
Hessen Prominente Unterzeichner: Hanau-Überlebender initiiert offenen Brief gegen Gaza-Krieg
Sie üben Kritik an der Nahost-Politik Deutschlands: Rund 50 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft haben einen offenen Brief an die Bundesregierung geschickt. Der Initiator des Briefs kommt aus Hanau.
Immer wieder sieht er Bilder von verletzten, hungernden und getöteten Menschen im Gazastreifen, darunter Kinder: im Fernsehen, in Zeitungen oder in den sozialen Medien. "Unerträglich", findet Said Etris Hashemi das. Einfach nur wegschauen – das kann und will er nicht mehr. Und damit ist er nicht allein.
Hashemi weiß, was Schmerz und Leid bedeuten, noch dazu, wenn Unschuldige betroffen sind: Der 28-Jährige hat den rassistischen Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 schwer verletzt überlebt, dabei seinen Bruder Said Nesar und mehrere seiner Freunde verloren. Den Schmerz und das Leid Unschuldiger sieht er jetzt wieder: im Gaza-Krieg.
Hashemi beklagt humanitäre Katastrophe im Gazastreifen
"Wir erleben seit Monaten eine humanitäre Katastrophe – dokumentiert in Echtzeit, sichtbar für die ganze Welt", sagt Hashemi. "Wer politische Verantwortung trägt und weiter schweigt oder abwartet, macht sich mitschuldig." Klare Worte, gerichtet sind sie an die Bundesregierung.
Seine Forderungen hat Hashemi nun zu Papier gebracht, in einem offenen Brief. Für diesen hat der Hanauer prominente Unterstützung gefunden: Rund 50 Menschen aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft haben unterschrieben.
Die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Duchrow, Tatort-Schauspieler Edin Hasanović, Comedian Kurt Krömer, Komikerin und Aktivistin Enissa Amani sowie der Gründer von Pro Asyl, Jürgen Micksch und Klimaaktivistin Luisa Neubauer sind einige der Erstunterzeichnenden.

Said Etris Hashemi in den Räumen der "Initiative 19. Februar"
Unterzeichner: Merz soll sich für Waffenstillstand einsetzen
In diesem Brief, der dem hr vorliegt und in der Nacht zum Mittwoch an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag geschickt wurde, fordern sie "eine menschenrechtsbasierte Nahost-Politik" am Beispiel anderer Länder wie Spanien oder Kanada, "um weiteres Leid der Zivilbevölkerung zu verhindern". Kurzum: Sie fordern eine Positionierung Deutschlands im Nahost-Konflikt.
Deutschland habe aufgrund seiner historischen Schuld eine besondere Verantwortung, heißt es in dem Brief: "sowohl für die Einhaltung des Völkerrechts und der universellen Menschenrechte als auch für den Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus." Deshalb müsse sich die Bundesregierung für einen sofortigen und anhaltenden Waffenstillstand einsetzen, finden die Unterzeichnenden.
Die Terrororganisation Hamas hatte Israel am 7. Oktober 2023 mit tausenden Raketen angegriffen. Rund 1.200 Menschen wurden beim Angriff getötet und mehr als 200 Geiseln verschleppt. Die Bundesregierung verurteilte den brutalen Terrorangriff. Nach eigenen Angaben unterstützt sie Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit. Sie verweist zugleich darauf, dass Hilfslieferungen die Zivilbevölkerung in Gaza erreichen müssten.
Social-Media-Kampagne und Petition geplant
Hashemi ist stolz darauf, dass er für seine Ansichten so viele prominente Unterstützerinnen und Unterstützer finden konnte. Zufrieden sei er aber erst, wenn er mit dem Brief sein Ziel erreicht habe: Frieden in Gaza.
Das bedeute auch, Rüstungsexporte nach Israel zu prüfen und auszusetzen, die das Überleben der Geiseln und der palästinensischen Zivilbevölkerung gefährden könnten. Deutschland solle zudem erklären, sich an internationales Recht zu halten und gegebenenfalls Haftbefehle gegen israelische Politiker zu vollstrecken.
Um zumindest den Druck auf die Bundesregierung weiter zu erhöhen, ist eine Social-Media-Kampagne geplant. Es gibt zudem eine Petition, sodass der offene Brief auch von der Zivilgesellschaft unterzeichnet werden kann.