Ein Offshore-Windpark in der Nordsee

Niedersachsen Stromtrassen-Bau: Langeoog bangt um seine Süßwasserreserven

Stand: 03.06.2025 09:41 Uhr

Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und Tennet planen, acht Stromtrassen unter der ostfriesischen Insel Langeoog zu verlegen. Auf der Insel wird befürchtet, dass diese direkt unter den Süßwasserlinsen verlaufen könnten.

Von Peter Becker

Urlauber, die mit der Fähre nach Langeoog fahren, können vom oberen Deck aus das Accumer Ee gut erkennen: So heißt die Lücke zwischen Langeoog und der Nachbarinsel Baltrum. Geologen nennen die Durchlässe zwischen den Inseln Gatten. Bei Seglern sind sie berüchtigt für ihre starken Strömungen. Sie sind auch der Grund, weshalb die Übertragungsnetzbetreiber dort keine Stromkabel verlegen wollen. Mit Europipe I und II liegen zwar bereits zwei Gaspipelines zwischen den Inseln, die sind allerdings schwerer als die Stromleitungen. Letztere könnten bereits nach kurzer Zeit freigespült werden.

Unter Norderney liegen bereits erste Trassen

Die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und Amprion müssen also andere Wege finden, um die Offshore-Windparks in der Nordsee mit dem Festland zu verbinden. Der Plan ist, die Stromtrassen unter den Inseln Norderney, Baltrum und Langeoog verlaufen zu lassen. Unter Norderney liegen bereits erste Trassen; im Sommer will Tennet auf Baltrum erst einmal zur Probe bohren: Im Watt vor Baltrum wurde bereits eine gewaltige Arbeitsplattform installiert, welche über eine rund 600 Meter lange Seebrücke mit der Insel verbunden ist.

Stromkabel könnten direkt durch Süßwasserlinsen laufen

Vom alten Wasserturm auf Langeoog blickt Onno Brüling auf eine große Arbeitsplattform vor dem Südstrand der Nachbarinsel. Der 43-Jährige ist erst seit wenigen Wochen neu gewählter Bürgermeister der Inselgemeinde. Und schon muss sich der CDU-Politiker mit existenziellen Sorgen der Insulaner auseinandersetzen: Unter Langeoog sollen, nicht wie auf Baltrum fünf, sondern gleich acht Stromtrassen verlegt werden. Seitdem Tennet die Pläne bekannt gegeben hat, fürchten nicht wenige, der Netzbetreiber könnte die Stromkabel knapp unter oder sogar direkt durch die Süßwasserlinsen auf Langeoog verlegen.

Bürgermeister Onno Brüling (CDU) und Bärbel Kraus (Grüne) stehen auf Langeoog.

Bürgermeister Onno Brüling (CDU) und Bärbel Kraus (Grüne) hoffen und fordern, dass nicht durch die Süßwasserlinsen gebohrt wird.

Süßwasserlinsen werden für Trinkwasser genutzt

Die Süßwasserlinsen sind natürliche Trinkwasserspeicher unter den Ostfriesischen Inseln. Über Jahrzehnte ist Regenwasser in den Boden gesickert und hat sich in bogenförmigen Blasen angesammelt. Weil Süßwasser eine geringere Dichte als Salzwasser hat, ist es leichter als das salzhaltige Meerwasser. Deshalb schwimmt das Süßwasser auf dem Salzwasser. Die Inseln nutzen diese natürlichen Süßwasserspeicher, um sich aus ihnen mit Trinkwasser zu versorgen oder bewahren sie als stille Reserve. Langeoog verfügt über gleich vier Süßwasserlinsen, nur aus einer von ihnen wird derzeit durch Brunnen Wasser entnommen.

"Versorgen uns autark mit unserem Süßwasser"

Würde durch die Arbeiten Bohrschlamm oder Salzwasser in die Süßwasserlinsen eindringen, könnte das Trinkwasser ungenießbar werden, sagt Bürgermeister Brüling: "Wir versorgen uns autark mit unserem Süßwasser. Und für uns ist es ganz wichtig, dass das so bleibt." Im Gemeinderat sind sich die Parteien einig: Es soll verhindert werden, dass die Stromtrassen die Süßwasserlinsen queren. Und der Bürgermeister von Langeoog sagt: "Wir müssen versuchen, dass wir es möglichst umweltverträglich hinbekommen. Da sehen wir im Moment noch große Probleme."

Eine Grafik zeigt den Verlauf der Süsswasserlinsen auf Langeoog.

Würde durch die Arbeiten Bohrschlamm oder Salzwasser in die Süßwasserlinsen eindringen, könnte das Trinkwasser ungenießbar werden, sagt Bürgermeister Onno Brüling (CDU).

Stromtrassen sollen weiter entfernt verlegt werden

Die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und Amprion weisen auf eine Risikoanalyse hin, die sie in Auftrag gegeben haben. Demnach sei der Einfluss auf Süßwasserlinsen gering, wenn wie vorgesehen gebohrt wird. Bärbel Kraus - für die Grünen im Rat der Inselgemeinde - beruhigt das nicht: "Die Süßwasserlinse hat ungefähr eine Tiefe von 50 Metern. Und die Querung wird nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber genau auf der Ebene von 50 Metern die Linse passieren. Eine Berührung ist also extrem wahrscheinlich." Deshalb hat Bärbel Kraus bei der letzten Ratssitzung gegen die bisher bekannten Pläne gestimmt - so wie alle Fraktionen im Rat. Die Langeooger wollen jetzt Tennet davon überzeugen, die Stromtrassen weiter entfernt von den Süßwasserlinsen zu verlegen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 03.06.2025 | 19:30 Uhr