
Heard- und McDonald-Inseln Trumps Zölle und die Geschäfte der Pinguine
Vor einigen Wochen verhängte US-Präsident Trump für Inseln am Rand der Antarktis Zölle - und erntete Spott. Recherchen von WDR, NDR und SZ liefern jetzt Hinweise, dass die Inseln für fragwürdige Geschäfte genutzt worden sein könnten.
Als Donald Trump Anfang April einen pauschalen Zoll von zehn Prozent auf Importe aus den meisten Ländern der Welt sowie noch höhere aus einzelnen Ländern verhängte, ernteten die Vereinigten Staaten viel Empörung.
Unter den Empörten befand sich Australien, denn: Die Zölle treffen selbst entlegene australische Inseln, die in der Sub-Antarktis liegen und auf denen kein Mensch wohnt - nur Pinguine, Vögel und Robben.
"Pinguine gegen Zölle"
Der Fall der australischen Heard- und McDonald-Inseln schien besonders absurd. Trumps Zollpolitik, die auch diese Inseln einschloss, sorgte für Hohn und Spott. Die Inseln, die offenbar nur nach etwa zweiwöchiger Bootsfahrt erreichbar sind, erlangten nach der Zollankündigung daher vor allem im Internet Berühmtheit: Dort waren Pinguine zu sehen, die gegen die Zölle demonstrieren - oder Shirts mit dem Aufdruck "penguins against tariffs", also "Pinguine gegen Zölle".
Auch der australische Handelsminister Don Farrell reagierte prompt auf Trumps Ankündigung: Dem Sender ABC sagte er, die Zölle seien wohl ein Fehler gewesen. "Arme Pinguine. Ich weiß nicht, was sie Trump getan haben, aber schauen Sie, ich glaube, das ist ein Zeichen, um ehrlich zu sein, dass der Ablauf ein bisschen überstürzt war." Das Ganze also nur ein Fehler?
Import/Export-Geschäft?
Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung zeigen jetzt, dass mehr dahinter stecken könnte. Denn laut der Handelsstatistik der Weltbank betreiben die Heard- and McDonalds-Inseln tatsächlich ein Import/Export-Geschäft, und zwar unter anderem mit den Vereinigten Staaten.
Seit mindestens 15 Jahren, so weisen es die Handelsdaten aus, sollen von dort etwa Metalle und Maschinen in die USA exportiert und andererseits verschiedene Güter importiert werden, darunter sogar Tiere.
2022 etwa exportierten die Inseln der Statistik zufolge "Maschinen und Elektrik" für mehr als eine Million Dollar in die USA. Diese letzte Handelsstatistik hat die Trump-Regierung wohl Berichten zufolge herangezogen, um zu entscheiden, für welche Länder die Zehn-Prozent-Zölle erhoben werden sollten, um vermeintliche Handelsungleichgewichte zu beenden.
Doch wie kann Handel auf Inseln stattfinden, die eigentlich komplett unbewohnt sind, auf denen es weder Gebäude noch Straßen und Häfen gibt?
Die Weltbank antwortete auf Anfrage, dass sie keine Erklärung für diese Export-Daten habe. Sowohl das australische Handelsministerium als auch die australische Behörde für die Antarktis ließen eine Anfrage unbeantwortet.
Zahlreiche Offshore-Leaks allerdings, etwa die Panama Papers oder Pandora Papers, geben hingegen Hinweise, dass es doch nicht völlig absurd war, die Inseln in die Zollpolitik einzuschließen. Die Daten liefern einen einzigartigen Einblick in die Welt von Steueroasen. SZ, WDR und NDR haben sie vielfach mit internationalen Partnern ausgewertet, und auch in der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Trumps Zollpolitik können sie nun weiterhelfen.
Teil der Offshore-Welt
Die Leaks unterstützen den Eindruck, dass die Heard- and McDonalds-Islands noch mehr sind als ein Naturreservat, das als UNESCO-Weltnaturerbe rangiert. In den Leaks finden sich beispielsweise Steuerabkommen, die Australien in den Jahren 2008 bis 2011 mit bekannten Steueroasen abgeschlossen hat - darunter die Cayman Islands, die britischen Jungferninseln oder Mauritius. Darin vereinbaren die Länder gegenseitigen Informationsaustausch und andere steuerrechtliche Angelegenheiten, was nicht ungewöhnlich ist.
Explizit mit aufgenommen sind die unbewohnten Heard- and McDonalds-Inseln. Das blieb nicht ohne Folgen für sie. Die vom Menschen nahezu unberührten Inseln wurden nun absichtlich oder unabsichtlich Teil der Offshore-Welt, in der entlegene Orte manchmal ganz erstaunliche Rollen spielen können. Dafür geben die ausgewerteten Datensätze Anhaltspunkte.
