
Schleswig-Holstein Kolumne: Frauen zum Mond schießen – aber bitte in teuer
Am vergangenen Montag flogen sechs Promi-Frauen ins All. Die Mission dauerte 10 Minuten und 21 Sekunden und erreichte die internationale Grenze zum Weltraum – und zum Irrsinn. Unsere Kolumnistin fragt sich: Darüber lachen oder weinen?
Hast du etwas Zeit für mich, dann singe ich ein Lied für dich - von sechs Frauen auf ihrem Weg zum Horizont. Aber nein, statt über die Schwerelosigkeit von 99 Luftballons zu schwärmen, müssen wir über diese vieldiskutierte Stippvisite ins All sprechen, die gerade durch alle Medien rauscht. Um es mit einer "Spiegel"-Überschrift zu sagen: "Katy Perry war eine von sechs Frauen, die am Montag von Multimilliardär Jeff Bezos ins Weltall geschossen wurden." Diesen Satz bitte einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die ganze Inszenierung schreit förmlich nach Dystopie: Nicht nur ist die Erde längst ein disneyhafter Spielplatz für die Trumps, Musks und Bezoses dieser Welt - jetzt wird auch das Weltall bespielt.
Feminismus als Feigenblatt eines ziemlich teuren PR-Stunts
Andererseits schießt Bezos einfach sechs Frauen, inklusive seiner eigenen Partnerin, "zum Mond" - vor aller Augen. Das ist kein symbolischer Höhenflug, sondern ein eiskalter PR-Stunt: Frauen als Vehikel für sein Space-Imperium. Neben Katy waren übrigens auch die Bürgerrechtlerin Amanda Nguyễn, die Luft- und Raumfahrtingenieurin Aisha Bowe, die Journalistin Gayle King, die Filmproduzentin Kerianne Flynn sowie Lauren Sánchez, die Verlobte von Jeff Bezos, mit an Bord. Und was passiert dann? Die ganze Aktion wird nicht als Meilenstein für Gleichberechtigung gefeiert, sondern mit einer Mischung aus Spott, Shitstorm und Was-zur-Hölle? quittiert. "Girl Boss Energy"? Eher: Meme-Material.
Zwischen CO₂-Kritik, Bodenküssen und "Papa Bezos"
Katy Perry kniete nach der Landung - und der höchst zeremoniellen Entriegelung der Kapsel durch Papa Bezos selbst - in aller Andacht nieder und küsste den Boden. Dramaturgie: 10/10. Grünen-Politikerin Ricarda Lang kommentierte auf Social Media, Katy habe in zehn Minuten mehr CO₂ rausgeblasen als manche in ihrem ganzen Leben und sagte: "Vielleicht sollten wir beim Klimaschutz weniger über Konsumkritik bei denen, die eh schon wenig haben, sprechen - und mehr über Superreiche, die die Welt verbrennen." Denn während Juri Gagarin, der erste Mensch im All, 1961 noch rührselig sagte: "Als ich im Raumschiff die Erde umkreiste, sah ich, wie schön unser Planet ist. Lasst uns diese Schönheit bewahren und mehren, nicht zerstören!", machten die angeblichen "Girl Bosses" da oben... Selfies. Klar. Was sonst.
Glitzer, Spacesuits und die Rakete, die alles sagt
Immerhin sahen sie dabei gut aus. Lauren Sánchez, Bezos’ Verlobte, erzählte im Vorfeld stolz vom heißen "Spacesuit", den sie selbst mitgestaltet habe. Klar, wenn man schon ins All ballert, dann wenigstens in sexy. Für mich ist das die Kirsche auf der Torte. So Augenroll-2025-mäßig, dass ich gar nicht mehr weiß, ob ich lachen oder mir ein stilles Eckchen zum Fremdschämen suchen soll. Normalerweise finde ich ja selbst in der absurdesten Farce noch irgendwas Konstruktives. Eine Mini-Lektion. Einen Gedanken, den man mitnehmen kann. Aber vielleicht ist diese Raumfahrtsmission, diese Himmelspenetration (guckt euch die Rakete mal an!), einfach nur der finale Beweis fürs Offensichtliche: Mit der Technik und dem Know-how der Zukunft fliegen wir gesellschaftlich gerade mit Hyperschall zurück in die Vergangenheit. Und die ganze Welt schaut zu, hebt kurz den müden Blick vom Smartphone, zuckt mit den Schultern und scrollt weiter.