
Globale Krisen Ist Nachhaltigkeit den Konzernen weniger wichtig?
Wenn Kriege und Krisen die Welt erschüttern, fällt nachhaltiges Unternehmertum dann hinten runter? Experten sagen, Nachhaltigkeit sei nicht out. Doch es gebe Rückschritte.
Wie wichtig ist DAX-Konzernen noch das Thema Nachhaltigkeit - gerade vor dem Hintergrund globaler Krisen? Wird sie noch zentral in der Unternehmensstrategie berücksichtigt? Ja, sagt Ingo Speich, Nachhaltigkeits-Experte bei Deka Investment. Er beobachtet den Markt seit vielen Jahren und meint: "Wenn Sie sich anschauen, was Unternehmen aktuell wichtig ist, dann ist Nachhaltigkeit noch auf Platz vier oder fünf. Das ist natürlich ein Rückschritt gegenüber den Boomjahren 2020/21. Da war es das Top Eins." Aber das Nachhaltigkeit out sei, davon seien wir in Deutschland weit entfernt.
Trotzdem: umweltfreundlich, klimaschonend und sozial gerecht zu agieren, das ist in den Hintergrund gerückt. Nicht nur wegen Corona und globaler Kriege und Krisen, sondern auch wegen US-Präsident Donald Trump. Der wettert seit Monaten gegen erneuerbare Energien, hält Umweltschutz teils für überflüssig und diskreditiert Diversity-Programme in Unternehmen als "woken Wahnsinn". Und das zieht offenbar Kreise.
Sparkurs bei vielen Unternehmen
"Der Gegenwind, der aus den USA über den Atlantik herüberweht, ist enorm. Wir haben schon einige DAX-Konzerne - dazu gehört SAP, dazu gehört Volkswagen -, die die Diversity-Programme in Frage stellen oder auch die Berichterstattung dazu durch die US-Regulatorik", sagt Speich.
Aber auch die wirtschaftliche Lage drückt. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft EY werden zum Beispiel Investitionen zur Dekarbonisierung der Produktion bei rund der Hälfte der gut 200 deutschen Industrieunternehmen niedriger ausfallen als zunächst geplant. Viele Unternehmen seien zu einem Sparkurs gezwungen, der auch Nachhaltigkeitsmaßnahmen treffe, kommentiert EY. Dennoch bleibe das Energiesparen zum Beispiel ein wichtiges Thema.
Interesse an nachhaltigen Investments sinkt
Insgesamt scheint auch das Interesse von Anlegern an nachhaltigen Investments in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen zu haben. Mitte März etwa sah Ascan Iredi vom Vermögensverwalter Plutos bei seiner Kundschaft eher eine geringere Nachfrage: "Tatsächlich wird es sehr selten nachgefragt. Es gibt natürlich Menschen, die das unbedingt wollen, aber es ist nun wahrlich nicht die Mehrheit."
Das liege auch daran, sagen, dass manche Anlagen lange nicht so nachhaltig seien, wie es im Prospekt erst mal scheint. So haben die NGOs Urgewald und Facing Finance kürzlich ermittelt, dass mehr als ein Drittel der sogenannten ESG-Fonds, also Nachhaltigkeitsfonds, in fossile Unternehmen investiert. Das habe manche Anleger verprellt.
Nachhaltigkeit für Zukunft entscheidend
Analyst Speich von Deka Investments meint dennoch, das Thema Nachhaltigkeit sei gerade für die Zukunft entscheidend - für Unternehmen und Anleger: "Wir haben ja langfristige Treiber, die uns bewegen werden. Denken Sie nur an den Klimawandel. Die Veränderungsgeschwindigkeit wird in den kommenden fünf bis zehn Jahren massiv anders sein als in den vergangenen fünf bis zehn Jahren." Und darauf müssten sich Unternehmen, aber auch Investoren einstellen.
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Schäden durch Naturkatastrophen nach Angaben großer Versicherungskonzerne zugenommen. Die Schäden kosten viele Hundert Milliarden, heißt es von den Versicherern. Experten machen auch den Klimawandel verantwortlich.