Blick auf ein Regal mit Süßigkeiten in einem Supermarkt.

Entscheidung im Supermarkt Hungrige kaufen ungesünder ein

Stand: 07.05.2025 12:15 Uhr

Hungrige Menschen greifen eher zu ungesunden Lebensmitteln. Forschende der Uni Hamburg haben jetzt herausgefunden, warum sie das tun - und appellieren an Politik und Industrie.

Von Veronika Bräse und Sylvaine von Liebe, BR

Warum greifen Menschen tendenziell eher zu ungesundem Essen, wenn sie hungrig sind? Dieser Frage ging ein Forscherteam um Jennifer March und Sebastian Gluth von der Universität Hamburg nach. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werteten dafür Daten aus Experimenten mit satten und hungrigen Testpersonen aus.

Diese bestätigten: Ja, es stimmt, mit leerem Magen ist beim Lebensmitteleinkauf der Geschmack wichtiger als die Gesundheit. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift eLife erschienen.

Eye-Tracking zeigt Entscheidungsprozesse

Für ihre Untersuchung platzierten die Forschenden 70 Erwachsene vor Bildschirmen. Auf diesen wurden ihnen unterschiedliche Lebensmittel präsentiert. Die Palette reichte von Kiwis und Gurken über Oliven und getrockneten Aprikosen bis zu Keksen und Kartoffelchips. Im ersten Testdurchlauf waren die Personen hungrig, im zweiten gut gesättigt.

Um herauszufinden, wann sich die Testpersonen für welches Essen entscheiden, beobachteten die Forschenden mittels sogenanntem Eye-Tracking die Augenbewegungen der Probanden. So konnten sie erkennen, welche Informationen die Testpersonen bei den bereitgestellten Lebensmitteln besonders beachteten und für welche Produkte sie sich schließlich entschieden. Die Auswertung dieser Daten erfolgte dann mithilfe eines computergestützten Entscheidungsmodells.

Unbedachteres Zugreifen bei Hunger

Das Ergebnis: Bereits ohne Hungergefühl bevorzugten die meisten Studienteilnehmenden die optisch und geschmacklich ansprechenderen Lebensmittel. In hungrigem Zustand war dieser Effekt aber noch deutlich stärker.

Die Forschenden konnten außerdem beobachten: Hungrige Testpersonen achteten kaum auf die auf Lebensmittel-Packungen angebrachten Zusatzinformationen, wie etwa den sogenannten Nutri-Score, der den Nährwert eines Lebensmittels anzeigt.

"Wir können auch zeigen, dass unter Hunger die Aufmerksamkeit zum Nutri-Score weniger Einfluss auf den Entscheidungsprozess an sich hat", bestätigt Jennifer March, Doktorandin im Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie der Universität Hamburg und Co-Autorin der Studie, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Zudem treffen hungrige Personen ihre Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmittel schneller als ohne Hungergefühl, so eine weitere Beobachtung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

"Unsere Daten zeigen, dass Hunger die Gewichtung von Informationen im Entscheidungsprozess verändert. Geschmack bekommt mehr Gewicht, Gesundheitsaspekte geraten aus dem Blickfeld", fasst March die Erkenntnisse ihrer Arbeit zusammen.

Appell: Aufmerksamkeit auf Gesundes lenken

Angesichts der Ergebnisse der Studie raten die Autoren, die Aufmerksamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher in Supermärkten und Kantinen künftig stärker auf gesunde Lebensmittel zu lenken, etwa durch visuelle Hervorhebung oder entsprechende Platzierung.

"Hunger verändert nicht nur unser Verhalten, sondern auch, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet“, betont Sebastian Gluth, Professor an der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg und ebenfalls Autor der Studie. "Wer gesunde Entscheidungen fördern möchte, sollte das Entscheidungsverhalten unter realen Bedingungen - inklusive Hungergefühl - stärker in den Blick nehmen", so sein Appell.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06.05.2025 ab 06:14 Uhr in der Sendung Wissen kompakt