Eine Beamtin der Bundespolizei stoppt am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke ein Fahrzeug.

Zurückweisung von Schutzsuchenden Welchen Spielraum Dobrindts Weisung lässt

Stand: 08.05.2025 05:22 Uhr

Ein "faktisches Einreiseverbot" - auch für Schutzsuchende. Damit machte Merz Wahlkampf. Nun gilt die rechtlich umstrittene Weisung. Sie lässt jedoch Spielraum, etwa bei Einreisen von Kindern. Experten sehen darin Kalkül.

Von Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Mitten im Wahlkampf gab Friedrich Merz ein vollmundiges Versprechen: Am ersten Tag seiner Amtszeit als Bundeskanzler werde er das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz anweisen, alle deutschen Grenzen "dauerhaft" zu kontrollieren und "ausnahmslose alle Versuche der illegalen Einreise" zurückzuweisen.

Alexander Throm (CDU), Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zur Migrationspolitik der neuen Bundesregierung

Morgenmagazin, 08.05.2025 08:00 Uhr

Es werde "ein faktisches Einreiseverbot" geben für alle Menschen ohne gültige Dokumente. "Das gilt ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch." Merz reagierte damit auf den Anschlag von Aschaffenburg.

Nun ist Tag eins seiner Amtszeit. Das mit der Richtlinienkompetenz hat sich erledigt - im Bundesinnenministerium hat mit Alexander Dobrindt ein CSU-Politiker die Amtsgeschäfte übernommen, der inhaltlich auf einer Linie mit Merz liegt.

Weisung mit Spielraum

Doch das Unterfangen bleibt rechtlich umstritten. Da es aber mit so deutlichen Worten in Aussicht gestellt wurde, kommt der neue Innenminister kaum darum herum.

Und so erteilt Dobrindt an seinem ersten Tag eine Weisung an die Bundespolizei. Darin heißt es, dass auch Schutzsuchenden "die Einreise verweigert werden kann". "Kann" - das lässt einen Spielraum. Es ist nicht die ausnahmslose Zurückweisung, wie Merz sie versprochen hatte.

Vor der Presse macht Dobrindt eine weitere Ausnahme: "Selbstverständlich werden wir, was Kinder anbelangt, schwangere Frauen, andere vulnerable Gruppen nicht an der Grenze zurückweisen, um das deutlich zu machen." In der Weisung selbst liest sich das zwar etwas zurückhaltender: "Erkennbar vulnerable Personen können weiterhin" in Erstaufnahmeeinrichtungen geschickt werden. Aber der Raum für Abweichungen bleibt.

Urteil könnte sich hinziehen

Der Migrationsrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz vermutet dahinter die Überlegung, dass so mögliche Klagen von Zurückgewiesenen vor den Verwaltungsgerichten entkräftet werden könnten. "Das ist der Versuch, die Gerichte milder zu stimmen. An sich gehen diese Zurückweisungen ja nicht, man ist also wirklich auch darauf angewiesen, dass die Gerichte das akzeptieren", sagt Thym.

Man erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass es vorübergehend von den Gerichten akzeptiert werde, wenn man vulnerable Gruppen wie Minderjährige, Familien mit kleinen Kindern oder kranke Menschen ausnehme. "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, juristisch damit durchzukommen."

Er erwarte nicht, dass es sehr viele Klagen geben werde, einige jedoch schon. Vergleichsweise schnell könne es vorläufige Eilentscheidungen geben. Ein endgültiges Urteil dürfte sich jedoch hinziehen.

Mehr Bundespolizei an den Grenzen

Um die Zahl der Zurückweisungen zu erhöhen, hat die Bundespolizei außerdem die mündliche Ansage bekommen, mehr Kräfte an die Grenzen zu schicken. Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Kontrollen seit 2023 schrittweise ausgeweitet - seit vergangenem September wird an allen deutschen Grenzen kontrolliert.

Nun soll das intensiviert werden. "Wir werden dafür sorgen, dass Schritt für Schritt mehr Polizeikräfte an den Grenzen zum Einsatz kommen und auch diese Zurückweisungen vornehmen können", so Dobrindts Ankündigung.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält das für machbar - aber nur für eine gewisse Zeit. "Wir werden die Situation haben, dass wir jetzt Überstunden aufbauen, und deswegen ist es vermutlich eine Situation, die wir nicht so lange durchhalten können als Bundespolizei", sagt Andreas Roßkopf. "Denn wir fahren jetzt natürlich auf Kante. Wir fahren im roten Bereich, um das alles leisten zu können."

Kritik von der Linkspartei

Die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger von den Linken hat sich gestern die Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze angeschaut. Sie kritisiert, dass schon jetzt Menschen zurückgewiesen würden, obwohl sie eigentlich Asyl beantragen wollten. Deren Lage werde sich nun verschärfen.

"Am ersten Tag ein solches symbolisches Verhalten, damit will man Stärke symbolisieren, aber eigentlich symbolisiert man damit Schwäche“, sagt sie. "Weil Stärke würde bedeuten, dass man sich hinter den Rechtsstaat stellt, dass man sagt, es gibt keine Rechtsbrüche in Deutschland und wir sorgen dafür, dass Grundrechte und Menschenrechte eingehalten werden."

Doch dem neuen Innenminister geht es genau darum: Ein "Signal" an die "Welt und nach Europa", dass sich die Politik in Deutschland geändert habe, so formuliert er es an seinem ersten Tag.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 08. Mai 2025 um 08:00 Uhr.