Israel seinen Beschuss einstellt. Danach sieht es nicht aus, israelische Militärs haben von wochenlangen Kampfhandlungen gesprochen.

Und jetzt baut sich auch noch die amerikanische Drohkulisse auf, wonach die USA in den Krieg mit einsteigen könnten. Das würde alles verschlimmern, denken viele. Paria sagt, die Menschen im Iran stünden genau zwischen diesen beiden Feinden: der eine korrupt, der andere niederträchtig. "Ich trage einen tiefen Zorn in mir. Weil ich seit Jahren denke, dass Menschenrechte - und alles, was in der Welt unter diesem Namen geschieht - oft nur ein Witz sind." Wenn diese Prinzipien keine konkrete Wirkung entfalten könnten, verlören sie ihren Wert.

"Mein Zorn richtet sich weniger darauf, dass wir fliehen mussten oder zur Flucht gezwungen wurden - es ist der Zorn über diese Heuchelei", erklärt Paria weiter. Sie ist ebenfalls ans Kaspische Meer geflohen. Die 41-Jährige arbeitet mit Kindern und hat selbst eine achtjährige Tochter. "Ich bin besorgt, habe Angst, bin traurig - nachts kann ich kaum schlafen."

Vor ein paar Tagen sei sogar ihre Arbeitsstelle durch eine Druckwelle infolge der Angriffe beschädigt worden. "Und ich dachte nur: Was, wenn die Kinder zu dem Zeitpunkt dort gewesen wären? Was für eine Katastrophe das hätte werden können."

Baldige Rückkehr ungewiss

Wie lange Paria, Farideh und Mandana am Kaspischen Meer bleiben müssen, ist unklar. Mandana hofft darauf, bald wieder in Teheran sein zu können. "Jede Nacht hier in Rasht im Bett kehre ich zu dem Moment zurück, als ich die Tür in Teheran hinter mir zugezogen habe. Ich behalte dieses Bild im Gedächtnis, und gleite mit einem Gefühl der Kontinuität in den Schlaf, so, als ob ich noch nicht ganz weg wäre."