
Hessen 50 Jahre Deutsche Märchenstraße: Touristen aus aller Welt werden verzaubert
Was haben ein Fachwerkhaus, eine VR-Brille und Gäste aus Hongkong gemeinsam? Sie gehören zur Erfolgsgeschichte der Deutschen Märchenstraße, die seit 50 Jahren zeigt, wie Tourismus und Erzählkunst perfekt zusammenpassen.
Es ist ein Bild wie aus einem Märchenbuch: Eine steinerne Treppe führt zu einer großen Holztür, daneben ein Turm mit spitzem Dach. Das Fachwerkhaus mit Innenhof ist eindrucksvoll - und historisch bedeutsam: Hier, im Amtshaus von Steinau an der Straße (Main-Kinzig), sind die Sprachwissenschaftler und Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm aufgewachsen. Heute gehört das Gebäude zu den wichtigsten Stationen auf der Deutschen Märchenstraße - und ist Schauplatz einer ungewöhnlichen Stadtführung.
Denn wer sich von Stadtführerin Renate Kania durch Steinau führen lässt, kann das auch mit Virtual-Reality-Brille tun. Eine virtuelle Zeitreise versetzt Besuchende in die Kindheit der Brüder Grimm und damit direkt in den malerischen Innenhof.
Ausflug in die virtuelle Vergangenheit
"Hier im Amtshof war früher immer sehr viel los", erklärt Kania. "Deswegen würde ich vorschlagen: Sie dürfen die Brille aufsetzen und wir schauen uns an, was hier so los war." Und schon beginnen die Gänse zu schnattern und die jungen Jacob und Wilhelm spielen - virtuell.
Nach dem Ausflug in die virtuelle Vergangenheit führt Renate Kania weiter durch die verwinkelte Altstadt von Steinau. "Wir sind mit Herzblut dabei, egal in welcher Form der Führung", sagt sie. "Man will den Gästen den Ort und die schönen Dinge zeigen, die es hier zu sehen gibt. Dass die berühmten Brüder Grimm hier lebten, das ist natürlich etwas ganz Besonderes."

Vor genau 50 Jahren wurde deshalb in Steinau die Deutsche Märchenstraße gegründet. Von Hanau verläuft sie über Steinau, Marburg und Kassel bis nach Bremen. Insgesamt liegen rund 65 Kommunen und Regionen auf der Strecke.
"Kulturtouristisches Kapital"
Der Gedanke dahinter: "Kulturtouristisch Kapital daraus zu schlagen", sagt Benjamin Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Märchenstraße. "Durch viele Gespräche kam dann die Idee auf, von der Geburtsstadt der Brüder Grimm bis zu den Bremer Stadtmusikanten eine Route zu bilden und sich gemeinsam mit den Märchen zu vermarkten."
Die Märchenstraße zieht Menschen aus aller Welt an - etwa nach Bad Wildungen (Waldeck-Frankenberg), wo Schneewittchen seine nordhessischen Wurzeln hat, oder in kleine Fachwerkstädtchen mit märchenhaften Altstadtkernen. In den vergangenen Jahren kamen Touristen aus Bolivien, Hongkong, Neuseeland oder Südafrika nach Steinau, wie das dortige Verkehrsbüro meldet.

Das ehemalige Amtshaus in Steinau.
Die Deutsche Zentrale für Tourismus zählt die Märchenstraße unter den Top-100-Reisezielen auf. Aber wie viele Reisende kommen jetzt wegen den Märchen nach Hessen? "Das hat tatsächlich noch nie jemand gezählt, denn es wäre total kompliziert zu zählen", sagt Dominik Kuhn, Stadtsprecher in Hanau.
Auf der Suche nach dem romantischen Deutschland
Es gebe sowohl aus europäischen Nachbarländern als auch aus Übersee Anfragen, heißt es vom Märchenstraßen-Verein: "Viele verstehen die Märchenstraße als Einladung, sich auf die Suche nach dem romantischen Deutschland zu machen - weil sich dieses Bild so eng mit den weltweit bekannten Märchen der Brüder Grimm verbindet."
Die zahlreichen Angebote entlang der Strecke würden die Attraktivität des Reiselandes Hessen stärken, sagt Herbert Lang von Hessen Touristik: "Besonders stolz sind wir auf die weltweite Aufmerksamkeit."
Zum 50. Geburtstag der Deutschen Märchenstraße sind zahlreiche Aktionen geplant. Kostenlose Stadtführungen, besondere Veranstaltungen und kreative Angebote sollen das Jubiläum für Besucherinnen und Besucher besonders machen. Auch Renate Kania wird wieder Gäste auf Zeitreise mitnehmen - ins Steinau des frühen 19. Jahrhunderts, zur Kindheit zweier Brüder, deren Geschichten die Welt verzauberten.
Und das funktioniert laut DZT international sehr gut. "Die Märchen der Brüder Grimm sind weltweit bekannt und beliebt", betont die Tourismuschefin. Märchen seien bei Kindern keineswegs out. "Rückenwind erhält das Thema auch durch die zahlreichen internationalen Adaptionen deutscher Märchen-Sujets, beispielsweise in Disney-Filmen oder Musicals", sagt Hedorfer: "Damit sind die Grimm-Märchen fortlaufend Inspirationsquelle für ein internationales kulturinteressiertes Publikum."
Nach Einschätzung des Automobilklubs ADAC liegt der Vorteil von Ferienrouten wie der Märchenstraße darin, dass sie viele Attraktionen miteinander verbinden und das jeweilige Thema buchstäblich erfahrbar machen. "Die Ferienstraßen verlaufen immer ohne Benutzung von Autobahnen oder Straßen mit autobahnähnlichem Charakter, führen also direkt durch die Orte und Urlaubsregionen und laden zum Pausieren ein", sagt ADAC-Sprecherin Manuela Simon.