Die Ministerinnen und Minister der Thüringer Landesregierung
100 Tage Regierungsarbeit in Thüringen: Der Haushalt ist aufgestellt, Ministerinnen und Minister im Amt. Bildrechte: MDR/Karina Heßland

Landesregierung Viel vorbereitet: Was die Thüringer Brombeer-Koalition in 100 Tagen geschafft hat

22. März 2025, 05:00 Uhr

Seit 100 Tagen ist die neue Thüringer Landesregierung im Amt. Sie hat sich vieles vorgenommen. Ihr eigenes 100-Tage-Programm besteht dabei vor allem aus Absichtserklärungen. Wo es konkret wird und was die Brombeere schon angegangen hat: Eine Bilanz.

Seit 100 Tagen ist die Landesregierung unter Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) im Amt. In diesen dreieinhalb Monaten musste sich die Koalition aus CDU, BSW und SPD nach zehn Jahren rot-rot-grüner Regierung in Thüringen zunächst finden und einarbeiten. Und das mit der Besonderheit, dass mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht ein völlig neuer Partner an der Regierung beteiligt ist.

Es läuft.

Georg Maier Thüringer SPD-Chef

Doch dies scheint, so betonen es die Koalitionspartner, bisher keine Probleme zu machen. So sagte Ministerpräsident Voigt MDR THÜRINGEN: "Die Regierung ist stabil." Und von SPD-Chef Georg Maier hieß es: "Es läuft und es ist nicht zu den Friktionen gekommen, die man hätte erwarten können." Im Gegenteil, wie Katja Wolf (BSW) unterstrich: "Die Brombeere arbeitet verlässlich und vertrauensvoll zusammen."

Die Problemstellungen, die die drei Partner angehen wollen, sind vielfältig. Die wichtigsten Aufgaben sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben: Da ist von verlässlichem Unterricht in der Schule die Rede und davon, dass "Ärztinnen und Ärzte sowie Apotheken überall im Land in maximal 20 Minuten erreichbar" sein sollen. Die Thüringer Wirtschaft soll von "überflüssiger Bürokratie" befreit werden. Und die Brombeer-Koalition will Verwaltungsprozesse digitalisieren und Kommunen entlasten.

100Tage 3 min
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Haushalt aufgestellt

Doch zunächst hat die Koalition das erledigt, was eine neue Regierung eben erledigen muss, um die Voraussetzung für ihre Arbeit zu schaffen: Der Ministerpräsident hat neue Ministerinnen und Minister ernannt, Ministerien wurden teils umstrukturiert, einzelne Ressorts wechselten die Zuständigkeit, Staatssekretäre wurden neu eingestellt.

Und auch die erste große Aufgabe, die die Landesregierung angegangen ist, schafft vor allem die Voraussetzung für die inhaltliche Arbeit der Politikerinnen und Politiker. Gemeint ist die Neuaufstellung der Landesfinanzen. "Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, den Haushalt für Thüringen zusammenzubekommen", sagte denn auch Mario Voigt. Im April soll der Haushalt für 2025 verabschiedet werden.

Andere große Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, war in den ersten 100 Regierungstagen kaum realistisch. Nichtsdestotrotz hat sich die Landesregierung selbst ein 100-Tage-Programm gegeben, dass - gerechnet vom 1. Januar - bis zum 7. April umgesetzt werden soll. 50 Maßnahmen sollen die Lebensqualität in Thüringen ausbauen und "spürbare Verbesserungen im Alltag" der Bürgerinnen und Bürger erreichen, heißt es in diesem Programm.

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Die meisten dieser Maßnahmen sind allerdings wenig konkret. Vielmehr handelt es sich größtenteils um Absichtserklärungen, da soll vieles "geprüft", "angestoßen", "ausgelotet" und "vorbereitet" werden.

Ein Beispiel: Der geplante "Pakt für Wachstum und Arbeitsplätze" sollte mit den Kammern und den Gewerkschaften besprochen werden, was auch geschehen ist.

Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Astrid Striehn war bei dem Treffen vergangene Woche dabei. Sie sagte MDR THÜRINGEN: "Dass der Ministerpräsident ausdrücklich die Wirtschaft und auch uns als Gewerkschaften mit einbeziehen will, ist erstmal positiv zu vermerken." Am Ende komme es aber auf die konkreten Gesetzesvorhaben der Landesregierung an.

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"Jetzt geht es darum, dass gehandelt werden muss und dass Veränderungen spürbar werden, sowohl bei der Wirtschaft als auch in der Bevölkerung", sagte Ute Zacharias, Sprecherin des Verbandes der Wirtschaft Thüringens.

Konkrete Maßnahmen

Ministerpräsident Voigt meinte gegenüber MDR THÜRINGEN: "Probleme gemeinsam anzupacken ist uns gut gelungen in den ersten hundert Tagen." Konkrete Maßnahmen finden sich allerdings nur vereinzelt in dem Programm, das die Brombeere bis Anfang April umgesetzt haben will.

