Das AKW Brokdorf.

Schleswig-Holstein IT-Panne bremst Rückbau von Atomkraftwerken in SH

Stand: 17.04.2025 17:40 Uhr

Wegen einer IT-Panne gibt es beim AKW-Rückbau in Schleswig-Holstein Verzögerungen. Nicht beim Abbau selbst treten die Probleme auf, sondern bei den nötigen Sicherheitsprüfungen, die von Fachpersonal durchgeführt werden müssen.

Von Vinetta Richter

Die Energiewende schreitet voran - und mit ihr der Rückbau der Atomkraftwerke. In Schleswig-Holstein betrifft das die AKWs in Brokdorf (Kreis Steinburg), Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) und Krümmel in Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg). Nach Angaben der Landesregierung verlaufen die Rückbauarbeiten an den ehemaligen Kernkraftwerken planmäßig. Doch an anderer Stelle stockt es: bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen des Fachpersonals. Das geht aus einer kleinen Anfrage der FDP-Fraktion hervor.

Ohne eine solche Überprüfung dürfen weder interne noch externe Fachkräfte sicherheitsrelevante Bereiche der Anlagen betreten - ein entscheidender Faktor für den Fortschritt auf den Baustellen.

Defekter Server: 824 Anträge, aber nur 17 genehmigt

Zwischen April 2024 und März 2025 sind beim Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN) in Schleswig-Holstein insgesamt 824 Anträge auf Zuverlässigkeitsüberprüfung eingegangen. Doch genehmigt wurden bislang nur 17. Der Grund laut Ministerium: Ein Server, auf dem das zentrale IT-System für die Überprüfung lief, war seit Mitte 2024 monatelang außer Betrieb. Laut Ministerium läuft das Programm inzwischen wieder stabil.

Bei der Überprüfung gleicht das Ministerium Personalien mit Daten von Sicherheitsbehörden wie dem BKA, LKA, dem Verfassungsschutz und dem Bundeszentralregister ab. Erst wenn Rückmeldungen von allen Behörden vorliegen, darf über den Antrag entschieden werden. Auf die Dauer dieser Prüfungen bei den anderen Behörden habe man keinen Einfluss. Normalerweise bearbeitet das MEKUN rund 1.000 Anträge pro Jahr - bei einer durchschnittlichen Dauer von etwa 90 Tagen.

Warum diese Prüfungen überhaupt so wichtig sind
Die gesetzliche Grundlage für die Überprüfungen liefert § 12b Atomgesetz. Ziel ist der Schutz vor unbefugten Handlungen - etwa dem Diebstahl oder der absichtlichen Freisetzung radioaktiver Stoffe. Dabei werden unter anderem Informationen aus dem Polizeilichen Führungszeugnis, von Verfassungsschutzbehörden oder - in Einzelfällen - dem Stasi-Unterlagen-Archiv geprüft. Auch das persönliche Umfeld oder frühere Tätigkeiten können eine Rolle spielen, sofern es Hinweise auf sicherheitsrelevante Risiken gibt.

Betroffene müssen der Überprüfung schriftlich zustimmen. Fällt ein sogenannter "Erkenntnisfall" auf - etwa Hinweise aus Ermittlungsverfahren - ist eine weitergehende Prüfung vorgesehen. Wichtig ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch den Umfang der Prüfung bestimmt.

IT-Reparatur dauerte rund ein halbes Jahr

Die Reparatur des Servers übernahm das IT-Unternehmen Dataport. Das erklärte das Umweltministerium auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Rund sechs Monate dauerte es, bis das System wieder vollständig lief. Ein neuer Server musste aufgesetzt und das Programm technisch in die IT-Struktur des Landes eingebunden werden. Warum der ursprüngliche Server ausfiel, ist bisher unklar. Künftig soll das Verfahren laut Ministerium optimiert werden, das erfordere jedoch aufwendige Abstimmungen mit allen beteiligten Behörden.

Kritik aus der Opposition: "Das ist absolut inakzeptabel"

Deutliche Kritik kommt aus der FDP-Fraktion im Landtag. Fraktionschef Christopher Vogt sieht die Verantwortung bei der Landesregierung und speziell beim zuständigen Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne).

Minister Goldschmidt muss seinen Laden dringend in Ordnung bringen. Der Umgang der Landesregierung mit den betroffenen Unternehmen (Anmerkung der Redaktion: die AKW-Betreiber) ist inakzeptabel. Goldschmidt muss hier endlich seiner Verantwortung gerecht werden."
— Christopher Vogt, FDP

"Ohne Mitarbeiter kein Rückbau"

Auch beim Betreiber des stillgelegten Kernkraftwerks Brokdorf ist die Frustration spürbar. Dort laufen aktuell 247 Überprüfungsanträge - 126 davon sind Erstüberprüfungen. Die Bearbeitungsdauer liegt teils bei über einem Jahr. "Ohne Mitarbeiter kein Rückbau", sagt Anlagenleiter Tammo Kammrath.

Die Landesregierung versichert, dass die Rückbauprozesse nicht von dem Überprüfungsstau betroffen seien und sie sich nicht deshalb verzögern würden. Das sagt der Sprecher des Umweltministeriums. Es gebe auch Fachpersonal, das bereits früher überprüft wurde und durch Übergangsregelungen weiterhin Zugang zu den Anlagen hat.

Dafür wird Fachpersonal benötigt

Externes Fachpersonal wird unter anderem für Demontagearbeiten, die Behandlung radioaktiver Stoffe und Bauprojekte wie das neue Blockheizkraftwerk benötigt. Oder für die Transportbereitstellungshalle, die laut Pressesprecher Hauke Rathjen vom Kernkraftwerk Brokdorf ein kritischer Baustein im Rückbau ist. Die Genehmigung wurde bereits vor sieben Jahren beantragt und steht noch immer aus. Trotzdem hält Betreiber PreussenElektra am Ziel fest, die Anlage bis Ende 2025 brennstofffrei zu machen.

So läuft der AKW-Rückbau in Norddeutschland

Während es in Schleswig-Holstein bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen hakt, scheint der Prozess in Mecklenburg-Vorpommern reibungsloser zu funktionieren. Dort gibt es nur ein Kernkraftwerk im Gemeindegebiet Lubmin bei Greifswald. Seit 1995 ist es stillgelegt, aber der Rückbau ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Auf Anfrage teilte das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt in Schwerin mit: In den vergangenen zwölf Monaten seien 436 Überprüfungen genehmigt worden. Auch in Niedersachsen läuft es flüssig - dort sind laut Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz im Jahr 2024 4039 Anträge auf Zuverlässigkeitsüberprüfungen bearbeitet worden. Zur Anzahl der Genehmigungen liegen keine Angaben vor.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.04.2025 | 09:00 Uhr