
Brandenburg Kampagne gestartet: Wohlfahrtsverbände in Brandenburg wehren sich gegen Sparpolitik
"Nö! Da kannste nich kürzen", lautet der Slogan einer nun gestarteten Kampagne der Wohlfahrsverbände in Brandenburg. Sie erinnert - natürlich an die Landeskampagne und richtet sich gegen die Sparpläne der Landesregierung in vielen Sozialbereichen. Von Claudia Stern
"Da kannste nich meckern“ lautet der Slogan der neuen Imagekampagne Brandenburgs. Das aber sehen die Wohlfahrtsverbände im Land ganz anders. Es sei "kein Kahlschlag", aber "bittere Einschnitte", die der Haushaltsentwurf der rot-lila Landesregierung für den sozialen Bereich mit sich bringe, sagte Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender der Liga der freien Wohlsfahrtspflege und Vorstand des Paritätischen Brandenburg am Montag bei einem Pressegespräch in Potsdam.
Brandenburg setze die Familien unter Druck. Wer Kinder habe oder Angehörige betreue, sei direkt von den Sparplänen betroffen, so Kaczynski weiter. Deshalb die Kampagne. Deshalb: "Nö! Da kannste nich kürzen."

"Familien brauchen Sicherheit, Familien brauchen Planbarkeit"
Aber wo soll denn überhaupt konkret gekürzt werden? - Da geht es ins Detail. Beispiel Kinderbetreuung: Hier plant die Landesregierung eine lang ersehnte Verbesserung zurückzunehmen, die ab August greifen sollte. 2023 hatte der Landtag beschlossen, den Personalschlüssel in der Krippe – also bei den Unter-Dreijährigen – zu verbessern. Demnach sollte eine Erzieherin rein rechnerisch für vier Kinder zuständig sein. Nun sollen es weiterhin 4,25 Kinder bleiben.
Ein Viertel Kind mehr oder weniger pro Erzieherin… klingt wenig, spiele aber unterm Strich eine wichtige Rolle, wenn es um frühkindliche Bildung und Erziehung geht und nicht nur ums Aufbewahren der Kinder. "Familien brauchen Sicherheit, Familien brauchen Planbarkeit", sagte Katharina Queisser von der Elternvertretung Brandenburg. Deshalb könne es nicht sein, dass ein Versprechen nicht eingehalten wird. "Brandenburg muss aufholen und nicht ausbremsen."
Hinzu komme, so Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende der AWO Potsdam, dass das Kita-Personal in der Praxis ohnehin deutlich mehr Kinder betreut, da Krankheit, Urlaub und lange Betreuungszeiten beim Personalschlüssel nicht berücksichtigt werden. Die Folge: Die Qualität leidet. Und: Fachkräfte werden über die Maßen belastet. Die Attraktivität des Erzieher-Berufs sinke.

Bildungsministerium verteidigt Sparmaßnahme
Das Landesbildungsministerium will diese Vorwürfe nicht gelten lassen. "Im Mittelpunkt aller Anstrengungen der Landesregierung in der Kindertagesbetreuung steht das Kind", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Brandenburg habe den Personalschlüssel über Jahre verbessert, um "mehr Zeit für jedes Kita-Kind, eine noch höhere pädagogische Betreuungsqualität und besser Arbeitsbedingungen für Fachkräfte" zu ermöglichen. Bis 2015 habe eine Fachkraft rechnerisch noch sechs Krippenkinder betreut, heute seien es immerhin nur noch 4,25 Kinder. Die geplante weitere Verbesserung des Personalschlüssels im Krippenbereich werde nun ausgesetzt. "Vorrang hat nun, die Grundlagen dauerhaft zu sichern."
Lange Betreuungszeiten auf der Kippe
Weiterer Einschnitt bei der Kinderbetreuung: Ab 2026 will die Landesregierung laut Haushaltsentwurf die Finanzierung verlängerter Betreuungszeiten von mehr als 40 Stunden pro Woche ersatzlos streichen. Dabei sei der Bedarf hoch, sagte Schweers. Zahlen des Landesamts für Statistik belegen, dass 2024 über zwei Drittel der Kita-Kinder mehr als 40 Stunden pro Woche in den Einrichtungen verbrachten. Entfalle die Förderung durch die Landesregierung, drohen verkürzte Öffnungszeiten der Kitas, da die Träger keine Möglichkeit mehr hätten, das notwendige Personal zu bezahlen. "Das heißt natürlich, wenn ich nicht 40 Stunden arbeiten kann, dann gehe ich in den Teilzeitjob. Und Teilzeitjobs sind für die Rente sehr schädlich. Da haben wir ein großes Armutsthema", so Schweers. "Das geht nicht."

Wirtschaft: Kita-Kürzungen sind kurzsichtig
Unterstützung kommt in diesem Punkt auch aus der Wirtschaft. Einsparungen bei der frühkindlichen Bildung und Betreuung seien nicht nur schmerzlich, sondern auch kurzsichtig, sagte Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Eine gezielte Unterstützung schon sehr kleiner Kinder stärke nachweislich ihre Entwicklung und ihre Chancen auf gute Leistungen in der Schule. Und: "Wie gut Brandenburg mit den Veränderungen in der Arbeitswelt zurechtkommt, entscheidet sich ein Stück weit auch an den Öffnungszeiten der Kitas." Denn sie seien ein entscheidender Hebel dafür, ob und in welchem Umfang Eltern arbeiten können. "Wenn die Landesregierung an den nötigen Öffnungszeiten spart, werden die Firmen dies direkt im Personalbestand spüren", so Schirp.
Auch Schwangerenberatung und Familienzentren unterm Hammer
Geld – sogar mehr Geld als bislang – braucht die Schwangerenkonfliktberatung im Land Brandenburg. Die sei zwar vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sei aber in Brandenburg seit Jahren unterfinanziert, sagte Andrea Asch, Vorständin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. In fünf Regionen mussten deshalb bereits Beratungsstellen schließen, in drei weiteren wurden Beratungsangebote eingeschränkt.
Der aktuelle Haushaltsentwurf bringe keine Lösung des Problems. Vielmehr werde es sich verschärfen, so Asch. Wenn der Zuschuss aus dem Landeshaushalt nicht adäquat erhöht werde, würden weitere Beratungsstellen zur Aufgabe gezwungen sein. Die Versorgungslage werde sich weiter verschlechtern. "Damit ist dieses bundesgesetzlich verankerte Recht auf Beratung gefährdet", warnt Asch.
Ähnlich steht es den Wohlfahrtsverbänden zufolge auch um die Finanzierung der Familienzentren. Hier wolle die Landesregierung 400.000 Euro sparen. Dadurch seien elf Zentren – und damit jedes fünfte in Brandenburg – von der Schließung bedroht. Gerade für sozial schwache Familien sowie im ländlichen Raum sei die Beratung und Unterstützung der Familienzentren aber besonders wichtig, sagte Jens Uwe Scharf vom Caritasverband Erzbistum Berlin. "Gute Familienpolitik ist die Voraussetzung für eine gute Wirtschaftspolitik", appellierte auch er an die Landesregierung. Und deshalb: "Nö! Da kannste nich kürzen."
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