Migration: Landesbezahlkarte einführen

Eine davon ist, dass 80 Asylbewerberinnen und Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl eine Landesbezahlkarte bekommen sollen. Noch sind diese Bezahlkarten nicht verteilt worden, aber dies soll nach Verabschiedung des Landeshaushalts geschehen, wie das Migrationsministerium auf Nachfrage mitteilte. Im Nachgang soll diese Karte allen Kommunen angeboten werden.

Schule: Unterrichtsausfall senken und Angebot an Lehramtsstudenten

Schon im Koalitionsvertrag steht als erster wichtiger Punkt, dass die Landesregierung den Lehrermangel bekämpfen will. So soll in einem ersten Schritt der Unterrichtsausfall an staatlichen Schulen auf unter zehn Prozent gesenkt werden, heißt es denn auch im 100-Tage-Programm.

Doch "selbstverständlich können die damit einhergehenden Herausforderungen nicht flächendeckend in 100 Tagen gelöst werden", teilte das Bildungsministerium MDR THÜRINGEN dazu mit. Um den Unterrichtsausfall zu senken seien eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, die "dann zunächst ihre Wirkung entfalten" müssten.

Schülerinnen und Schüler einer fünften Klasse einer Realschule sitzen während des Unterrichts in ihrem Klassenzimmer.
Thüringen braucht mehr Lehrerinnen und Lehrer. Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Eine der Maßnahmen, ist, ganz praktisch, um Lehramtsanwärter zu werben oder wie Mario Voigt es sagte: "Ziel Nummer Eins ist, auf junge Lehrerinnen und Lehrer zuzugehen und sie tatsächlich hier in Thüringen zu halten."

Und wirklich haben rund 600 angehende Lehrerinnen und Lehrer bereits im Januar einen Brief vom Ministerpräsidenten und dem Bildungsminister Christian Tischner (CDU) bekommen. Ihnen wird darin eine Einstellungsgarantie an einer Thüringer Schule zugesichert.

Was das gebracht hat? Das Bildungsministerium schreibt dazu auf Nachfrage: "Ob quantitativ nun mehr Lehramtsanwärterinnen und -anwärter im Freistaat bleiben, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen."

Bürokratieabbau

Beim geplanten Bürokratieabbau soll ein Bürokratiemelder helfen, so steht es im Programm. Auch diesen Punkt hat die Landesregierung umgesetzt: Auf der Website des Freistaats können Bürger und Unternehmen bürokratische Hürden und unnötige Regelungen melden.

Es seien bereits über 200 Meldungen vor allem von Privatpersonen hier eingegangen, teilte ein Sprecher der Thüringer Staatskanzlei auf Nachfrage mit. Vor allem lange Bearbeitungszeiten bei Verwaltungsvorgängen und ein fehlender innerbehördlicher Austausch würden bemängelt.

"Die Landesregierung nimmt diese Hinweise sehr ernst", sagte der Sprecher weiter. Die Einsendungen sollen vom Thüringer Normenkontrollrat (NKR) ausgewertet und dann von den zuständigen Behörden geprüft werden. Das Ziel: konkrete Verbesserungen und weniger Bürokratie.

Gesundheitsgipfel

Im Bereich "Gesundheit" wollte die Landesregierung einen Gesundheitsgipfel ausrichten. Dieser soll auch tatsächlich stattfinden - am 27. März. Eingeladen sind unter anderem Krankenhausvertreter und Politiker, teilte die Sprecherin des Thüringer Gesundheitsministeriums mit. Man wolle sich austauschen und vernetzen.

Zudem sollten Krankenhäuser Gelder und Hilfen bekommen. Dazu, so heißt es vom Gesundheitsministerium auf Anfrage, laufen noch die Abstimmungen.

Maßnahmen brauchen Vorlauf

Die meisten Maßnahmen brauchen ohnehin viel Vorlauf. Manche hat bereits die Vorgängerregierung auf den Weg gebracht. Dazu gehört etwa die Familien-App, die Angebote und Informationen für Familien in Thüringen bieten soll. Ab dem 1. Mai soll sie heruntergeladen und genutzt werden können.

Katja Wolf (BSW), BSW-Landesvorsitzende Thüringen und Thüringer Finanzministerin
Katja Wolf (BSW), Finanzministerin Thüringen: Maßnahmen brauchen Zeit. Bildrechte: TSK/Andreas Pöcking

Dass die Umsetzung Zeit braucht, bestätigt auch Finanzministerin Katja Wolf (BSW): "Es gibt ganz wenig Maßnahmen, die man über Nacht mit einem Schnips umgesetzt hat." Denn oftmals würden Verordnungen, Geld und Gesetze dranhängen.

