Ein Protestschild vor dem US-Kapitolsgebäude.

Experten ziehen Bilanz Zerstört Trump die US-Demokratie?

Stand: 30.04.2025 19:58 Uhr

Die Demokratie in den USA ist in Gefahr - das sagt die Mehrheit von Hunderten US-Politologen. Manche sprechen vom Abgleiten in den Autoritarismus. Doch einige bescheinigen Trump nach 100 Tagen im Amt Erfolg.

Donald Trump entlässt Tausende Regierungsmitarbeiter und kürzt Ausgaben, ohne den Kongress zu fragen. Er schiebt Migranten ohne rechtsstaatliches Verfahren ab. Er beschneidet die Pressefreiheit.

Nach einer Umfrage unter 520 US-Politikwissenschaftlern sieht die Mehrheit von ihnen die US-Demokratie in Gefahr. Der Harvard-Politologe Steven Levitsky etwa spricht vom Abgleiten in den Autoritarismus. Zu dem Schluss kommt auch der Historiker Thomas Zimmer von der Georgetown-Universität in Washington:

Hier passiert jetzt etwas, das nicht nur die immer gleiche Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien ist. Hier geht es gar nicht um Demokraten gegen Republikaner. Hier geht es um Demokratie: ja oder nein. Hier geht es um Verfassungsordnung: ja oder nein. Hier geht es um Rechtsstaat: ja oder nein.

"Justiz nach Trumps Vorstellungen umgebaut"

Zwar gebe es Gerichtsurteile, die Trump widersprechen. Doch die Regierung ignoriere manche Urteile schlicht, unliebsame Richter würden auch persönlich bedroht, sagt Zimmer: "Diese Bundesrichter, die gegen Trump entscheiden, zahlen einen hohen persönlichen Preis. Die werden sofort von einer Lawine von Gewaltandrohungen überzogen. Deren normales Leben, auch das Leben ihrer Familien, ist dann vorbei. Im Moment finden sich jeden Tag Richter, die bereit sind, diesen Preis zu zahlen. Aber wie lange noch?"

Trump werde bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit rund die Hälfte aller Bundesrichter in den USA selbst ernannt haben. Derzeit werde die Justiz nach Trumps Vorstellungen umgebaut. "All das deutet darauf hin, dass hier die Uhr tickt. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem dieser Widerstand aus der Justiz versiegt."

"Entmachtung des Kongresses"

Auch der Kongress werde Schritt für Schritt entmachtet, meint Zimmer. Die Strategie mancher Demokraten, allein auf die Zwischenwahlen im November nächsten Jahres zu setzen, sei falsch, so der Historiker: "Es wird Wahlen geben. Aber ob die noch frei und fair sein werden, das ist mindestens eine offene Frage. Und selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Demokraten in diesen Wahlen eines der Häuser im Kongress zurückerobern - welche Rolle kann der Kongress dann überhaupt noch spielen?"

Derzeit könne man jeden Tag erleben, dass die Kontrollbefugnisse des Kongresses eingeschränkt und abgebaut werden, erklärt Zimmer.

Diese Vorstellung, man könne jetzt zwei Jahre still halten und dann einfach die Uhr zurückdrehen, die halte ich für verfehlt und auch wirklich gefährlich.

Hauptsache dynamisch?

Der Ökonom Paul Winfree sieht die Dinge völlig anders. Er hat für die Trump-nahe Heritage Foundation gearbeitet und inzwischen seine eigene Politikberatungsfirma gegründet. Verfassungskrise? Keine Spur, meint Winfree. Trump sei nicht der erste US-Präsident, der die Grenzen seiner Macht austeste.

Beide politischen Parteien waren in den vergangenen Jahrzehnten dafür verantwortlich, dass der Regierung immer mehr Macht übertragen wurde. Auch jetzt muss der Kongress dafür sorgen, dass er seine Kontrollrechte wahren kann. Ob die Grenzen der Gewaltenteilung überschritten werden, können uns am Ende allein die Gerichte sagen.

Für Winfree ist Trump vor allem eins: dynamisch. Die vom Unternehmer Elon Musk geleitete Behörde für Regierungseffizienz, DOGE, breche zum Beispiel Verkrustungen auf, stelle Fragen, die sich Abgeordnete nicht zu stellen trauten. Wenn DOGE Fehler mache, könne man die korrigieren.

Und trotz deutlich sinkender Popularitätswerte stehe der Kern seiner Anhängerschaft weiter fest zu Trump: "Sie lieben, dass Trump handelt, wo Politiker normalerweise nur groß reden und nicht handeln." Auf einer Punkteskala von null bis zehn würde Winfree Trump bei sieben bis acht, also als ziemlich erfolgreich einordnen. Der Grund, warum er ihm keine zehn Punkte geben würde, sei die Zollpolitik. "Die Zölle bedeuten zu viel Risiko für die Wirtschaft."

Einigkeit nur über Unklarheit

So unterschiedlich die Perspektiven sind, in einem sind sich die Experten einig: Wie es weitergeht, ist offen. Für Paul Winfree ist der Maßstab wirtschaftlicher Erfolg: "Am Ende geht es immer um die Wirtschaft, um die Themen, die die Leute am Küchentisch besprechen."

Für Thomas Zimmer geht es um den Erhalt der Demokratie: "Das Schicksal der Demokratie ist jetzt hier nicht besiegelt. Aber es wird jeden Tag schwerer. Denn jeden Tag werden die Spielregeln weiter verändert, zugunsten der trumpistischen Regierung verändert." Je länger es dauere, diese Entwicklung umzukehren, desto schwieriger werde es.

Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 30.04.2025 10:22 Uhr