
Deutsche Solarbranche Wolken vor der Sonne
Nach dem Boom der vergangenen Jahre gerät der Solar-Ausbau ins Stocken. Das Handwerk sieht eine Insolvenzwelle, die neue Bundesregierung wünscht sich "systemdienliche" Solaranlagen.
Vor drei Jahren hatte das deutsche Solarhandwerk vor allem ein Problem: Zu wenig Kapazitäten für all die Aufträge, die plötzlich bei den Unternehmen gelandet sind. "Damals kamen wir mit dem Rekrutieren von Personal und mit dem Einkauf von Material gar nicht hinterher", erinnert sich Peter Knuth, Geschäftsführer des Photovoltaik-Spezialisten Enerix.
Der russische Angriff auf die Ukraine hatte die Energiepreise in die Höhe schießen lassen. Viele Eigenheimbesitzer wünschten sich Unabhängigkeit, Installateure waren kaum zu bekommen.
Weniger neue Heimanlagen
Inzwischen ist der große Solar-Hype vorbei, der Zuwachs hat sich verlangsamt. Im vergangenen Jahr wurde im Bereich der Heimanlagen 15 Prozent weniger Photovoltaik-Leistung neu verbaut als noch 2023, so der Bundesverband Solarwirtschaft unter Verweis auf Daten der Bundesnetzagentur.
Insgesamt steigt die installierte Solarstromleistung in Deutschland aber weiter: Nach Schätzung des Bundesverbands nahm sie im vergangenen Jahr um 14 Prozent beziehungsweise 17,5 Gigawatt zu. Bei der bislang installierten Gesamtleistung lag Deutschland zuletzt mit gut 100 Gigawatt auf Platz vier hinter drei sehr viel größeren Ländern: China, den USA und Indien.
"Zu viele Wettbewerber am Markt"
In den Boom-Jahren ist die Zahl der Installateure stark gestiegen: Seit 2020 habe sich die Zahl verdoppelt, sagt der Bundesverband des Solarhandwerks. Jetzt sehen sich die vielen Betriebe einer sinkenden Nachfrage bei Heimanlagen gegenüber. "Es sind zu viele Wettbewerber am Markt", so Solarunternehmer Knuth, der auch Vorsitzender des Verbandes des Solarhandwerks ist.
Seine Firma arbeitet in einem Franchisesystem mit anderen Betrieben zusammen. "Die Insolvenzwelle hat schon Mitte letzten Jahres begonnen", sagt Knuth. "Leider hat es auch ein paar unserer Franchise-Partner getroffen."
Strombedarf geringer als gedacht
Die fehlende Nachfrage von Eigenheimbesitzern ist das eine, die Solarenergie hat aber noch ein zweites Nachfrageproblem: Es wird weniger Strom gebraucht als noch vor einigen Jahren prognostiziert. "Bei der E-Mobilität hatten wir weniger Ausbau als gedacht", sagt Andreas Löschel, Umweltökonom an der Ruhr-Universität Bochum. Auch mit der Elektrolyse, bei der mit großen Mengen von grünem Strom Wasserstoff erzeugt wird, komme man in Deutschland nicht so schnell voran.
Regelmäßig kommt es deshalb zu Situationen, in denen nicht zu wenig, sondern zu viel Strom im Netz ist. "Wenn die Sonne scheint, speisen alle zur gleichen Zeit ein. Dadurch sinken die Preise", sagt Löschel. Im vergangenen Jahr zählte die Bundesnetzagentur 457 Stunden, in denen die Strompreise an den Strombörsen sogar negativ waren.
Immer wieder warnen Experten vor zu viel Solarstrom im Netz - zuletzt an den Ostertagen, als es sonnig zu werden drohte, die Industrie aber feiertagsbedingt weniger Strom verbrauchte. Der befürchtete "Oster-Blackout" wegen einer Netzüberlastung durch zu viel eingespeisten Solarstrom blieb allerdings aus.
"Systemdienliche" Solaranlagen
Die Bundespolitik hat diese Probleme erkannt und versucht gegenzusteuern. Solaranlagen sollen nicht nur Strom erzeugen, sie sollen "systemdienlich" sein, so das Schlagwort. Das bedeutet unter anderem, dass sie unkompliziert vom Netz genommen werden können, wenn sie nicht benötigt werden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht der Begriff gleich mehrfach auf:
Der Ausbau systemdienlicher Speicherkapazitäten und die systemdienliche Nutzung von E-Auto- und Heimspeichern werden wir verstärkt vorantreiben. [...] Die Förderung der Solarenergie in Verbindung mit Speichern soll systemdienlich ausgestaltet werden. Wir wollen private Haushalte zu Akteuren der eigenen Energieversorgung machen. Betreibern von Bestandsanlagen setzen wir Anreize für eine netz- und systemdienliche Einspeisung und prüfen die neuen Bestimmungen des Solarspitzengesetzes für die Nullvergütung bei negativen Preisen und der Direktvermarktung.
Bereits die scheidende Bundesregierung hat auf den letzten Metern noch die Regeln für die Einspeisevergütung verändert. Bei neuen Solaranlagen entfällt die Vergütung in Zeiten von negativen Strompreisen.
Von diesen Entwicklungen könnten vor allem Großanlagen profitieren. Schon jetzt machen Freiflächenanlagen fast ein Drittel der Photovoltaik-Leistung in Deutschland aus, so der Branchenverband BSW. Das Heimsegment liegt mit 38 Prozent noch davor, Gewerbedächer mit knapp 30 Prozent der Gesamtleistung dahinter.
Ein Vorteil von Großanlagen bestehe darin, dass sie sich besser steuern ließen, so Umweltökonom Löschel. Außerdem könnten sie mit großen Speichern einfacher "systemdienlich" ausgerichtet werden. "Bei Heimanlagen ist all das nicht so einfach", sagt Löschel.
Stromnachfrage könnte längerfristig steigen
Eigenheimbesitzer werden sich unter diesen Vorzeichen genau überlegen, ob sie auf eine eigene Solaranlage setzen wollen. Teil dieser Überlegungen sind auch die Strompreise, die derzeit stabil sind, wenn auch auf einem relativ hohem Niveau. Längerfristig rechnet Umweltökonom Löschel mit einer steigenden Stromnachfrage durch E-Mobilität, Wärmepumpen und Elektrolyseure. Die Frage sei aber, wann das passiere.
Der Branchenverband des Solarhandwerks gibt sich trotz allem optimistisch. Nach der aktuell stattfindenden Marktbereinigung, bei der gerade viele Unternehmen insolvent gehen, rechne man im kommenden Jahr wieder mit einem "normalen Markt".