Der Geflüchtete Armenier Kirakosyan in einem Schutzanzug in einem Karosseriebau, wo er eine Ausbildung macht.

Rheinland-Pfalz Flüchtling, Azubi, Fachkraft - Menschen wie Tatul Kirakosyan haben es in Zukunft schwerer

Stand: 10.04.2025 20:56 Uhr

Der Armenier Tatul Kirakosyan kam 2017 nach Rheinland-Pfalz. Eine Chance auf Asyl hatte er nicht. Er ist nur geduldet. Ein Gesetz eröffnete ihm eine echte Perspektive. Dieses Gesetz läuft aus - was kommt danach?

Tatul Kirakosyan liebt seinen Beruf: Er schleift, spachtelt und lackiert ramponierte Autos. Noch ist Kirakosyan Auszubildender in einem Karosseriebetrieb in Trier. Aber im Sommer wird er voraussichtlich seinen Abschluss in der Tasche haben. Dann steht er dem Arbeitsmarkt als volle Arbeitskraft zur Verfügung - als Fachkraft, die in so vielen Bereichen dringend gesucht werden.

Chancenaufenthaltsrecht – Chance oder falscher Anreiz

Von der Duldung in eine Zukunft mit Perspektive

Der 37-jährige Armenier kam 2017 in die Region Trier. Als geflüchteter Armenier bekam er kein Asyl. Sein Status ist seitdem: Duldung. Dass er jetzt eine wirkliche Perspektive in Deutschland, in Rheinland-Pfalz hat, wurde erst durch das so genannte Chancenaufenthaltsrecht möglich.

Was ist das Chancenaufenthaltsrecht genau?

Das Chancenaufenthaltsrecht ist ein bis zum 31.12.2025 befristetes Gesetz. Es gibt Flüchtlingen, die eigentlich keine Chance auf Asyl haben und im Status der Duldung festhängen, die Möglichkeit, ein "Aufenthaltsrecht auf Probe" zu bekommen. 18 Monate lang haben sie dann einen rechtssicheren Titel. Um in dieses Programm zu kommen, müssen sie zum einen Voraussetzungen erfüllen - zum Beispiel nicht wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt sein. Zum anderen müssen sie während der 18-monatigen Laufzeit gewisse Leistungen erbringen.

Diese Leistungen müssen die Flüchtlinge erbringen

Dabei geht es vor allem um Integrationsleistungen. Wer in das Programm kommt, muss sich um seine Deutschkenntnisse kümmern - darf aber auch an Deutschkursen teilnehmen. Er oder sie muss außerdem dafür sorgen, dass am Ende der Probephase klar ist: Ich kann meinen Lebensunterhalt weitgehend selbstständig bestreiten. Zudem müssen sie im Regelfall ihre Identität in den 18 Monaten klären.

Wie viele Flüchtlinge wurden in das Programm aufgenommen?

Das Programm ist seit Anfang 2023 in Kraft. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben deutschlandweit bis September 2024 mehr als 76.000 geduldete Menschen einen "Aufenhalt auf Probe" genehmigt bekommen. Das seien etwa 30 Prozent der Geflüchteten in Duldung.

In Rheinland-Pfalz haben rund 4.000 Geflüchtete Anspruch auf das Chancenaufenthaltsrecht. Bis zum Juli 2024 stellten mehr als 2.000 Menschen einen Antrag. Nur wenige Anträge wurden abgelehnt, ein Teil war bis zum Stichpunkt noch nicht entschieden. Seit Juli vergangenen Jahres müssen keine Daten mehr geliefert werden - die Ausländerbehörden sollen entlastet werden. 

Handwerkskammer Trier ist Fan des Programms

Bei der Handwerkskammer Trier hat man positive Erfahrungen mit dem Aufenthalt auf Probe gemacht: "Dieses Chancenaufenthaltsrecht, war ideal für Tatul. Mit diesem Chancenaufenthaltsrecht bekam er tatsächlich die Möglichkeit, in eine Ausbildung zu gehen, und damit hat er einen Berufsabschluss im Sommer und kann dann als Fachkraft seinen Lebensunterhalt bestreiten", so das Fazit von Aurita Jankauskaite-Lepage von der Handwerkskammer Trier. Sie hat Kirakosyan auf seinem Weg begleitet und unterstützt - bei Gesprächen mit der Ausländerbehörde genauso wie bei seinem Arbeitgeber.

