
Pfingstkongress des "Coburger Convent" Keine Abgrenzung zur AfD?
In Studentenverbindungen wird längst über das Verhältnis zur AfD diskutiert. Beim "Coburger Convent", der sich am Wochenende zum traditionellen Pfingstkongress trifft, scheint das bisher offiziell kein Thema zu sein, berichtet Report Mainz.
Nahezu verloren wirkt die Statue von Prinz Albert auf dem Coburger Marktplatz an einem Mittag dieser Woche. Nur ein paar Menschen bummeln durch die bayerische Kleinstadt, vorbei an Fachwerkhäusern und einigen Marktständen. Ab morgen aber dürfte es mit dieser Ruhe in Coburg erst einmal vorbei sein.
Denn ab Freitag werden Tausende Mitglieder von Studentenverbindungen das Stadtbild prägen: mit ihrer traditionellen Kleidung, ihren Fahnen und ihren Fechtwaffen. Und mit ihren Fackeln, mit denen sie am Pfingstmontag zum Marktplatz laufen werden.
Anlass ist der Pfingstkongress des "Coburger Convent", er ist einer der größeren Verbände von Studentenverbindungen. Ihm gehören knapp 100 sogenannte Landsmannschaften und Turnerschaften aus Deutschland und Österreich an, und mit ihnen nach eigenen Angaben mehr als 11.000 aktive und ehemalige Studenten, sogenannte "Alte Herren". Auch prominente Persönlichkeiten sind unter den Mitgliedern, etwa der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU).
Proteste gegen Pfingstkongress
Alljährlich ruft der Pfingstkongress auch Kritiker und Gegendemonstranten auf den Plan. Ihnen ist der Fackelzug ein Dorn im Auge, die Tradition des Fechtens und, dass die Studentenverbindungen ausschließlich Männern offenstehen. Aus der Zeit gefallen und reaktionär sei das.
In den vergangenen Jahren gab es zudem Meldungen, die einzelnen Mitgliedern des "Coburger Convents" rechtsextreme Vorfälle zuschrieben. "Hitlergruß am Herrenklo" titelte beispielsweise die Süddeutsche Zeitung über einen mutmaßlichen Vorfall beim Pfingstkongress 2018. Außerdem gab es vereinzelt Berichte über AfD-Mitglieder in den Reihen des "Coburger Convents". Ein heikles Thema.
Denn laut eigener Verlautbarung auf seiner Internetseite erwartet der Verband von seinen Mitgliedern, dass sich diese "jederzeit für die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitlich-demokratische und liberal-rechtsstaatliche Ordnung einsetzen". Formal sei der Verband parteipolitisch nicht gebunden.
So oder so ähnlich beschreiben viele Dachverbände studentischer Verbindungen ihr Verhältnis zu politischen Themen. Doch das Erstarken der AfD brachte diese Haltung zuletzt ins Wanken. Eine Bonner Studentenverbindung eines anderen Verbands beispielsweise beschloss schon vergangenes Jahr eine "Unvereinbarkeitserklärung": Wer AfD-Mitglied ist, darf dieser Studentenverbindung demnach nicht mehr angehören.
In der Folge positionierten sich weitere Studentenverbindungen. Wie aber verhält sich der "Coburger Convent"? Eine Anfrage des ARD-Politikmagazins Report Mainz unter anderem zu dieser Frage ließ der "Verband Alter Herren im Coburger Convent" unbeantwortet.
Mitgliedsdaten ausgewertet
Dabei scheint es zahlreiche Mitglieder des "Coburger Convent" zu geben, die offen für die AfD eintreten. Report Mainz wurde eine Liste mit Daten von mehreren tausend "Alten Herren im Coburger Convent" zugespielt. Das Politikmagazin hat diese mit Mitgliedsdaten und Kandidatenlisten der AfD verglichen und bei mehreren Dutzend Personen Übereinstimmungen gefunden. Unter ihnen sind Kommunalpolitiker, aber auch ein Landtagsabgeordneter und zwei Bundestagsabgeordnete.