Schon 2012, kurz nach Abschluss des Abkommens, stiegen die Heard- and McDonalds-Inseln zumindest auf dem Papier ins Import/Export-Geschäft ein. 2012 und 2013 sollen sie Transport-Güter nach Sub-Sahara-Afrika befördert haben, insgesamt im Wert von fast einer halben Milliarde US Dollar. 2017 sollen der Statistik zufolge weitere Exporte derselben Kategorie wiederum nach Sub-Sahara Afrika erfolgt, im nahezu identischen Umfang.
Beliebt als angeblicher Wohnort
Auch als angeblicher Wohnort wurden die Inseln beliebt: Wie Recherchen von WDR, NDR und SZ zeigen, begannen mindestens ab 2011 Menschen, die eigentlich in China oder Hongkong registriert waren, die Heard- and McDonalds- Inseln als Wohnadresse anzugeben. In einem Fall trat eine Person einen Direktorenposten in einer Firma ohne erkennbares Business auf den britischen Jungferninseln an und gab einen seiner Wohnsitze auf den Inseln der Pinguine an.
In Anleitungen zum Ausfüllen von Zollpapieren in Hongkong finden sich die Inseln ebenfalls wieder - sie hatten ein Länderkürzel und waren offenbar anerkannt als Herkunftsort oder Zielort für Warensendungen im Zusammenhang mit China und Hongkong.
Auch in der Bankenwelt blieben die Inseln nicht unbemerkt. Bei der Cayman National Bank, einer Bank, die hauptsächlich im Offshore-Geschäft zu Hause ist, finden sich immer wieder Meldungen über Überweisungen von oder an Konten, die auf den Heard- und McDonalds-Inseln gemeldet sind. Allein im September 2018 waren es mehr als 300 solcher Überweisungen bei nur einer einzigen Bank. Die Cayman National Bank reagierte nicht auf eine Anfrage von WDR, NDR und SZ.
Wohnort ohne Straßen
Auch große Geschäftsbanken nahmen die Inseln in ihre Länderlisten mit auf und wiesen australische Dollar als Währung zu. Kunden konnten offenbar ein Konto eröffnen und die unbewohnten Inseln als Wohnort angeben - obwohl es nicht einmal Straßen oder Häfen dort gibt. Bei einer der Banken finden sich die Inseln zur Auswahl auf Formularen für Überweisungsaufträge nach Hongkong.
Das alles erscheint umso fragwürdiger, wenn man in die Handelsstatistik schaut: Offiziell haben die Heard- und McDonalds-Inseln keinerlei Handelsbeziehungen nach Hongkong oder China. Dennoch weisen die Offshore-Leaks auf geschäftliche Aktivitäten zwischen den Ländern hin. Das Handelsministerium in Hongkong konnte auf Anfrage nicht erklären, wie diese Handelsbeziehungen dennoch zustande gekommen sind.
Auch Daten der australischen Regierung deuten darauf hin, dass die Möglichkeit, die nur von Pinguinen bewohnten Inseln als Wohnadresse anzugeben, tatsächlich genutzt wurden. Welchen Vorteil sich diejenigen davon erhofften, ist unklar.
2019 etwa meldete die australische Regierung gemäß den Richtlinien der OECD, dass fast eine Million australische Dollar auf Konten lagen, deren Besitzer die Heard- and McDonalds-Inseln als Wohnort angegeben hatten. 2018 waren es rund 150.000 australische Dollar, die für die Inseln gemeldet wurden.
Aktiv nach einem Schlupfloch gesucht?
Alles nur Zufall oder alles nur ein Versehen? Experten bewerten die Befunde kritisch. "Ich sehe ein hohes Risiko, dass das Geschäfte sind, die nur zum Schein über die Heard- and McDonalds-Inseln abgewickelt werden. Bei solchen außergewöhnlichen Orten, die noch dazu unbewohnbar sind, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass jemand aktiv nach einem Schlupfloch gesucht und es auf diesen Inseln gefunden hat", sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
Er nennt auch mögliche Gründe, dies zu tun. "Möglicherweise kann mit den Inseln der Geldwäsche-Filter der Banken umgangen werden, weil sie auf keiner schwarzen Liste auftauchen."
Trautvetter sieht auch die Banken in der Pflicht, die bei einer Kontoeröffnung die unbewohnten Inseln als Adresse akzeptierten: "Man muss von einer guten Bank erwarten können, dass sie Adressen mit Adressdatenbanken verifiziert und herausfindet, dass diese Inseln unbewohnt sind. Wenn eine Bank dennoch zulässt, dass Kontoinhaber diese Inseln als Wohnort angeben, kann man das nicht als seriös bezeichnen. Ich sehe das absolut als Red Flag (Warnsignal)."
Und die Regierung von Donald Trump? Auf Anfrage antworteten die US-Regierung und auch die Zollbehörde nicht.