Durch die Fenster eines Flugzeugs sind gefährdete Afghaninnen und Afghanen am Flughafen Düsseldorf zu sehen.
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Aufnahmeprogramme Warum Afghaninnen und Afghanen hierherkommen

Stand: 17.04.2025 09:12 Uhr

Die künftige schwarz-rote Bundesregierung will Aufnahmeprogramme für besonders Schutzbedürftige aussetzen. Das betrifft auch Menschen aus Afghanistan. Doch noch werden sie aufgenommen. Worum geht es dabei? Ein Überblick.

Wer ist gestern nach Deutschland gekommen?

Am Flughafen Leipzig/Halle ist am Abend ein Flugzeug mit 138 Afghaninnen und Afghanen gelandet. Laut Bundesinnenministerium sind darunter 45 Kinder und Jugendliche. 76 Personen seien weiblich, 62 männlich.

"Es liegen in diesen Fällen konkrete, bereits in der Vergangenheit gegebene Aufnahmezusagen Deutschlands vor", betonte ein Sprecher des Innenministeriums. Neue Zusagen würden nicht erteilt. Für die Bundesregierung habe Sicherheit bei diesen Aufnahmen oberste Priorität. Daher werde jede einzelne Person vor einer möglichen Einreise entsprechend überprüft.

Wie viele Afghaninnen und Afghanen sind dieses Jahr angekommen?

Zuvor hatte es bereits mehrere ähnliche Flüge in diesem Jahr mit insgesamt 461 Menschen aus Afghanistan gegeben. Am 25. Februar und 5. März landeten Flugzeuge in Berlin, am 27. März eines in Hannover. Rund 2.600 besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan warten nach Angaben des Auswärtigen Amts derzeit in Pakistan auf ihre Aufnahme in Deutschland.

Wer sind die Menschen, die aufgenommen werden?

Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollen auch Afghaninnen und Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die radikal-islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben.

Der Sprecher des Innenministeriums betonte, sicherheitsrelevante Erkenntnisse, die gegen eine Aufnahme sprechen, könnten sich zu jeder Zeit im Verfahren ergeben und dazu führen, dass Menschen von der Einreise ausgeschlossen würden. Dies könne auch unmittelbar vor Abflug der Fall sein.

Warum gibt es nun Kritik an der Aufnahme?

Die wahrscheinlich nächste Regierungskoalition aus Union und SPD will die humanitären Aufnahmeprogramme beenden, auch das für Afghaninnen und Afghanen. Noch kommen potenziell gefährdete Menschen über Flüge aus Pakistan nach Deutschland. Unionspolitiker kritisieren die noch geschäftsführende Regierung dafür.

Was ist der Grund für die Aufnahmen?

Als im Sommer 2021 die internationalen Streitkräfte Afghanistan nach 20-jährigem Militäreinsatz verließen, eroberten die radikal-islamistischen Taliban das Land zurück.

Zehntausende Menschen, die für die Bundeswehr oder deutsche Organisationen gearbeitet hatten, sich für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit eingesetzt hatten, verloren ihre Perspektive und mussten Verfolgung fürchten. Besonders galt das für Frauen. Aus Verantwortung für diese Menschen versprachen die damalige schwarz-rote Bundesregierung und die darauffolgende Ampel-Regierung, gefährdete Personen aufzunehmen.

Wie viele Menschen wurden insgesamt aufgenommen?

Seit der Machtübernahme der Taliban wurden nach Angaben des Auswärtigen Amts mehr als 36.000 Afghaninnen und Afghanen aufgenommen, die allermeisten davon direkt nach der Rückeroberung der Islamisten im Sommer 2021.

Gekommen sind sie über verschiedene Programme: Bereits seit 2013 gibt es das Ortskräfteverfahren für ehemalige lokale Mitarbeiter von Bundeswehr, Polizei, Ministerien und deutschen Organisationen. Viele Menschen kamen zudem über die 2021 eingeführte sogenannte Menschenrechtsliste. Schutz fanden darüber Menschen, die sich für das Ziel der westlichen Staaten, in Afghanistan einen demokratischen Rechtsstaat zu errichten, eingesetzt hatten: Anwälte, Journalistinnen, Menschenrechtsaktivisten, Polizistinnen, Kulturschaffende oder Lehrerinnen.

2022 hatte die Ampel-Regierung ein Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufgelegt, über das bis zu 1.000 Menschen im Monat kommen sollten. Die tatsächlichen Einreisen blieben aber weiter darunter: Bislang sind nach Angaben des Auswärtigen Amts insgesamt rund 1.400 Menschen über das Programm eingereist, zuletzt vorwiegend Frauen und Kinder.

Wie laufen die Verfahren ab?

Da mangels deutscher Vertretungen in Afghanistan keine Flüge direkt von dort organisiert werden können, werden die Verfahren in Pakistan abgewickelt. Eingebunden sind dabei nicht nur die Botschaft, sondern zahlreiche Sicherheitsbehörden. Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz nehmen laut Innenministerium aufwendige Sicherheitsüberprüfungen vor, inklusive ausführlicher Interviews.

Wie lange können die Menschen in Deutschland bleiben?

Die Menschen aus Afghanistan bekommen laut Bundesinnenministerium ein Aufenthaltsrecht für zunächst drei Jahre.

Warum will die künftige schwarz-rote Koalition die Aufnahmen stoppen?

Wesentlicher Grund ist die in den Augen von Union und SPD zu hohe Zahl neu ankommender Flüchtlinge in Deutschland. Sie will die Fluchtzuwanderung weiter begrenzen und deswegen unter anderem auch humanitäre Aufnahmeprogramme stoppen.

Warum gibt es dennoch weiter Flüge?

Die geschäftsführende Bundesregierung hat entschieden, keine neuen Aufnahmezusagen zu machen. Sie hält aber daran fest, bereits gemachte Zusagen zu erfüllen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts warten in Pakistan noch 2.600 Menschen, die eine verbindliche Aufnahmezusage aus Deutschland haben.

Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin, tagesschau, 17.04.2025 08:53 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 17. April 2025 um 06:21 Uhr.