Politik wäre unredlich, wenn wir so tun würden, als ob man innerhalb von drei Monaten über Nacht dieses Land komplett auf die Seite krempeln könnte und das ist ja auch nicht im Sinne der Erfindung.

Katja Wolf BSW-Landesvorsitzende

"Politik wäre unredlich, wenn wir so tun würden, als ob man innerhalb von drei Monaten über Nacht dieses Land komplett auf die Seite krempeln könnte und das ist ja auch nicht im Sinne der Erfindung." Sie sagt aber auch: "Das alles schon auf den Weg gebracht zu haben, was wir uns in den hundert Tagen vorgenommen haben, das ist aus meiner Sicht eine große Leistung."

Was die Opposition sagt

Kritik an den ersten Monaten Regierungszeit und am 100-Tage-Programm kommt von der Thüringer AfD. Torben Braga, derzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, sagte MDR THÜRINGEN, das Zeugnis nach den ersten hundert Tagen sei kein besonders gutes.

Es habe sich "in keiner Weise etwas geändert im Vergleich zur vorherigen Landesregierung". Und: "Von diesem 100-Tage-Programm habe ich, seit es bekanntgegeben wurde, nichts mehr gehört. Ich denke, das sagt schon alles, was davon zu halten ist."

Im Großen und Ganzen bleibt die Brombeerkoalition Ankündigungsweltmeister.

Christian Schaft Landesvorsitzender Die Linke

Auch die Linke kritisiert die ersten hundert Tage Brombeere. Landeschef Christian Schaft sagte: "Im Großen und Ganzen bleibt die Brombeerkoalition Ankündigungsweltmeister. Es wurde mit Tempo sehr viel angekündigt. Wann das allerdings jetzt wirklich Umsetzung erfährt und sehr konkret wird, werden wir sehen."

Er erwarte vor allem, dass man gemeinsam soziale Themen wie Gesundheit, Bildung und Mobilität in den Vordergrund stelle. "Da erwarte ich von den vielen Ankündigungen, die im 100-Tage-Programm gemacht wurden, konkrete Initiativen im Parlament."

Mehr zur Brombeerkoalition in Thüringen

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 22. März 2025 | 18:05 Uhr

223 Kommentare

Der Matthias vor 5 Wochen

@ RG

"ich bezweifle, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist"

Dann müssen Sie leider mit völliger Blind- und Taubheit geschlagen sein, wenn Sie das offensichtliche Rechtsextremismusproblem "der freundlichen Gesichter des NS" nicht erkennen können . . . oder aber, nicht erkennen wollen! Nunja, diese Blindheit auf dem rechten Auge und dieses nicht Wahrhabenwollen ist in Deutschland ja nichts Neues!

"dass die etablierten Parteien alles, aber wirklich alles tun, um sie in die rechte Ecke zu schieben"

Dafür sorgt die AFD mit ihren unsäglichen Äußerungen und Visagen in ihren Reihen schon selber. Da braucht gar nichts mehr "geschoben" zu werden, da sich diese Partei mit ihren Wehrmachts-Verherrlichern (siehe Gauland!), SA-Parolen-Brüllern und Hitler-(V)Erklärern (siehe Höcke!), SS-Relativierern (siehe Krah!) und anderen "freundliche Gesichtern des NS" schon längst selbst in die Tradition des deutschen Ungeistes gestellt hat! Wie man da alles übersehen kann, ist mir unbegreiflich!

Wessi vor 5 Wochen

Ihre Zweifel in allen Ehren @ RG, Punkt ist aber, daß diese 50.000 mehrheitlich schon vor der Gründung der AfD rechtsextrem dachten.Sie haben sich nicht "verwandelt"....sie waren schon so.Das hat Höcke (20%) schon vor Jahren gesagt und ich habe es bestätigt.Und natürlich gibt es dumme Leute, die das nicht glauben.Nazis muß man beim Namen nennen, die braucht man nicht irgendwo "hinzuschieben".Sie sind es eben.Seit 1945.Unbelehrbar und Nachwuchs "züchtend". Und einen Unterschied zwischen der "CDU" und einer "Merz-CDU" gibt es schlichtweg nicht.Die Partei hat sich, wie die Gesellschaft+ihre Wähler gewandelt, sonst wäre sie nicht 2 Jahre nach "wir schaffen das" wieder mit der Kanzlerschaft versehen worden!

Ralf G vor 5 Wochen

DM - Sich zu einer Partei zu äußern, oder sie grundsätzlich zu diffamieren, ist für mich Unterschied.
Zur Merz-CDU bilde ich mir ein Urteil nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrags, falls es den jemals geben sollte.
Und richtig, ich bezweifle, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Fünfzigtausend Mitglieder sollen sich in Rechtsextremisten verwandelt haben. Sorry, das widerspricht meiner Lebenserfahrung. Dabei wissen auch Sie, dass die etablierten Parteien alles, aber wirklich alles tun, um sie in die rechte Ecke zu schieben.

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