
Hessen Stadt Gießen zahlt 27.000 Euro im Monat für leere Kita
In Gießen soll in bester Innenstadtlage eine Kita entstehen. Doch seit Anfang des Jahres steht sie leer, obwohl die Stadt eine hohe Miete dafür zahlt. Der Träger ist abgesprungen und kein neuer in Sicht.
Es hätte eine Win-Win-Situation sein können: Ein leerstehendes Geschäftsgebäude in der Gießener Fußgängerzone Seltersweg wird umgewidmet, eine Zweigstelle der Unibibliothek, Büros, Wohnungen und eine neue Kita ziehen ein. Neue Betreuungsplätze werden geschaffen - in Gießen fehlen rund 400 - und gleichzeitig wird die Innenstadt neu belebt.
So die Theorie. Doch seit Anfang des Jahres stehen die 1.247 Quadratmeter Kita-Räume leer, obwohl die Stadt Mietkosten in Höhe von rund 27.000 Euro monatlich dafür zahlt. Der Grund: Der geplante Träger, der Verein Lebenshilfe, ist aus Kostengründen ausgestiegen.
Wer trägt das finanzielle Risiko?
Der Verein und die Stadt konnten sich nicht auf die Finanzierung der Kita einigen, wie die Stadt auf hr-Anfrage bestätigte. Zuerst hatte die Gießener Allgemeine darüber berichtet.
Allein die Mietkosten für die Immobilie seien hoch und es bestehe das Risiko, die Kita nicht komplett kostendeckend betreiben zu können, berichtet Rebecca Neuburger-Hees, Leiterin des Bereichs Kinder, Jugend, Beraten und Unterstützen beim Verein Lebenshilfe. Dieses Risiko hätte bei Lebenshilfe gelegen.
Lebenshilfe habe vor einigen Jahren bereits eine Kita in Gießen eröffnet. Damals habe die Stadt das Risiko übernommen. Nun sei der Verein davon ausgegangen, dass die Finanzierung der neuen Kita genauso laufen würde, sagt Neuburger-Hees.
Personal stand schon bereit
In den Umbau der neuen Immobilie durch das Bauunternehmen Faber&Schnepp sei Lebenshilfe deswegen von Beginn an involviert gewesen, erzählt Neuburger-Hees. Im November 2023 habe der Verein einen Mietvertrag mit dem Unternehmen geschlossen. Die Stadt stieg später als Backup in den Mietvertrag mit ein.
Stadt und Lebenshilfe schlossen eine Vereinbarung: Demnach sollte die Stadt einen Zuschuss zu den Betriebskosten der Kita zahlen und damit unter anderem die Mietkosten komplett abdecken - wie für die anderen Kita-Träger in der Stadt auch.

Hier gehen noch keine Kinder ein und aus.
Im April 2024 habe die Stadt dann aber mitgeteilt, das Abrechnungssystem ändern zu wollen. Die Finanzierung der Gießener Kitas sei nicht mehr wie bisher machbar. Letztendlich sollte ein gewisses Risiko, Verluste zu machen, beim Träger bleiben - ein Problem für Lebenshilfe, sagt Neuburger-Hees. Denn der Verein sei auf Spenden angewiesen, die er nicht in laufende Betriebskosten stecken könne.
Deswegen sei Lebenshilfe "zu unserem großen Bedauern" zurückgetreten, sagt Neuburger-Hees - "trotz der Zeit und der Ressourcen, die wir schon hineingesteckt hatten". Auch Personal für die Kita, die Platz für 70 Kinder bieten sollte, habe schon bereitgestanden. Das sei nun in anderen Kitas untergebracht.
Stadt will und muss Kita einrichten
Wann die Räume nun bezogen werden, ist nicht ganz klar. Die Stadt hält an den Plänen fest, dort eine Kita einzurichten, nur das bestätigte eine Sprecherin auf Nachfrage. Eine andere Nutzung wäre auch gar nicht möglich, denn im Mietvertrag wurde laut Lebenshilfe die ausschließliche Nutzung der Räume als Kita festgelegt.
Nun sucht die Stadt einen neuen Träger. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass sie die Kita selbst betreibt. Der Mietvertrag läuft noch bis zum 31. Dezember 2039.
Die kurzfristige Lösung: Wenn Gießener Kitas saniert werden, sollen die Kinder in dieser Zeit in den Räumen im Seltersweg betreut werden. Wann genau das erstmals der Fall sein wird, steht allerdings auch noch nicht fest.