Scott Bessent und Julia Swyrydenko unterzeichnen das Vertragswerk zur Einrichtung eines Wiederaufbaufonds.

Nach wochenlangen Verhandlungen USA und Ukraine schließen Wirtschaftsabkommen

Stand: 01.05.2025 05:16 Uhr

Wochenlang haben die USA und die Ukraine um ein gemeinsames Wirtschaftsabkommen gerungen - nun gibt es eine Einigung. Das Abkommen sichert den USA Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen. Die Ukraine behält jedoch die Kontrolle über die Ressourcen.

Die USA und die Ukraine haben sich nach langem Ringen auf die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds geeinigt, der den Vereinigten Staaten auch Zugang zu Bodenschätzen in dem von Russland angegriffenen Land gewähren soll. Beide Seiten bestätigten die Einigung in Washington.

US-Finanzminister Scott Bessent und die ukrainische Vizeregierungschefin Julia Swyrydenko unterzeichneten das Vertragswerk in der US-Hauptstadt. Der Text des Abkommens wurde zunächst nicht veröffentlicht. Vorgesehen ist aber ein Investitionsfonds zur gemeinsamen Ausbeutung ukrainischer Bodenschätze, der Mittel zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes erwirtschaften soll.

Die USA erhalten damit einen privilegierten Zugang zu ukrainischen Ressourcen - darunter Metalle der Seltenen Erden, die für Hochtechnologie wichtig und strategisch bedeutsam sind. Trumps Finanzminister Bessent wurde mit Blick auf die Inhalte der Einigung nicht sonderlich konkret, zeigte sich aber zufrieden.

Fonds soll gleichberechtigt mit den USA betrieben werden

Die ukrainische Vizeregierungschefin Swyrydenko nannte mehr Einzelheiten. Der künftige Wiederaufbaufonds solle in Projekte zur Förderung von Mineralien, Öl und Gas sowie in damit verbundene Infrastruktur investieren, erklärte sie. "Die Ukraine und die Vereinigten Staaten werden gemeinsam die zu finanzierenden Investitionsprojekte festlegen", schrieb sie auf Facebook.

Investiert werden dürfe nur in der Ukraine. In den ersten zehn Jahren solle der Fonds Gewinne und Einnahmen nicht ausschütten, sondern reinvestieren. Um Bedenken in der Ukraine vor einem möglichen Ausverkauf zu begegnen, betonte Swyrydenko, dass der Fonds gleichberechtigt mit den USA betrieben werde. Die Ukraine werde ihren Anteil am Fonds nicht aus bestehenden Rohstoffprojekten leisten, sondern 50 Prozent der Einnahmen aus künftigen Förderlizenzen oder Rohstoffverkäufen einzahlen.

Trump baute massiven Druck auf

Das Abkommen wurde in einer entscheidenden Phase in den Verhandlungen über ein Friedensabkommen geschlossen: US-Präsident Donald Trump drängt auf ein rasches Ende des Krieges in der Ukraine und zeigte sich zuletzt entnervt über die ausbleibenden Fortschritte.

Der Republikaner setzte die Ukraine in der Vergangenheit bei der Ressourcen-Frage massiv unter Druck. Er betrachtete potenzielle Gewinne aus dem Rohstoffabbau als Ausgleich für finanzielle und militärische Unterstützung der USA.

Nach der nun getroffenen Vereinbarung betonte Trump, dass die USA viel mehr zurückbekommen würden, als sie bisher investiert hätten. Er bekräftigte seine Sichtweise, dass eine wirtschaftliche Präsenz der USA in der Ukraine auch eine Sicherheitsgarantie für das Land darstelle.

Ukraine muss Militärhilfen nicht zurückzahlen

Umstritten war in den Verhandlungen, ob die Ukraine Militär- und Finanzhilfen der USA mit Hilfe der Rohstoffausbeutung quasi zurückzahlen muss. Dies ist nach Angaben Swyrydenkos nicht der Fall. Die USA könnten ihren Beitrag zu dem Fonds auch mit Militärhilfe leisten, zum Beispiel mit Flugabwehrwaffen, erläuterte sie. Die Ukraine müsse keine Schulden wegen bisheriger Waffen- oder Finanzhilfen aus den USA seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 tragen. In keinem der Partnerländer sollen demnach Steuern auf die Einnahmen des Fonds anfallen.

Das eigentliche Abkommen muss vor Inkrafttreten noch vom ukrainischen Parlament ratifiziert werden. Ministerpräsident Denys Schmyhal versicherte schon vor der Unterzeichnung des Deals: "Die Ukraine behält die Kontrolle über ihre Ressourcen. Das heißt, Bodenschätze, Infrastruktur, Rohstoffe sind nicht Teil oder Voraussetzung des Fonds oder der Vereinbarung." Es sei "ein wirklich gleichberechtigtes, gutes internationales Abkommen über gemeinsame Investitionen in die Entwicklung und den Wiederaufbau der Ukraine", sagte Schmyhal.

Selenskyj hatte das Abkommen im vergangenen Herbst vorgeschlagen, um an Trumps Selbstverständnis als Geschäftsmann zu appellieren und Sicherheitsgarantien der USA zu erhalten. Die Hoffnung auf solche Garantien erfüllte sich nach allem, was bekannt ist, zunächst nicht. 

Am vergangenen Wochenende kam Selenskyj dann in Rom am Rande der Trauerfeier nach dem Tod von Papst Franziskus für ein Gespräch mit Trump zusammen. Bilder davon, wie sich die beiden Staatsmänner auf zwei Stühlen gegenübersitzen, gingen um die Welt. Angesprochen darauf, was er Selenskyj gesagt habe, antwortete Trump nun im US-Fernsehen, er habe dem Ukrainer geraten, ein Abkommen zu unterzeichnen, "weil Russland viel größer und viel stärker ist".

Bessent spricht von "umfassender Invasion" Russlands

Die Vereinbarung sei auch ein klares Signal an die russische Führung, dass sich die Regierung von US-Präsident Donald Trump langfristig für einen Friedensprozess einsetze, in dessen Mittelpunkt "eine freie, souveräne und prosperierende Ukraine" stehe, so Bessent. Staaten und Personen, "die die russische Kriegsmaschinerie finanziert oder unterstützt haben, wird es nicht erlaubt werden, vom Wiederaufbau der Ukraine zu profitieren", betonte er.

Er sprach zudem von einer "umfassenden Invasion" Russlands in der Ukraine - eine Formulierung, die die Regierung in Washington bisher vermied. 

Odessa unter heftigem Drohnenbeschuss

Derweil setzt Russland seinen Angriffskrieg mit unverminderter Härte fort. Bei einem großen Drohnenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Odessa wurden in der Nacht nach Angaben örtlicher Behörden zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt. Mehrstöckige Wohnhäuser, ein Supermarkt, eine Schule und Autos seien beschädigt worden und mehrere Brände ausgebrochen, teilte Regionalgouverneur Oleh Kiper mit.

Auch die Großstadt Charkiw und die Stadt Sumy unweit der russischen Grenze wurden Behördenangaben zufolge attackiert. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.