
Masken-Affäre Wie gefährlich wird es für Jens Spahn?
Für den Moment scheint Unionsfraktionschef Spahn die Masken-Affäre nicht zu schaden. Doch das könnte sich ändern. Denn in den Vorwürfen gegen ihn steckt die Frage: In welchem Team spielt Spahn?
In den Vorwürfen gegen Jens Spahn steckt etwas Grundsätzliches: Welcher Politikertypus ist er? In welchem Team spielt er? Spahn habe rund um die Maskenbeschaffung so gehandelt, als sei er "Team Ich" und nicht "Team Staat" - das ist der Kern der Vorwürfe im Prüfbericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof (SPD).
Das Gesundheitsministerium unter dem damaligen Minister Spahn sorgte 2020 dafür, dass zu viele FFP2-Masken zu viel zu hohen Preisen beschafft wurden - und dass den großen Logistik-Auftrag, trotz Bedenken von Fachleuten, ein Unternehmen aus seiner Heimat erhielt. Der Vorstandsvorsitzende dieses Logistikers ist zudem stellvertretender Landesvorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats in Nordrhein-Westfalen.
Selbstüberschätzung, Vetternwirtschaft, Verantwortungslosigkeit: Das sind die weitreichenden Vorwürfe aus dem Sudhof-Bericht, gegen die sich Spahn nun wehrt. Und doch dürfte es für Spahn nur gefährlich werden, wenn die Debatte noch länger anhält und weitere Kreise zieht.
Die Reihen der Union sind geschlossen
Dafür müsste entweder auch aus der Union Kritik an Spahns Krisenmanagement kommen. Oder die Opposition schafft es, immer neue Aufschläge zum Thema zu machen, beispielsweise im Rahmen eines Untersuchungsausschusses. Beides wäre äußerst schwierig für den noch recht neuen Fraktionschef der Union.
Der Blick auf die eigene Partei zeigt bislang: Die Reihen sind geschlossen. Da nun die CDU wieder das Gesundheitsministerium besetzt, kann Ministerin Nina Warken darüber entscheiden, ob der gesamte Prüfbericht veröffentlicht wird. Sie lehnt das bislang ab.
Genau deshalb kann Spahn relativ folgenlos im Bericht aus Berlin argumentieren: "Für mich wäre es aktuell sicher einfacher, wenn der Bericht bekannt wäre." Denn dann käme ans Licht, dass er nichts zu verbergen hat, so Spahn.
Zwei Seiten Argumente zur Verteidigung Spahns
Auch aus der CDU/CSU-Fraktion gibt es bislang keine Störmanöver. Im Gegenteil: Spahn teilt auf seinem X-Profil ausführlich die Unterstützer-Stimmen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sepp Müller spricht von einem "überschaubaren Ablenkungsmanöver" der Grünen. Felix Schreiner, parlamentarischer Geschäftsführer, hat "vor Jens Spahns Arbeit damals großen Respekt". Sein Bundestagskollege Tilman Kuban aus Niedersachsen sieht ein "unwürdiges Schauspiel" zu Lasten seines mächtigen Fraktionschefs.
Die Verteidigungslinie folgt komplett einem sogenannten "Informationspapier Beschaffung", das die Fraktion erstellt hat: zwei Seiten Argumente zur Verteidigung Spahns. Der Spin: Es liegt gar kein neuer Sachstand vor. Andere Länder hätten viel mehr für Masken ausgegeben. Alles sei korrekt und professionell gelaufen. Die Vorwürfe seien parteipolitisch konstruiert.
Söder und Wüst halten sich zurück
Spannend ist der Blick auf jene Männer in der Union, mit denen Spahn um eine mögliche Merz-Nachfolge konkurriert. Kanzlerambitionen werden ihm schon lange nachgesagt - ebenso wie dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sowie Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU). Beide haben in der Vergangenheit immer wieder einmal Gegenpositionen zu Spahn bezogen oder sich manche Spitze geleistet.
Wie ist es dieses Mal? Beide dürften kein Interesse daran haben, erneut mit einem Corona-Thema in den Schlagzeilen zu sein. Söder hatte lange mit der sogenannten CSU-Maskenaffäre zu tun. Es gab sogar einen Untersuchungsausschuss im Landtag, vor dem er aussagen musste. Es ging unter anderen um die Frage, ob alles korrekt gelaufen ist bei Aufträgen, die über CSU-Kontakte vermittelt und sehr gut honoriert wurden.
NRW-Landeschef Wüst hält sich derzeit generell mit Seitenhieben Richtung Spahn zurück. Wüst hat keinen Minister aus Nordrhein-Westfalen im Bundeskabinett unterbringen können. Im Fernduell mit Söder wäre er aber gern der erfolgreichere Ministerpräsident, also der, der wichtige Projekte in Sachen Raumfahrt oder Rüstung ins eigene Bundesland holt. Man kann nur spekulieren, was sein Kalkül ist: Vielleicht verspricht er sich, dass Spahn als NRW-Landsmann an der Fraktionsspitze zu diesem Ziel beiträgt.
Grünen und Linken fehlen Stimmen
Und die Opposition? Sie hat es schwer, ein kritisches Thema länger am Leben zu halten. Der klassische Schritt wäre, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dafür braucht es allerdings ein Viertel aller Bundestagsabgeordneten. Grünen und Linken fehlen dafür wenige Stimmen. Und für die nötigen Stimmen mit der AfD zusammenzuarbeiten, lehnen beide strikt ab.
Es ist davon auszugehen, dass auch ohne U-Ausschuss weitere Teile des Sudhof-Berichts oder sogar das ganze Papier irgendwann öffentlich werden, vielleicht sogar darüber hinausgehende E-Mails oder Dokumente aus der damaligen Zeit. Unangenehm könnte es für Spahn werden, wenn sich seine jetzigen Darstellungen dann als falsch herausstellen.
Hat Spahn die Warnungen anderer Ministerien vor seinen Maskendeals ignoriert? Sind sie nicht angekommen? "Bei mir persönlich nicht", sagte Spahn dazu am Sonntag in der ARD. Er wisse gar nicht "von wem, aus welchem Ministerium" gewarnt worden sei. Sollten Dokumente auftauchen, die das widerlegen, wäre seine Glaubwürdigkeit doppelt beschädigt.
Das Kanzleramt könnte schwerer zu erreichen werden
Spahn war immer gern Abteilung Attacke. Harte Angriffe auf die Opposition, vor allem die von links. Zumindest für die kommenden Monate dürfte dieses Profil leiden. Er ist, vorerst, ein eingeschränkter Wadenbeißer.
Zur Gesundheitspolitik äußert er sich als ehemaliger Minister ohnehin nicht, das ist so Brauch für Minister a.D. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich Spahn auf die Wirtschaftspolitik. Wenn jetzt im Prüfbericht von "fehlendem ökonomischen Verständnis" die Rede ist und Milliardenschäden im Raum stehen, beschädigt das - vorsichtig gesagt - die über Jahre aufgebaute Position. Ebenso steht er als fragwürdiger Krisenmanager da.
Am längsten haften bleiben wird wohl das "Team Ich" als Label für Spahn. Und die Frage: Kann jemand das Kanzleramt anstreben, bei dem fraglich ist, ob er überhaupt im "Team Staat" spielt?
So ruhig seine innerparteilichen Widersacher auch gerade sind: Wenn das Rennen um die Merz-Nachfolge eröffnet ist, könnten genau solche Vorwürfe auch aus den eigenen Reihen gegen ihn verwendet werden.