Autos stehen auf einer Autobahn im Stau.

Kfz-Haftpflicht Die Pflichtversicherung für alle mit Motor

Stand: 16.04.2025 08:12 Uhr

Wer motorisiert am Verkehr teilnimmt, muss versichert sein: Der Gesetzgeber schreibt eine Kfz-Haftpflicht vor. Wofür sie einspringt - und was man beachten sollte.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat zum Jahresbeginn einen Rekordbestand von Autos in Deutschland gemeldet. Im Januar waren rund 49,3 Millionen Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs - so viele wie noch nie. Viele Autos bedeuten auch gleichzeitig viele Versicherungsverträge, weil eine Kfz-Haftpflichtversicherung hierzulande Pflicht ist. Autofahrer müssen sie nachweisen, um das Fahrzeug beim Straßenverkehrsamt zuzulassen und überhaupt ein Nummernschild zu bekommen. Ansonsten drohen hohe Strafen: bis zu 180 Tagessätze oder ein Jahr Freiheitsentzug.

Die Pflicht besteht auch für Lastwagen, Motorroller, Motorräder oder auch E-Scooter. Und dafür gibt es auch einen guten Grund: Es geht darum, dass durch ein Fahrzeug geschädigter Dritte den entstandenen Schaden ersetzt bekommt. Und in Deutschland gibt es zahlreiche Unfälle. Insgesamt registrierte die Polizei im Jahr 2024 laut dem Statistischen Bundesamt rund 2,5 Millionen Unfälle - fast 7.000 pro Tag. Fußgänger, Radfahrer oder Skater sind über ihre private Haftpflichtversicherung abgesichert. Bei E-Bikes kommt es auf die Art des Fahrrads an.

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Folge 3: Haftpflicht, Kfz & Haustier - Was ist Pflicht, was ist sinnvoll? (16. April)
Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken - Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern - von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Hinter den Kulissen - wie Versicherungen ticken (offen)

Gesetzliche Mindestanforderungen für die Haftpflicht

Die Mindestleistungen, die ein Versicherungsschutz bei der Kfz-Haftpflicht umfassen muss, sind gesetzlich festgelegt. Je Schadensfall gilt: 7,5 Millionen Euro für Personenschäden - also Verletzungen von Menschen -, 1,3 Millionen Euro für Sachschäden - zum Beispiel Schäden an Autos oder Straßenschildern - und 50.000 Euro für Vermögensschäden - bei Dienstausfällen verletzter Personen. Bei Kraftfahrzeugen, die der Beförderung von Personen dienen und mehr als neun Plätze haben, erhöhen sich diese Beträge nochmal pro Platz.

Oft gehen die Kfz-Versicherungen aber über diese Summen hinaus und bieten einen höheren Schutz. Die Deckungssumme sollte in etwa 100 Millionen Euro für Sachschäden betragen und acht bis 15 Millionen für Personenschäden, empfehlen Experten. Auch darüber hinaus gibt es Unterschiede in den Tarifen. Zum Beispiel bei den Preisen: Eine Kfz-Haftpflicht kostet zwischen 300 und über 1.000 Euro im Jahr. Die Beiträge sind unter anderem abhängig von der Deckungssumme, der Anzahl der zu versichernden Personen und der Berufsgruppe durch spezielle Rabatte für Beamte oder Akademiker.

Versicherungstarife so hoch wie nie zuvor

Die Preisgestaltung der Versicherungstarife hängt auch mit den Werkstattkosten zusammen. Laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) steigen die Preise für Ersatzteile und Stundensätze der Kfz-Werkstätten schon seit Jahren an. 2023 kostete danach ein durchschnittlicher Sachschaden in der Haftpflichtversicherung eines Pkw rund 4.000 Euro. Zehn Jahre vorher seien es noch 2.500 Euro gewesen. Aktuell müssen die Versicherer trotz der steigenden Beitragseinnahmen für jeden eingenommenen Euro 1,06 Euro für Schäden und Verwaltung ausgeben - und machen damit Verluste.

Dadurch sind Autoversicherungen in den vergangenen Jahren immer teurer geworden - und waren zuletzt so teuer wie noch nie. Von November 2022 bis November 2024 sind die Prämien über alle Versicherungsarten hinweg dem Vergleichsportal Verivox zufolge um 43 Prozent gestiegen. Allein die Haftpflicht-Tarife sind innerhalb von zwei Jahren um 41 Prozent teurer geworden. Die Preissteigerungen betreffen dabei nicht nur Neuverträge. Auch bei bestehenden Versicherungen müssen Autofahrer mehr zahlen - selbst wenn sie keinen Schaden hatten.

