
Hessen "Eisenbahner mit Herz": Zugbegleiter schützt Frau vor aggressivem Verfolger
Eine Frau wird am Bahnhof Gießen von einem Mann bedrängt. Zugbegleiter Ekrem Erdem beschützt sie vor ihrem Verfolger, der so schnell aber nicht aufgeben will. Für sein Eingreifen wurde er als "Eisenbahner mit Herz" ausgezeichnet. Den Preis würde er gerne mit einem tierischen Helfer teilen.
Es ist ein heißer Julitag im Jahr 2024. Auf Bahnsteig 4 im Gießener Bahnhof wartet Ekrem Erdem auf den Zug zu seinem nächsten Einsatzort Frankfurt. Am Bahnsteig herrscht Getümmel. "In dem Moment werde ich von einer jungen Frau angetippt, die völlig außer sich und am Weinen war", erinnert sich der Zugbegleiter.
Die Frau heißt Elide Marous und ist unterwegs nach Dresden. Kurz zuvor hatte sie einen Unbekannten nach dem Weg gefragt – danach beginnt der Mann, sie zu verfolgen und zu bedrängen. "Ich war nur noch in Panik", sagt Marous später.
Verfolger randaliert
Sie habe nicht gewusst, ob der Mann vielleicht sogar bewaffnet ist. Auch Erdem hat sofort das Gefühl, dass mit dem Mann etwas nicht stimmt. "Er hat die ganze Zeit auf uns gestarrt." Der Zugbegleiter vermutet, dass der Verfolger unter Drogeneinfluss steht.
Als der Zug Richtung Frankfurt einfährt und alle einsteigen, nimmt Erdem die Reisende kurzerhand mit in die erste Klasse und informiert seine Kollegen, wie er schildert. Den aggressiven Mann habe er aber weiter im Auge behalten. Dieser habe mitten im Gedränge angefangen zu randalieren und mehrmals versucht, in die erste Klasse zu kommen. Er habe gebrüllt, Marous sei seine Frau und er könne mit ihr machen, was er wolle.
Zugbegleiter bekommt unerwartete Hilfe
Für Erdem, der seit vier Jahren bei der Hessischen Landesbahn arbeitet, ist klar: Er muss die Polizei einschalten. Er habe organisiert, dass die Beamten den Mann bei der Ankunft in Frankfurt am Bahnsteig erwarten, berichtet er. Aber bis dahin müssen wir es irgendwie schaffen, habe er sich gedacht.
Dann bekommt der 46-Jährige unerwartete Hilfe. In einem anderen Abteil habe er eine Frau mit einem Hund entdeckt, einem schwarzen Labrador namens Lana. Er bittet sie, mit dem Hund zu ihnen in die erste Klasse zu kommen. Lana sei direkt zu Marous gelaufen und habe beruhigend den Kopf auf ihren Schoß gelegt. "Der Hund wusste, was er zu tun hat", sagt Erdem beeindruckt.
Kurz vor Frankfurt wird die Situation brenzlig, wie der Zugbegleiter erzählt. Der Zug kommt unerwartet zum Stehen. Der Verfolger hat die Notbremse gezogen und die Notentriegelung betätigt, so dass die Türen auf offener Strecke aufspringen. Erdem sagt, er habe eingreifen müssen, um Mitreisende davon abzuhalten, auf offener Strecke auszusteigen.
Verfolger schafft es in erste Klasse
Das Ganze ist wohl nur ein Ablenkungsmanöver: Denn plötzlich entdeckt Erdem den Mann hinter sich – in der Nähe von Marous. Sofort sei er zurückgeeilt und habe sich zwischen ihn und die Frau gestellt, erzählt er. Hündin Lana habe sich schützend vor ihn gesetzt.
Wenig später erreicht der Zug Frankfurt. Die Polizei habe den Mann noch im Zug festgenommen, erzählt Erdem. Er begleitet Marous zu ihrem Anschlusszug nach Dresden. Erst dann kommt er dazu, durchzuatmen und sich eine Zigarette anzuzünden. "Und anschließend habe ich mir einen Kaffee geholt."
Ausgezeichnet für sein Eingreifen
Er habe sie nie allein gelassen, sagt Marous über den Zugbegleiter: "Das muss man einfach auszeichnen." Deshalb hat sie ihn nur wenige Tage nach dem Vorfall für den Preis "Eisenbahner mit Herz 2025" vorgeschlagen. Für sein Eingreifen in dieser brenzligen Situation ist Erdem am Mittwoch in der höchsten Kategorie ausgezeichnet worden.
Die Auszeichnung sei für ihn eine Ehre, so Erdem. Auch wenn er sagt, am liebsten würde er sich den Preis mit Labradorhündin Lana teilen. "Einfach klasse, der Hund."