Hessens erster Elektrobus im öffentlichen Personennahverkehr

Hessen In Hessen schlagen die ersten Klimabeiräte Alarm

Stand: 04.06.2025 11:28 Uhr

In vielen hessischen Städten und Gemeinden sind in den letzten Jahren Klimabeiräte gegründet worden. Oft sind es Ehrenamtliche und Experten, die die Politik in Sachen Klimaschutz beraten. Es geht aber nicht schnell genug voran.

Von Ursula Mayer

Sabine Stelter ist aus Protest als Sprecherin des Klimabeirats in Friedrichsdorf letzten Monat zurückgetreten. Die 56 Jahre alte Lehrerin findet es inakzeptabel, dass die Stadt ursprünglich bis 2035 klimaneutral werden wollte. Doch dieses Ziel will sie nun erst zehn Jahre später erreichen, nämlich im Jahr 2045.

Einen entsprechenden Antrag von CDU und FDP hätte die Mehrheit der Stadtverordneten akzeptiert, kritisiert Stelter. Der Klimabeirat sei dabei nicht mit einbezogen worden. "Das hat mich aufgeregt, denn in dem Beirat sitzen nicht nur irgendwelche Klimafanatiker, sondern Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen, etwa der ADFC, der Nabu, der Jugendbeirat und der Seniorenrat", so Stelter.

Wie teuer kommt uns die Klimaneutralität?

Den Antrag bezeichnet die ehemalige Sprecherin des Klimabeirats als "schlampig". Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Stadt mit dem Klimaschutz mehr Zeit lasse. Das Hauptargument in dem Antrag ist laut Stelter: Wenn Friedrichsdorf früher klimaneutral wird, wird es für die Friedrichsdorfer teurer. Das stimmt ihrer Meinung nach nicht.

Den Vorwurf hält der Friedrichsdorfer Bürgermeister Lars Keitel (Grüne) für berechtigt. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, finanziell sei es für die Kommune sinnvoll, möglichst früh klimaneutral zu werden, weil die CO2-Preise steigen würden. Da die Entscheidung nun aber gefallen sei, müsse die Stadt sie umsetzen.

Keitel bedauert Stelters Rücktritt. Wie es mit dem Klimabeirat weitergeht, wird die Stadt mit dem Gremium am 4. Juni in einer Sondersitzung diskutieren.

Wiesbaden - in Sachen Klima kein Vorbild

Auch in Wiesbaden rumort es, dabei wollte die Landeshauptstadt ebenfalls mit gutem Beispiel voranschreiten und bis 2035 klimaneutral werden. Aktuellen Gutachten zufolge dürfte es allerdings auch hier frühestens 2045 so weit sein.

Das beobachtet der Wiesbadener Klimaschutzbeirat mit Sorge, gerade angesichts der zunehmenden Wetterextreme. "Es ist eine Katastrophe, weil uns die Zeit allmählich davon läuft", sagt der Vorsitzende des Beirats Dirk Vielmeyer: "Je früher wir die Klimaneutralität erreichen, desto eher verhindern wir schlimme Folgen."

Offenbar ist für Klimaschutz wenig Geld übrig

Allerdings müssen die Klimaziele Vielmeyer zufolge auch umsetzbar sein. Er zeigt Verständnis für die schwierige finanzielle Lage der Landeshauptstadt. Die hatte im vergangenen Jahr mit einem Defizit von knapp 129 Millionen Euro abgeschlossen.

So wie sie haben zahlreiche hessische Kommunen 2024 Verlust gemacht. Alle zusammengenommen, belief sich das Finanzierungsdefizit letztes Jahr auf 2,6 Milliarden Euro, meldete das Statistische Landesamt in Wiesbaden Anfang April. Angesichts der klammen Kassen droht der Klimaschutz unter die Räder zu kommen. Viele Klimabeiräte in Hessens Kommunen wurden freiwillig gegründet.

Bei der Stadt Wiesbaden heißt es: Egal ob Fernwärmeleitungen, Wärmespeicher oder die Elektrifizierung von Bussen. Das alles könne die Stadt nicht allein zahlen. Sie sei angewiesen auf Fördermittel, doch seien die Programme oft auf das Jahr 2045 angelegt, da der Bund selbst bis dahin klimaneutral werden wolle. Damit würde das Geld langsamer fließen. Daneben fehle es an fachkundigem Personal.

In Kronberg gibt es keinen Klimabeirat mehr

Frust herrscht auch beim Klimabeirat in Oberursel. Der Vorsitzende Peter Cornel berichtet, die Gruppe habe der Stadt beispielsweise empfohlen, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und CO2-emissionsfrei zu gestalten. Doch nun wolle die Stadt etwa das Angebot an Bussen reduzieren. So wie hier müssen die Gremien in vielen Fällen aushalten, dass ihre Empfehlungen nicht unmittelbar umgesetzt werden.

Die Stadt Oberursel wiederum beteuert: Langfristig wolle man den öffentlichen Nahverkehr durchaus stärken und weiterentwickeln. Die geplanten Reduzierungen seien aber vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage und den erheblich gestiegenen Kosten im ÖPNV notwendig. Trotzdem sieht sich die Stadt beim Nahverkehr weiter sehr gut aufgestellt. Die festgelegten Klimaziele verfolge man konsequent im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Weil es in Kronberg zwischen der Stadtpolitik und dem Klimabeirat auch nicht rund lief, hat sich das Gremium im Januar sogar aufgelöst. Daraus ist eine von der Politik unabhängige Klimainitiative entstanden, die sich nach eigenen Angaben in der Themenwahl freier fühlt und auch in Zukunft mit der Stadt zusammenarbeiten will.

Wirtschaft und Klima - passt das zusammen?

Der wissenschaftliche Klimabeirat, der die hessische Landesregierung berät, hatte letztes Jahr auch schon erfolgslos die Förderung der Kernfusion in Hessen kritisiert. Mit der Begründung, das Land investiere viel Geld, dabei werde die Technologie absehbar keinen Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität leisten.

Trotzdem habe man damals die Einschätzung des Klimabeirats auf jeden Fall zur Kenntnis genommen, teilte das hessische Umweltministerium rückblickend mit.

Laut dem hessischen Koalitionsvertrag könnte der wissenschaftliche Klimabeirat künftig erweitert werden, etwa durch Vertreter der Wirtschaft. "Aber da geht es um Quartalsergebnisse, Unternehmensgewinne, das ist eine ganz andere Art, über Klima nachzudenken", kritisiert der Vorsitzende des Beirats Sven Linow. Deshalb spricht er sich gegen eine Erweiterung aus.

Auch da hat man beim hessischen Umweltministerium Gegenargumente: Die Landesregierung sei überzeugt, dass Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels nur mit der Akzeptanz derer funktioniere, die die Maßnahmen umsetzen sollen. Deshalb sei es sinnvoll, Lösungsvorschläge nicht nur mit der Wirtschaft zu erarbeiten, sondern zum Beispiel auch mit den Gewerkschaften, den Kommunen und diversen Verbänden.