
Rheinland-Pfalz Pfälzer Bauern und Winzer: 15 Euro Mindestlohn wären "dramatisch"
Noch vor dem Regierungsantritt streitet die künftige schwarz-rote Koalition über die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Der Bauern- und Winzerverband warnt in der Pfalz vor einem Höfe-Sterben, der Gewerkschaftsbund fordert eine "ehrliche Debatte".
"Viele Winzer haben Angst", berichtet der pfälzische Weinbaupräsident Roland Hörner am Telefon. 15 Euro Mindestlohn für Erntehelfer – wenn das wirklich kommt, dann müssen auch einige respektable Gemüsebaubetriebe im Gemüsegarten Vorderpfalz aufhören, sagt der Kreisvorsitzende des Bauern- und Winzerverbandes Johannes Zehfuß in Böhl-Iggelheim. Im Januar 2025 war der Mindestlohn bereits auf 12,82 Euro pro Stunde angehoben worden. Ein Anstieg auf 15 Euro hätte "dramatische" Folgen, so die Bauern und Winzer.
Mindestlohn-Pläne sorgen für Existenzängste im Gemüse- und Weinanbaugebiet
Johannes Zehfuß vom Bauern- und Winzerverband zeichnet folgendes Bild: Gemüsebauern mit 150 Hektar könnten bei 15 Euro Mindestlohn nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Sie könnten kein Gemüse mehr anbauen, das viel Handarbeit verlangt: wie Salat, Radieschen oder Spargel. Den Landwirten blieben dann nur noch zwei Möglichkeiten: Auf andere Kulturen wie Kartoffeln umzusteigen oder ganz aufzugeben.

So sahen die Bauern-Proteste Anfang 2024 aus
Bauernverband: Höfesterben wird weitergehen
Laut Bauern- und Winzerverband werden in Zukunft nur noch die größten Betriebe überleben. Jene, die sehr teure Maschinen finanzieren können, beispielsweise für Unkraut-Bekämpfung mit Laser-Technik und IT. Solche Maschinen kosten gut zwei Millionen Euro, so Johannes Zehfuß. Das könne sich sogar ein Landwirt mit 250 Hektar Anbau-Fläche nicht leisten.

Ein Traktor bearbeitet in einem Weinberg den Boden.
Bauern und Winzer fordern von der Politik eine Sonderregelung für Erntehelfer
Der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes Klaus Schneider aus Dirmstein sagte am 10. April zum 15 Euro-Mindestlohn: "Das ist ein schwerer wirtschaftlicher Schlag für die Betriebe, der die angespannte Lage für eine Vielzahl von Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter nur verschärfen wird". Personalkosten seien mit der größte Kostenfaktor für die Betriebe. Schneider kritisiert: "Die Erhöhung würde nur weiter dazu führen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Betriebe im europäischen und globalen Markt zu verschlechtern". Bauern und Winzer fordern eine Sonderregelung mit einem geringeren Mindestlohn für Erntehelfer.
Deutscher Gewerkschaftsbund: Ehrliche Debatte über Marge von Betrieben
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält eine Sonderregelung für falsch: "Wenn man wieder zu viele Ausnahmen macht, öffnet man Türen und Tore, um den Mindestlohn zu entgehen", sagt Rüdiger Stein, DGB-Geschäftsführer in der Pfalz. Ein höherer Mindestlohn stärke die Kaufkraft, und trage zur Stabilisierung der Konjunktur bei, sagt Stein.
"Wir sollten lieber eine ehrliche Debatte anstoßen: Geht es wirklich um die Existenz der Betriebe oder die Margen, die durch den Mindestlohn kleiner werden?", sagt er.
IG BAU: Arbeit als Erntehelfer in Deutschland für viele nicht mehr attraktiv
Dem stimmt Benjamin Luig zu, Fachreferent für Agrarwirtschaft der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt: „Arbeitgeber profitieren bereits von einer Vielzahl an gesetzlichen Ausnahmeregelungen: Sie können Kost und Logis vom Lohn abziehen, sie können Saisonarbeiter über die Form der kurzfristigen Beschäftigung weitgehend sozialversicherungsfrei anstellen, es gibt steuerliche Sonderregelungen und es gibt die Möglichkeit, speziell in der Landwirtschaft in der Erntezeit länger als 10 Stunden arbeiten zu lassen.“
Zwei Drittel der Erntehelfer kommen aus Rumänien, sagt Luig. Für viele von ihnen sei es nicht mehr attraktiv, für die Arbeit nach Deutschland zu kommen: "Viele Beschäftigte aus Rumänien haben sich in den beiden vergangenen Jahren dagegen entschieden, erneut nach Deutschland zu kommen um hier als Erntehelfer zu arbeiten. Einige Arbeitgeber selbst haben uns berichtet: Sie haben Probleme, neue Beschäftigte zu rekrutieren.“
Der Mindestlohn in Deutschland sollte sich an der EU-Mindestlohnrichtlinie orientieren, sagen die Gewerkschaftsvertreter. Demnach gelte ein Mindestlohn dann als angemessen, wenn er mindestens 60 Prozent des mittleren gesamtwirtschaftlichen Lohns von Vollzeitbeschäftigten entspreche - gut 15 Euro Stundenlohn.
Sendung am Mo., 14.4.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz