
Unvereinbarkeitsbeschluss Union ringt um neue Haltung zur Linken
Eigentlich darf die Union nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten, die Partei hat sich einen Unvereinbarkeitsbeschluss auferlegt. Doch die neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag bringen die CDU und CSU in eine Zwickmühle.
Die Union debattiert, wie ein künftiger Umgang mit der Linkspartei aussehen könnte. Die Christdemokraten haben 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss getroffen, der eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausschließt. Doch ohne die erstarkte linke Partei - oder die AfD - gibt es keine Zweidrittelmehrheit mehr im Parlament.
Schon vor seiner Wahl zum Bundeskanzler vergangene Woche war Friedrich Merz auf die Linkspartei angewiesen. Denn der notwendige zweite Wahlgang, nach Merz' Scheitern im ersten, musste per Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Weil man nicht von der AfD abhängig sein wollte, sprach sich Schwarz-Rot nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit der Linkspartei ab.
Doch die CDU lehnt in einem Parteitagsbeschluss "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der AfD wie mit der Linken ab. Nun melden sich immer mehr Christdemokraten, die ein Überdenken der bisherigen Haltung fordern.
Prien fordert "weniger Dogmatismus"
CDU-Vizechefin und Bundesfamilienministerin Karin Prien warnt ihre Partei vor Dogmatismus. "Unsere Zeit verlangt von allen demokratischen Kräften in Deutschland mehr Ambiguitätstoleranz und weniger Dogmatismus", sagte Prien dem Magazin Stern. Die Union müsse "pragmatisch abwägen" und "die Stabilität der demokratischen Institutionen" im Blick haben.
Linkspartei und AfD stünden zwar im fundamentalen Gegensatz zur Union, aber sie unterschieden sich genauso fundamental. "Die AfD ist die Partei des Rechtsextremismus, sie ist eine Gefahr für unsere liberale Demokratie", sagte Prien. Die Linke sei das jedoch nicht.
Ministerpräsidenten für Öffnung zur Linken
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), dessen Landeskabinett Prien bis vor kurzem angehörte, hatte sich bereits mehrfach für eine Öffnung zur Linkspartei ausgesprochen, zuletzt beim Thema Reform der Schuldenbremse. "Die CDU/CSU wird mit den Linken über eine Reform der Schuldenbremse sprechen müssen - so wie mit den Grünen auch", hatte Günther dem Tagesspiegel gesagt. Wie auch Prien argumentiert Günther, man könne Linke und AfD nicht gleichsetzen.
Auch Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt forderte in Bezug auf die Linke Pragmatismus. "Bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen gilt es, mit Umsicht abzuwägen und pragmatisch zu handeln." Der CDU-Politiker sagte dem Stern: "Mit einer Partei, die nicht wie die AfD auf einen Systemsturz hinarbeitet, kann die CDU jenseits aller grundsätzlichen Differenzen parlamentarische Absprachen aus staatspolitischer Verantwortung treffen."
Voigt ist in Thüringen auf die Opposition, zu der die Linkspartei dort gehört, angewiesen, weil seine Koalition mit SPD und BSW keine eigene Mehrheit hat.
Linnemann bleibt bei Nein zu Kooperation
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bleibt bei seinem strikten Nein zu einer Kooperation. "Für mich kann es keine politische Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben, solange dort extremistische Gruppen mitmachen", sagte er dem Stern. Der Unvereinbarkeitsbeschluss sei gut so, wie er ist.
Mit Blick auf die Antisemitismus-Definition der Linken, die gerade erst auf einem Parteitag beschlossen worden war, sagte Linnemann: "Die unsägliche Verharmlosung von Antisemitismus auf dem Parteitag hat die Linken noch extremer von der CDU entfernt als ohnehin schon."
Unterstützung für diese Haltung erhielt Linnemann vom Chef der Hamburger Landesgruppe im Bundestag, Christoph Ploß. "Spätestens seit dem Antisemitismus-Skandal vom vergangenen Wochenende sollte auch jedem Gutgläubigen klar sein: Mit der Linkspartei darf es keine normale Zusammenarbeit geben", sagte der CDU-Politiker.
"Antibürgerlich, antikapitalistisch und antisemitisch"
So sieht es auch der neue Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Hoffmann. "Die Linke ist antibürgerlich, antikapitalistisch und antisemitisch", sagte der CSU-Landesgruppenchef, der den neuen Innenminister Alexander Dobrindt auf diesem Posten abgelöst hat. Er halte es für "beschämend", was die Linke am Wochenende auf ihrem Parteitag für ein Bild abgegeben habe.
Die Linkspartei hatte sich bei ihrem Parteitag der umstrittenen sogenannten Jerusalemer Erklärung angeschlossen, die den Antisemitismus-Begriff enger fasst als die weit verbreitete Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), insbesondere im Umgang mit dem Staat Israel.
Frei: "Etwas undeutlich ausgedrückt"
Nach der Wahl von Merz hatte Kanzleramtschef Thorsten Frei erklärt, die Union werde "darüber zu sprechen haben", wie die Zusammenarbeit mit der Linkspartei künftig aussehen könne. Man sei in einer Situation, "wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen".
Diese Äußerung hatte für Kritik innerhalb der Union gesorgt. Später hatte Frei sich anders geäußert. Er schloss eine "politische Zusammenarbeit" mit der Linkspartei kategorisch aus und verwies auf den Unvereinbarkeitsbeschluss. Er kenne keine Bestrebungen, das zu ändern - dies könne ohnehin nur ein Bundesparteitag tun. "Ich weiß von niemandem, der das will", so Frei.
Er habe sich zuvor "etwas undeutlich ausgedrückt", stattdessen sei es ihm um die "formelle Frage" gegangen, wie im Bundestag angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse eine Zweidrittelmehrheit möglich sei. Denn ohne "Einbeziehung der Ränder", also AfD und Linkspartei, sei dies - so auch bei der jüngst für die Kanzlerwahl notwendigen Änderung der Geschäftsordnung - nicht mehr möglich.