Die tatsächliche Zahl von AfD-Mitgliedern im "Coburger Convent" dürfte noch höher sein. Denn die AfD-Mitgliedsdaten, die die Reporter zur Auswertung herangezogen haben, sind einige Jahre alt. Inzwischen hat die AfD Tausende Mitglieder hinzugewonnen.
Um die Informationen zu prüfen, hat Report Mainz alle betreffenden Personen kontaktiert. Einige geben an, die Partei inzwischen verlassen zu haben, andere bestätigen die Recherchen. Der Großteil aber ließ die Fragen unbeantwortet, auch auf telefonische Nachfrage hin. Einzelne der Personen reagierten aufgebracht: Die Mitgliedschaft sei "Teil des Privatlebens", hieß es beispielsweise.
Günther Oettinger: "Gelassen bleiben"
Ähnlich äußerte sich CDU-Politiker Günther Oettinger gegenüber Report Mainz. Er ist "Alter Herr" der "Landsmannschaft Ulmia Tübingen" im "Coburger Convent". Die Verbindung sei "fortschrittlich und liberal", AfD-Mitglieder seien ihm dort nicht bekannt, sagte Oettinger.
Zu personellen Überschneidungen zwischen AfD und "Coburger Convent" sagte Oettinger, "er habe dazu keine Meinung". Man müsse sehen, dass es in der AfD mit Sicherheit noch immer Mitglieder gebe, die nicht wegen Höcke in die Partei eingetreten und auch nicht verfassungsfeindlich seien. "Ich kann nur raten, gelassen zu bleiben", so Oettinger.
Die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth, die seit Jahrzehnten zu Studentenverbindungen forscht, kritisiert diese Haltung. Gerade Studentenverbindungen hätten eine Verantwortung, da sie auch heute noch in die Gesellschaft hineinwirkten. "Sie agieren ja in der Öffentlichkeit und richten sich gezielt an Studenten, die sich Netzwerke und bessere Chancen im Berufsleben erhoffen", so Kurth. "Das ist keine Privatsache."
Gerade weil der "Coburger Convent" zu den größeren Verbänden gehöre und breit im konservativen Milieu verankert sei, erwarte sie hier eine klare Positionierung gegenüber der AfD. Andernfalls fürchte sie eine Normalisierung der Partei und derer Positionen. "In den Verbindungen entstehen ja Bekanntschaften und Freundschaften auf Lebenszeit", so Kurth. Manche Studentenverbindungen könnten damit eine Art Scharnierfunktion zwischen AfD und konservativen Kräften spielen. "Ich sehe die Gefahr, dass Teile des konservativen Lagers durch solche Entwicklungen weiter erodieren und nach rechts rücken."
Programm des Pfingstkongresses veröffentlicht
Dass der "Coburger Convent" am Wochenende über seinen Umgang mit der AfD diskutiert, scheint unwahrscheinlich. Die "Autonome Antifa Freiburg" ist offensichtlich in Besitz der als "vertraulich" gekennzeichneten Tagungsunterlagen gekommen und hat diese auf ihrer Website veröffentlicht. Dem Papier zufolge plant der Verband neben Fackelmarsch, Sportwettkämpfen und Kranzniederlegung am Coburger Ehrenmal unter anderem formale Beschlüsse zu fassen, zum Beispiel die Neuwahl diverser Ämter.
Thema auf dem Pfingstkongress soll demnach auch eine von der Coburger Stadtratsfraktion der Grünen beauftragte Studie sein, die sich kritisch mit Geschichte und Bräuchen des "Coburger Convent" auseinandersetzt. Die Studie - in der es nur darum gegangen sei, "uns in eine politische Ecke zu stellen, in der wir nie waren und nie sein werden" - habe man juristisch analysieren lassen, heißt es in den Tagungsunterlagen.
Das Ergebnis werde man am Wochenende erörtern. Ob es dabei auch um eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD gehen wird, ist fraglich. Ein eigener Tagesordnungspunkt zum Umgang mit der Partei findet sich auf dem Programm jedenfalls nicht.