Donald Trump empfängt Friedrich Merz vor dem Weißen Haus
kommentar

Merz in Washington Der sanfte Zauber des ersten Beschnupperns

Stand: 06.06.2025 01:36 Uhr

Der Besuch von Kanzler Merz bei US-Präsident Trump verlief ohne Eklat - vielmehr wurde der Gast aus Deutschland beim Gespräch vor der Presse zu einer Randfigur. Seinen Besuch kann Merz dennoch als Erfolg verbuchen.

"He’s difficult" - "er ist nicht ganz einfach". Das hat Donald Trump an einer Stelle über seinen Gast aus Deutschland gesagt. Und das war als Kompliment gemeint. Der US-Präsident schätzt zwar Schmeicheleien, aber wenn es zu unterwürfig wird, verliert er sehr schnell den Respekt vor seinem Gegenüber. Friedrich Merz, das ist jemand, mit dem zu verhandeln eine Herausforderung sein kann: Auf diese Vorschuss-Lorbeeren darf sich der Kanzler etwas einbilden.

Alles Unken im Vorfeld über eine Eskalation, wie einst bei Selenskyj, hat sich als völlig unbegründet erwiesen: Es wurden Artigkeiten ausgetauscht. Merz' Englisch wurde gelobt. Trump ließ sich genussvoll als Schlüsselfigur bei den Friedensbemühungen in der Ukraine preisen. Über die weitesten Teile der Begegnung jedoch saß Friedrich Merz einfach unbeteiligt daneben, als Trump Fragen der amerikanischen Presse zu innenpolitischen Themen beantwortete. Es sagt viel über das deutsch-amerikanische Verhältnis in diesen Tagen aus, dass Desinteresse bereits als Erfolg verbucht werden darf.

Merz kann zufrieden mit seinem Besuch sein

Und dennoch: Friedrich Merz kann zufrieden sein mit seiner Stippvisite. Ihm wurde die Ehre zuteil, im exklusiven Gästehaus der US-Regierung übernachten zu dürfen. Sein Gastgeschenk - die Geburtsurkunde von Trumps deutschem Großvater - wird einen Ehrenplatz im Weißen Haus bekommen. Reizthemen wie Verteidigungsausgaben, Handelsstreit mit der EU oder Ukraine-Unterstützung wurden diskret hinter verschlossenen Türen behandelt. Den Auftritt im Oval Office umwehte der sanfte Zauber des ersten Beschnupperns.

Dass Merz nicht im Namen der EU über Konturen eines künftigen Handelsabkommens verhandeln würde, war klar: Seine Botschaft jedoch, dass sich Europa und die USA, angesichts mächtiger Konkurrenten wie China, nicht auseinander dividieren lassen sollten, könnte angekommen sein. Ebenso das deutsche Bekenntnis zu mehr Geld fürs Militär und zum transatlantischen Schulterschluss gegen Putin. Misstöne? Nicht zu vernehmen, ebenso wenig wie Pöbeleien gegen Deutschland, etwa wegen angeblich mangelnder Meinungsfreiheit.

Von Augenhöhe mit dem Gast war wenig zu spüren

Doch was wird dem rosaroten Auftakt folgen? An einer Stelle sagte Trump sinngemäß, dass es auch nicht schlimm sei, wenn kein Handelsabkommen mit der EU zustande kommt: Dann würden die USA eben weiter Schutzzölle kassieren. US-Soldaten in Deutschland stationiert lassen: "No Problem", meinte Trump, die würden ja auch viel Geld ins Land bringen. Was mitschwang: Wenn die Deutschen den amerikanischen Schutz nicht mehr wollen: Auch gut.

Diese beiläufige Gelassenheit, kombiniert mit dem Ausblenden von Merz, als es weitschweifig um Musk, Biden und Harvard ging: Von Augenhöhe mit dem Gast war da wenig zu spüren.

Trump dürfte die Begegnung gefallen haben, weil sie das Kräfteverhältnis zwischen beiden Ländern vor Augen geführt hat. Die USA unter diesem Präsidenten: Verbündete werden gönnerhaft als Erfüllungsgehilfen geschätzt, aber wirklich angewiesen ist man auf sie nicht.

Nun wissen wir nicht, was Merz unter vier Augen zu Trump gesagt hat, und in welchem Ton. Wenn aber beim Gastgeber hängen geblieben ist, dass dieser Kanzler tatsächlich schwierig ist - im Sinne von beharrlich mit unverhandelbaren Kernanliegen - dann wäre etwas gewonnen.

Redaktioneller Hinweis
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Juni 2025 um 06:21 Uhr.