
Kritik am Koalitionsvertrag "Beitrags-Tsunami" bei Sozialversicherungen?
Union und SPD haben Passagen aus dem Sondierungspapier nicht in den Koalitionsvertrag übernommen - es drohe ein massiver Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge, warnt die DAK. Der Sozialverband VdK will eine Finanzreform.
Im Sondierungspapier tauchte sie noch auf - im Koalitionsvertrag nicht mehr: die vollständige Refinanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger aus Steuermitteln, um die Sozialversicherungen zu stabilisieren.
Deshalb warnt der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, nun vor kräftig steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Dies könnte spätestens zum Jahreswechsel der Fall sein. Wenn nicht nachgelegt werde, dann sei mit diesem Koalitionsvertrag ein "Beitrags-Tsunami" programmiert, sagte Storm der Augsburger Allgemeinen.
DAK: Beitragserhöhungen drohen zeitnah
In der Pflegeversicherung drohe bereits in diesem Jahr ein Beitragsanstieg, in der gesetzlichen Krankenversicherung spätestens zum Jahreswechsel eine "massive Erhöhung" des Zusatzbeitrags, so Storm weiter.
Bei der gesetzlichen Krankenversicherung sei ein Anstieg um mindestens einen halben Beitragssatzpunkt wahrscheinlich. "In Verbindung mit steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen bewegen wir uns dann in Richtung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrags von 43 Prozent", sagte Storm der Zeitung. "Das bedeutet nicht nur eine Zumutung für versicherte Beschäftigte, Rentner und Arbeitgeber, das ist auch Gift für die Konjunktur."
Storm kritisierte, dass Union und SPD die Beitragszahler weiterhin mit versicherungsfremden Milliardenkosten für die Versorgung der Bürgergeldempfänger belasteten. "Alle in den Entwürfen genannten konkreten Maßnahmen, die das Ziel stabiler Sozialversicherungsbeiträge kurzfristig hätten sicherstellen können, sind aus dem finalen Koalitionsvertrag gestrichen worden", bemängelte er. Storm forderte Nachbesserungen.
VdK vermisst "Mut, Finanzierungslücken zu schließen"
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, übte Kritik und mahnte notwendige Reformen bei der Finanzierung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung an. Sie vermisse bei Union und SPD den Mut, Finanzierungslücken schnell zu schließen, sagte sie laut einer Mitteilung. Bei der Stabilisierung der Sozialversicherungen gebe es keine Zeit zu verlieren, denn es drohten die nächsten Beitragserhöhungen.
"Anstatt entschieden gegen die Löcher in den Kassen der Sozialversicherungen vorzugehen, gründet die neue Regierung erst einmal Kommissionen für Rente, Kranken- und Pflegeversicherung“, kritisierte Bentele. Die Koalition habe zwar angekündigt, die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung verbessern zu wollen. Wie sie das erreichen wolle, bleibe aber unklar.
Enttäuschend sei, dass ein wichtiger Lösungsansatz nicht im Koalitionsvertrag auftauche, der zuvor im Sondierungspapier gestanden habe: Im Sondierungspapier sei die vollständige Refinanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger aus Steuermitteln festgehalten worden. "Das hätte der gesetzlichen Krankenversicherung knapp neun Milliarden Euro gebracht", so Bentele weiter. Dass dieser Plan nicht im Koalitionsvertrag stehe, bezeichnete sie als "großen Fehler".