
Frühling beginnt früher Klimawandel setzt Frühblüher unter Stress
Bärlauch, Buschwindröschen, Lerchensporn - das Frühlingswetter war für Frühblüher ein echter Blüh-Motor. Doch weil der Frühling immer früher beginnt, sind einige Pflanzen gefährdet.
Wenn die Laubbäume im Frühlingswald noch keine Blätter tragen, dann ist die große Zeit der Frühblüher. Jetzt bekommen Anemonen, Scharbockskraut und andere Arten genug Licht, um auszutreiben, zu blühen und Samen zu bilden. Die dafür nötigen Nährstoffe hatten sie bereits den Winter über gespeichert - zum Beispiel in ihren unterirdischen Wurzelstöcken, Zwiebeln oder Knollen.
Doch einen Haken hat die Idylle: Infolge des Klimawandels setzt der Frühling mittlerweile gut zwei, teils sogar vier Wochen früher ein als im Mittel der vergangenen Jahrzehnte. Das heißt: auch das Laub der Baumkronen treibt früher aus, so etwa in den Buchenwäldern rund um Frankfurt am Main. In ihnen wird es am Waldboden früher schattig, das Sonnenlicht für die Frühblüher knapper.

Im Frühling, wenn die Laubbäume noch keine Blätter tragen, dann bekommen die Frühblüher genug Licht, um auszutreiben.
Anpassung an neue Umweltbedingungen
Die Lichtschneise verkürzt sich, sagen Pflanzenökologen wie Professor Niek Scheepens. Der gebürtige Niederländer lehrt und forscht an der Frankfurter Goethe-Universität. Als Pflanzenökologe fragt er sich, ob die Frühblüher auf dem Waldboden mit dem Klimawandel mithalten können, ob sie also zum Beispiel auch in der Lage sind, zwei Wochen früher auszutreiben und zu blühen:
"Vielleicht wird ihre Blütezeit durch den Klimawandel aber auch so kurz, dass sie überhaupt nicht mehr erfolgreich Samen produzieren können. Das hätte dann natürlich negative Auswirkungen auf die Pflanzenpopulationen. Sie könnte kleiner werden oder mancherorts völlig verschwinden."
Die Untersuchungen von Scheepens und seinen Kollegen zeigen: Manche Frühblüher passen sich besser an die veränderten Umweltbedingungen an als gedacht. Sie beginnen tatsächlich früher zu wachsen. Und auch ihre Blüten sprießen zeitiger. Andere jedoch tun sich schwer mit den neuen Bedingungen, darunter der Bärlauch. "Es sieht danach aus, dass diese Art auf einen wärmeren Frühling gar nicht gut reagiert", sagt Scheepens im Gespräch mit dem HR. "Damit könnte diese Art theoretisch in Probleme geraten. Auch der Waldmeister ist offenbar wenig anpassungsfähig."
Was passiert, wenn manche Frühblüher verschwinden?
Ohne Bärlauch und Waldmeister (auch Wohlriechendes Labkraut genannt) wäre nicht nur die Frühlingsküche zweier wichtiger Zutaten beraubt. Auch der Wald würde erst einmal an manchen Stellen ökologisch ärmer, mit Folgen unter anderem für viele Insekten.
Waldmeister etwa dient den Raupen verschiedener Schmetterlinge als Futterpflanze, darunter sind der Labkraut-Bindenspanner (Lampropteryx suffumata) oder der Gelblichweiße Kleinspanner (Scopula floslactata). An Bärlauch-Blüten tun sich unter anderem verschiedene Arten aus der Bienenverwandtschaft gütlich und sorgen dabei gleich für die Bestäubung.
Scheepens hat noch eine weitere, konkrete Erwartung: "Wenn eine Art unter diesen neuen klimatischen Bedingungen ganz verschwinden würde", sagt er, "dann kann es sein, dass dadurch eine sogenannte ökologische Nische frei wird." Eine ökologische Nische ist gewissermaßen eine definierte Position beziehungsweise Aufgabe in einem Ökosystem - ist sie frei, könnte sie auch von anderen, ähnlich angepassten Arten besetzt werden.
Das könnten dann einheimische Arten sein, die von anderen Standorten zuwandern. Womöglich aber fassen auch robuste invasive Arten schnell auf frei gewordenen Flächen Fuß und verändern das vertraute Ökosystem weiter.
Andererseits könnten diese Lücken auch gefüllt werden, indem Forstbotaniker prüfen, welche unserer einheimischen Frühblüher auch im Mittelmeer-Raum wachsen, wo es bisher schon wärmer war. Von dort, so Scheepens, könnte man dann an Wärme angepasste Setzlinge unserer vertrauten Pflanzenarten holen und bei uns anpflanzen. Sie kämen mit den veränderten Klimabedingungen im Frühlingswald vermutlich gut zurecht.
Frühblüher sind noch vorhanden
Doch noch sind die heimischen Frühblüher nicht verschwunden. Und deshalb empfiehlt Scheepens auch, nicht in Panik zu verfallen: "Es wird Veränderungen geben, aber ich erwarte nicht, dass unsere bekannten Frühlingsblüher in zehn Jahren nicht mehr vorhanden sein werden."
Und das ist am Ende doch eine recht beruhigende Nachricht - nicht nur für die Liebhaber von Waldmeister, Bärlauch und Co., sondern auch für Mauerbienen und andere Insekten, die sich im Frühlingswald am Nektar der Frühblüher laben oder für die Raupen des Labkraut-Bindenspanners.