Migration, Fachkräftemangel - das sagt der Chef von Kirakosyan

Peter Marx ist der Chef von Tatul Kirakosyan. Der Fachkräftemangel ist auch bei ihm spürbar angekommen. Deshalb ist er froh, dass Geflüchtete über das Chancenaufenthaltsrecht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

"Deutschland braucht Zuwanderung. Definitiv. Es gibt ja viele Branchen, in der Autobranche ist es vielleicht noch ein klein bisschen besser, da kann man irgendwo noch ein paar Jungs begeistern, aber wenn man jetzt in die Pflege geht, oder Bekannte von mir, die probieren als Bäcker oder als Metzger irgendwo Leute zu bekommen, das ist wirklich sehr schwierig", beschreibt Marx die Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Wie stehen CDU und SPD in Rheinland-Pfalz zu dem Gesetz?

Doch wie geht es weiter? Das Chancenaufenthaltsrecht läuft Ende des Jahres aus. Die Union findet das richtig, sie lehnte das Gesetz ab. Dirk Herber, rheinland-pfälzischer CDU-Landtagsabgeordnete und Innenexperte, meint:

"Das Chancenaufenthaltsrecht zielt auf Menschen ab, die bereits fünf Jahre bei uns in Deutschland geduldet werden. Das heißt, über die fünf Jahre hatte jeder dieser Menschen die Chance, sich zu integrieren. Hatte seine Chance, seine Identität zu klären. Und das sind Regelungen, mit denen können wir nicht mehr weiterarbeiten."

Aufenthalt auf Probe - und wie geht es weiter?

Das Verfahren zielt darauf ab, dass die Menschen sich nachhaltig integrieren und dann innerhalb der 18 Monate einen weiteren Antrag auf Aufenthalt stellen können.

In einer ersten Kurzanalyse schreibt das BAMF: "Bislang erhielten 15 Prozent der Personen nach ihrem Chancen-Aufenthalt einen anderen Aufenthaltstitel, während etwa 2,5 Prozent erneut ausreisepflichtig wurden." Das BAMF weist allerdings darauf hin, dass eine abschließende Bewertung erst nach Auslaufen des Gesetzes zum Jahresende 2025 möglich ist.

Was plant die künftige Bundesregierung?

Ob das Chancenaufenthaltsrecht fortgeführt wird, war auch Streitpunkt in den Koalitionsgesprächen von Union und SPD. Bei der Vorstellung der Ergebnisse wurde klar: Es gibt auch künftig eine Chance für geduldete Flüchtlinge, bleiben zu dürfen - nur die Anforderungen werden strenger.

So müssen die Menschen jetzt bereits zum Start ausreichend Deutsch können, seit einem Jahr eine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben und eine geklärte Identität. Den genauen Wortlaut können Sie im Infokasten nachlesen:

Das steht im Koalitionsvertrag
"Bleiberechte Für geduldete Ausländer, die gut integriert sind, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen und durch ein bestehendes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis seit zwölf Monaten ihren Lebensunterhalt überwiegend sichern, deren Identität geklärt ist, die nicht straffällig geworden sind (analog § 60d Absatz 1 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz) und die sich zum 31.12.2024 seit mindestens vier Jahren ununterbrochen in Deutschland aufgehalten haben sowie die Voraussetzungen von §§ 25a, b Aufenthaltsgesetz noch nicht erfüllen, werden wir einen befristeten Aufenthaltstitel schaffen. Die weitere Ausgestaltung bleibt dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Die Regelung tritt zum 31.12.2027 außer Kraft." Quelle: Verantwortung für Deutschland, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 21. Legislaturperiode

Trotz der wesentlich höheren Hürden ist die SPD dennoch mit der geplanten neuen Regelung zufrieden: "Das ist schon mal gut, dass es eine Nachfolgeregelung gibt, auch das war ja nicht immer ganz unstrittig. Und das zeigt jetzt: Wer ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hat, länger als ein Jahr, hat dann auch einen dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland" sagt Daniel Baldy, SPD-Bundestagsabgeordneter.

Flüchtlingsrat kritisiert die neue Regel

Kritik kommt dagegen vom Flüchtlingsrat. Für geduldete Geflüchtete sei die Koalitionsvereinbarung deutlich schlechter.  "Der Hauptkritikpunkt von unserer Seite ist, dass die Hürden für diese neue Auflage vom Chancenaufenthaltsrecht einfach zu hoch sind. Es wird kaum jemand erfüllen können, der nicht auch ein Bleiberecht erfüllen kann", begründet Isaak Wittig vom Flüchtlingsrat seine Kritik.

Für Tatul Kirakosyan treffen diese verschärften Regeln nicht mehr zu. Er konzentriert sich jetzt auf seine Gesellenprüfung im Sommer. Wenn er die besteht und eine feste Arbeitsstelle findet, dürfen er und seine Familie in Deutschland bleiben. 

Sendung am Do., 10.4.2025 20:15 Uhr, Zur Sache Rheinland-Pfalz, SWR RP

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