
Fälle sexualisierter Gewalt im Bistum Speyer Studie spricht von System der "Vertuschung"
Die Uni Mannheim hat den ersten Teil einer Studie über sexuellen Missbrauch im Bistum Speyer vorgestellt. Sie enthüllt dabei ein System von Verleugnung und Verschleierung in der Kirche.
Die Studie unter der Leitung der Historikerin Sylvia Schraut beleuchtet alle Verdachtsfälle im Bistum Speyer seit 1946. Die Mannheimer Wissenschaftlerin und ihr Team gehen von 150 mutmaßlichen Tätern im Bistum Speyer aus, davon 109 Geistliche. Zwei Drittel der beschuldigten Geistlichen waren demnach vor 1920 geboren, die meisten hatten Kriegserfahrung und eine autoritäre Grundeinstellung.
Die Hälfte der Missbrauchstaten geschah in den 1950er und 60er Jahren. Viele Fälle wurden erst Jahrzehnte später bekannt.

Professorin Sylvia Schraut leitet die Missbrauchsstudie an der Universität Mannheim. Die Historikerin stellte erste Ergebnisse am Donnerstag vor.
System des sexuellen Machtmissbrauchs im Bistum Speyer
Der erste Teil der Studie habe vor allem die historischen, strukturellen und soziale Hintergründe des vielfachen "Machtmissbrauchs" im Bistum beleuchtet. Dazu sagte Schraut: "Für uns stand in erster Linie das "Wie" im Mittelpunkt. Also wie konnte das geschehen?" Das Forschungsteam habe genau diese Fragen untersucht: Wie konnte es jahrzehntelang zu einem systematischen sexuellen Machtmissbrauch innerhalb der Kirche kommen? Wie war es möglich, dass der "so lange unbeachtet, ungeahndet und ungehindert" blieb.
Kirche betrachtete sexuellen Missbrauch als Fehlverhalten Einzelner
Für die Studie verglich das Forschungsteam um die 71 Jahre alte Professorin Schraut die Priester im Bistum Speyer, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden, mit denen, gegen die es keine Anschuldigungen gab. Dazu erstellte das Team zudem eine umfassende Datenbank. Ein zentrales Ergebnis: Die katholische Kirche behandelte sexuellen Machtmissbrauch früher als Fehlverhalten einzelner Geistlicher.
Die beschuldigten Geistlichen wurden dann entweder individuell bestraft oder sie wurden sogar vor den Anschuldigungen geschützt.
System der Vertuschung systematischer Gewalt im Bistum Speyer
Wörtlich sprach die Professorin von "Vertuschung". Ihr Fazit: Die Kirche habe den sexuellen Missbrauch und letztlich auch die Straftaten begünstigt. Denn sie habe ihre strukturellen Probleme in diesem Zusammenhang nicht erkannt oder auch ignoriert. Und weiter: "Die von Rom gestützte Autonomie der Orden ermöglichte geistliches Handeln im Bistum weitgehend ohne Kontrolle."
Die Studie nennt im Bistum Speyer sechs Kinderheime und Internate, in denen das Personal, darunter auch Nonnen, bis mindestens in die 1970er Jahre hinein systematisch Gewalt ausübte. Dabei handelt es sich um zwei Heime in Speyer sowie Einrichtungen in Landau-Queichheim, Landstuhl, Pirmasens und Homburg/Saar.
Schraut: Presse und Betroffene haben Fälle ans Licht gebracht
Der Presse und den Betroffenen sei es zu verdanken, dass die Fälle aus dem Bistum Speyer nach dem Jahr 2000 an die Öffentlichkeit kamen, sagte Schraut am Donnerstag. Beim Bistum Speyer hatten sich weniger als 300 Betroffene gemeldet. Am Freitag wird Bischof Karl-Heinz Wiesemann in Speyer auf einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Studie Stellung nehmen.
Sendung am Do., 8.5.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4