Schadensfreiheitsklassen als Rabatt

Normalerweise wird man in der Kfz-Versicherung erst dann schlechter eingestuft und muss mehr zahlen, nachdem man einen Schaden hatte. Das wird Rückstufung genannt. Jeder, der sein Fahrzeug versichert, wird in eine Schadenfreiheitsklasse, kurz SF-Klasse, eingestuft. Die genaue Einteilung variiert von Versicherung zu Versicherung, bezieht sich aber meistens auf die unfallfreien Jahre.

Die SF-Klasse richtet sich danach, wann und wie oft die Versicherung bei einem Schaden in Anspruch genommen wurde. Es gibt die Schadenfreiheitsklassen 0 bis 50. Laut ADAC zahlt man bei der Schadensfreiheitsklasse 50 zum Beispiel nur 16 Prozent des Beitrags. Jedes Jahr ohne Schaden wird mit einer besseren Einstufung honoriert, und man zahlt weniger. Übernimmt die Versicherung jedoch einen Schaden, kommt im Folgejahr die Rückstufung - und das bedeutet höhere Kosten. Grundsätzlich gilt: je höher die Schadenfreiheitsklasse, desto günstiger der Versicherungsbetrag

Wie eine Rückstufung verhindert werden kann

Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Kfz-Haftpflicht gibt es auch noch die Kasko-Versicherung. Diese kann man als Voll- und Teilkasko und mit oder ohne Selbstbeteiligung abschließen, und auch hier gibt es Schadensfreiheitsklassen. Eine Selbstbeteiligung kann auf zweierlei Weise helfen: Erstens drückt sie den Beitrag. Zweitens sorgt sie dafür, dass man nicht jeden noch so kleinen Schaden meldet. Denn immer wenn die Versicherung für einen Schaden aufkommt, wird der Versicherte zurückgestuft - und zahlt vermutlich im Jahr danach höhere Beiträge. Finanztip hat in einer Untersuchung festgestellt, dass es sich für Fahrer im mittleren SF-Klassen-Bereich (etwa SF-Klasse 7 bis 39) in der Haftpflicht oft lohnt, einen Schaden bis 1.500 Euro selbst zu zahlen. In der der Vollkaskoversicherung sind es bis 1.300 Euro.

Neben dem Nicht-Melden eines Schadens gibt es noch eine zweite Möglichkeit, der Rückstufung zu entgehen: Man kann beim Vertragsabschluss einen sogenannten Rabattschutz abschließen. Dann zahlt man etwas mehr, behält aber die Schadensfreiheitsklasse, wenn es zum Schaden kommt. In der Regel wird der Rabattschutz erst ab vier bis sechs unfallfreien Jahren und nur für Fahrer ab 23 Jahren angeboten. Für die Option berechnen Versicherer unterschiedlich hohe Preise. Manche Anbieter verlangen nur 15 Prozent mehr, andere 30 Prozent. Finanztip empfiehlt, auf den Rabattschutz lieber zu verzichten - und lieber in einen günstigeren Vertrag zu wechseln.

Nicht zu früh die SF-Klassen übertragen

Außerdem akzeptiert nur die Hälfte aller Versicherer das Übertragen der Schadensfreiheitsklasse inklusive Rabattschutz in einen neuen Vertrag. Für Fahrer mit niedriger Schadensfreiheitsklasse - zum Beispiel 6 - rechnet es sich laut Finanztip sowohl in der Haftpflicht als auch in der Vollkasko häufig, den Schaden einfach zu melden und die Versicherung einspringen zu lassen. Es gehen dabei noch nicht so viele Klassen und damit Rabatte verloren. Ob es sich letztlich eher lohnt, einen Schaden zu melden oder selbst zu zahlen, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher übrigens gar nicht auf eigene Faust entscheiden. Auch die Versicherung kann für sie ausrechnen, welche Variante die günstigere ist.

Ältere Kfz-Verträge enthalten übrigens oft noch einen sogenannten Rabattretter. Dieser springt automatisch ein, sobald man die Schadenfreiheitsklasse 25 oder höher erreicht. Zwar wird man in eine andere SF-Klasse zurückgestuft, aber der bisherige Rabatt verändert sich nicht.

Junge Menschen können von der Unfallfreiheit ihrer Verwandten profitieren. Die können die Schadensfreiheitsklasse in der Haftpflicht und Vollkasko übertragen. Dafür muss die Person in der Regel eine unwiderrufliche Rabattverzichtserklärung unterschreiben. Das ist innerhalb von zwölf Monaten möglich, nachdem der Vertrag gekündigt wurde - und geht auch bei Verstorbenen.

Man kann aber immer nur so viele Schadensfreiheitsklassen übernehmen, wie man selbst hätte einfahren können - also seitdem Fahrer ihren Führerschein haben. Für Fahranfänger lohnt sich das also nicht. Da lohnt es sich eher, noch ein paar Jahre zu warten, damit die überschüssigen unfallfreien Jahre nicht verfallen.