Ein Landwirt drillt Saatgut in den trockenen Ackerboden auf einem Feld. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)

Brandenburg Hitzeaktionstag 2025: Coschen - ein Dorf auf dem Grill

Stand: 04.06.2025 06:20 Uhr

Am Mittwoch will der jährliche Hitzeaktionstag auf Risiken durch Hitze aufmerksam machen. Das Dorf Coschen erlebt regelmäßig Temperaturen knapp unter 40 Grad Celsius. Die Bewohner:innen setzen auf Nachbarschaftshilfe. Von Juliane Gunser

Gerade sind die Temperaturen noch angenehm in Coschen. Wolken hängen am Himmel und ein paar Regenschauer gießen die gepflegten Vorgärten. Aber Coschen kennt das auch ganz anders. Das 330-Einwohner-Dorf liegt nur wenige Hundert Meter von der polnischen Grenze entfernt und ist ein Ortsteil der Gemeinde Neißemünde im Landkreis Oder-Spree.

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Wer hier auf ein belegtes Brötchen vom Bäcker oder eine gekühlte Limo hofft, hofft vergeblich. Schon seit vielen Jahren hat das Dörfchen keinen eigenen Supermarkt mehr – auch eine Kirche steht hier nicht. Was es aber gibt, ist eine kleine Wetterstation.

Durch die Messwerte, die Reiner Koschke und sein Bruder seit mehr als 20 Jahren dort ablesen, schafft es das Örtchen immer wieder in die Nachrichten.

Besonders eingebrannt hat sich dabei der Juni 2019. Damals wurden an der Wetterstation 38,6 Grad Celsius gemessen. Hitzerekord in Deutschland!

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"Schrecklich. Ganz furchtbar", erinnert sich die Coschenerin Carola Kaluza. "Ich habe gedacht, ich sterbe." Es habe keine Rückzugsorte mehr gegeben, selbst im Schatten sei man gebraten worden, sagt sie. Solche Tage gebe es oft. "In den letzten Jahren hatten wir immer wieder starke Hitzeperioden. Wir sind hier ein bisschen gearscht, wir kriegen immer mächtig viel ab."

Nächstgelegene Abkühlung? Eine Tankstelle in Polen.

Viel Sonne, wenig Niederschläge, so können die Sommer hier aussehen. Bürgermeisterin Manuela Mosig hat sich an besonders heißen Sommertagen bereits in ihrem Gewölbekeller zurückgezogen. "Wenn es so heiß ist, ist das richtig drückend. Eine brütende Hitze. Dann hört man niemanden mehr, keinen Menschen, kein Tier, gar nichts." Erst gegen Abend komme dann wieder etwas Leben in den Ort.

Reiner Koschke an einer Wettermessstation. (Quelle: rbb)

Reiner Koschke an der Wetterstation in Coschen

Im ganzen Dorf gibt es nicht einen klimatisierten öffentlichen Raum, in dem sich die Bewohner abkühlen könnten. "Man kann eigentlich nur nach Polen rüber fahren, zur Tankstelle. Da gibt es Eis", sagt Reiner Koschke lachend. Er nimmt die heißen Sommer mit Humor. Der kühlste Ort auf seinem Hof sei ein ehemaliger Pferdestall. Da könne er es ganz gut aushalten. Dort habe er sogar einen Fernseher. Er zuckt mit den Schultern. Ansonsten müsse man sich halt unter einen Baum in den Schatten setzen, zum Beispiel unten bei der Feuerwehr.

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"Freie Getränke wären toll"

Etwas an der Hitze ändern, kann sie zwar auch nicht, die Bürgermeisterin wünscht sich aber Unterstützung für die Coschenerinnen und Coschener von "denen da oben", wie sie sagt. "Freie Getränke wären toll, ein paar Flaschen kostenloses Wasser für jeden Haushalt. Es kann ja auch mal was mit der Wasserleitung sein." Bezahlt werden solle das vom Landkreis, vom Land oder dem Bund. Eigentlich egal. Um die Verteilung würden sie sich dann schon selbst kümmern.

Durch den Zusammenhalt in der Nachbarschaft und in der Dorfgemeinschaft schützen und unterstützen sich die Dorfbewohner gegenseitig. Sorgen macht sich Carola Karuza dabei weniger um sich selbst: "Es geht ja hauptsächlich um die ältere Generation." Wer aufgrund des Alters viel zu Hause bleibe, sei oft auf Hilfe angeboten. "In so einem kleinen Dorf können wir das auffangen, das geht zum Glück."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 03.06.2025, 19:30 Uhr