
Schleswig-Holstein Das Pferdeland Schleswig-Holstein steckt in der Wirtschaftskrise
Reiten wird immer teurer. Pferdebesitzer beklagen die hohen Tierarztgebühren. Aber auch Lohnkosten, Hufschmied und Unterstand werden teurer. Was hat das für Folgen für Züchter, Vereine und Ponyfarmen?
Uschi Danes betreibt seit 42 Jahren die Ponyfarm in Schafstedt (Kreis Dithmarschen). Ihren Bestand von 40 Ponys unterhält sie hauptsächlich durch den Ferienbetrieb. Mit einem reinen Reitschulbetrieb könne sie nur zehn Ponys halten, sagt sie.
Reitstunden: So sind die Preise
Eine 60-minütige Reitstunde in der Gruppe kostet bei ihr derzeit 20 Euro. Ein Preis, den sich immer weniger Eltern leisten können. Derzeit unterrichtet sie 30 bis 50 Kinder pro Woche. Die Zahl schwankt stark, weil viele Kinder aus den verschiedensten Gründen nicht regelmäßig zum Unterricht kommen. Ein schwer kalkulierbares Einkommen. Außerdem, so sagt sie, könne sie locker 20 Kinder mehr unterrichten.
Tierärzte arbeiteten oft 80 Stunden pro Woche
Im November 2022 wurde die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) umfassend geändert, was zu massiven Erhöhungen geführt hat. Die Änderung sei laut der Bundestierärztekammer (BTK) längst überfällig gewesen, damit Tierarztpraxen wieder wirtschaftlich arbeiten könnten.
Kai Kreling ist Vorsitzender des Ausschusses für die Gebührenordnung in der Bundestierärztekammer. Ihm zufolge seien vor der Änderung 70/80-Stunden pro Woche für viele Tierärzte und Tierärztinnen die Regel gewesen und viele Fachkräfte seien wegen der schlechten Bezahlung ins Ausland abgewandert. Einer Senkung der Gebühren steht die Bundestierärztekammer daher kritisch gegenüber. Die viel diskutierte Hausbesuchsgebühr sei laut Kai Kreling eine Art Rüstgebühr, wie sie auch Handwerker berechnen würden - zum Beispiel für das Vorhalten von Instrumenten.

Untersuchung vom Tierarzt: Eine teure Angelegeneheit für Pferdebesitzer
Tierarzt sieht auch Fehler in der Gebührenordnung
Jürgen Martens ist Tierarzt und gehört der Landeskommission des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein an. Er sagt: generell sei die Reform nötig gewesen, weil die alte Gebührenordnung seit 25 Jahren nicht der Inflationsrate entsprechend erhöht wurde. Fragwürdig sei laut Jürgen Martens aber unter anderem, dass die Hausbesuchsgebühr für jedes Pferd anfällt, auch wenn es sich um mehrere Pferde auf ein und demselben Hof handelt.
Zudem werde die GOT teilweise missbraucht, um übermäßig hohe Gebühren zu verlangen. Denn es liege im Ermessen des Tierarztes, ob er den doppelten oder sogar dreifachen Satz verlange. Auch die stark erhöhte Notfallgebühr am Wochenende sieht er kritisch. Sie führe dazu, dass Pferdebesitzer teilweise bis zum Montag warten würden, um Kosten zu sparen, obwohl eine rechtzeitige Behandlung günstiger für den Krankheitsverlauf gewesen wäre.
Pferdestammbuch: So wenige Fohlen wie noch nie
Die gestiegenen Kosten wirken sich auch auf die Zucht aus. Das Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e.V. rechnet in diesem Jahr nur noch mit rund 800 Fohlen. So wenig Nachwuchs gab es seit 40 Jahren nicht mehr. Bei den Holsteinern wurden fast ein Viertel und bei Trakehnern 20 Prozent weniger Fohlen als noch im Jahr 2019 geboren.
Kosten für die Aufzucht von Fohlen stark gestiegen
Laut der Geschäftsführerin des Pferdestammbuches Elisabeth Jensen seien die Kosten für die Aufzucht von Fohlen so stark angestiegen, dass sie für Züchter kaum noch kalkulierbar seien. Auch die Nachfrage sei schon stark rückläufig. Elisabeth Jensen erzählt, dass sie vor der neuen Gebührenordnung für die Besamung und Kontrolle zweier Stuten bis zu 800 Euro gezahlt hätte - danach rund 2700 Euro. Um Kosten zu sparen würden Stuten nun teilweise nach Holland transportiert werden. Denn dort koste das Ganze bei einer Stute nur 150 Euro.

Der Betrieb ihrer Ponyfarm ist für Uschi Danes eine leidenschaftliche Berufung.
SH hat die höchste Pferdedichte in Deutschland
Schleswig-Holstein ist das Bundesland mit der höchsten Pferdedichte. Allein 650 Millionen Euro werden hier im Jahr Bereich Pferdesport und -zucht umgesetzt. Rund 50.000 Arbeitsplätze hängen direkt am Wirtschaftsfaktor Pferd und sind durch den Rückgang im Pferdesport bedroht. Das sind zum Beispiel Stallbetreiber und Angestellte sowie Pferdewirte und Stallarbeiter. Indirekt betroffen sind auch Hufschmiede sowie Landwirte, die das Futter produzieren.
Zahl der Reit-Turniere sinkt deutlich
Laut dem Pferdesportverband (PSH) sind seit 2019 sieben Mitgliedsbetriebe und 21 Vereine in Schleswig-Holstein verschwunden. Ein Rückgang von vier Prozent. Bei Reitturnieren und Reitertagen ist der Rückgang bereits sehr viel deutlicher zu erkennen. Es gab im Vergleich zu 2019 rund 15 Prozent weniger Turniere und Reitertage und einen Rückgang von 30 Prozent bei den Starts auf Turnieren.

Immer mehr Stallgassen bleiben leer.
Auf der Ponyfarm geht es weiter - aber wie lange noch?
Uschi Danes auf der Ponyfarm hält ihre Tierarztkosten eigenen Angaben zufolge durch eine gesunde Haltung relativ gering. Sorgen machen ihr aber die steigenden Kosten für Mitarbeitende, Energie und Futter. Ihr Personal hat sie schon seit längerem reduziert - auch, weil früher noch 50 Kindern pro Woche kamen, jetzt ist es nur noch die Hälfte.
Wie lange es noch weitergeht, weiß die Ponyfarmbesitzerin nicht. Mit 67 Jahren sei sie noch fit, aber irgendwann werde auch sie verkaufen müssen. Ein Ferienreitbetrieb in der Nachbarschaft musste erst kürzlich aus Altersgründen schließen. "Das ist den Leuten zuviel Arbeit", meint Uschi Danes und macht sich selbst auch wenig Hoffnung, einen Nachfolger zu finden.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 05.06.2025 | 19:30 Uhr