Ahmad Abo Gdi steht auf dem Dach eines Hauses in Damaskus.

Geflüchtete in Deutschland Umzug zurück nach Syrien?

Stand: 13.04.2025 09:12 Uhr

Wenn es nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD geht, sollen Geflüchtete freiwillig nach Syrien zurückkehren. Ist ein Anknüpfen an das Leben dort wieder möglich? Ein Familienvater geht auf Erkundung.

Der Koffer ist voll. So voll, dass er kurz vor dem Losfahren kaputtgeht und Ahmad Abo Gdi umpacken muss. Geschenke, Kleiderspenden, Schuhe für die Verwandten zu Hause. Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren kann Ahmad zurück in die alte Heimat reisen: nach Syrien. Er will nach Hause, "weil dort mein Leben ist".

2014 war er wegen des Bürgerkriegs und vor dem Militärdienst geflüchtet, weil er nicht auf die eigenen Leute schießen wollte. "Nun ist der Krieg vorbei, ich habe keinen Grund mehr, in Deutschland zu bleiben."

Hier sind allerdings seine drei kleinen Kinder geboren. Ahmads Frau Aiat ist deshalb mehr als skeptisch, was eine Rückkehr angeht. Sicherheit, Schule, Krankenversorgung, ihr Minijob: "Alles ist in Deutschland besser, in Syrien habe ich nichts."

Langer Weg in die alte Heimat

Seit Diktator Baschar al-Assad gestürzt wurde, ringen sie mit der Frage, ob die Familie zurückgehen soll - jetzt schon. Aiat hat große Zweifel, Ahmad ist hoffnungsfroh. In Tübingen hat er in Cafés gearbeitet, scheiterte mit einem eigenen Snack-Shop, gerade ist er in Elternzeit.

Syrien könnte neue Chancen bieten: Eine seiner Ideen ist, in Damaskus einen Coffee-Shop aufmachen mit schwäbischen Brezeln. Aber erst muss er die Lage checken - auch für seine zwei Brüder und seine Mutter, die ebenfalls in Tübingen wohnen. Ahmad Abo Gdi fährt alleine, weil er bisher als Einziger aus der Familie den deutschen Pass hat und daher ohne Schwierigkeiten hin und her reisen darf.

Es ist ein langer Weg in die alte Heimat: Mit dem Flieger von Stuttgart über Istanbul nach Beirut, von dort geht es mit dem Auto dann weiter Richtung Syrien. An der Grenze läuft es reibungslos - fast. Von den syrischen Beamten erfährt Abo Gdi, dass er seit 2020 wegen eines angeblichen Vergehens auf einer Fahndungsliste steht, offenbar eine letzte Schikane des alten Regimes. Denn der 32-Jährige ist seit 2014 nicht mehr in Syrien gewesen.

Freude und Sprachlosigkeit

Er darf problemlos einreisen. Abo Gdi, der bislang redselig, ein bisschen aufgeregt und immer gut gelaunt war, wird plötzlich still. "Welcome to Syria" steht auf einem der Grenzschilder. Abo Gdi flüstert die Worte mehr, als dass er sie spricht. In den Augen hat er Tränen. Dieser Moment bewegt ihn mehr, als er erwartet hat.

Als er sich wieder gefangen hat, ruft er seine Mutter und seine Frau in Deutschland an. Das Netz ist schlecht, aber die wichtigste Botschaft lässt sich trotzdem übermitteln: Abo Gdi ist zurück in Syrien, die Freude ist unbeschreiblich. Bei der Fahrt nach Damaskus kommt ihm vieles bekannt vor: "Da ist meine alte Berufsschule."

Der erste Stopp gilt der Familie. In einem der Altstadtviertel warten sie seit Stunden: Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen - vor allem aber: seine Oma, die den Enkel nach so vielen Jahren endlich wieder in die Arme schließen kann. Und sprachlos ist. Sie will ihn gar nicht mehr loslassen.

Bei der Einreise nach Syrien ist ein Banner mit der Aufschrift "Welcome to Syria" über der Straße zu sehen.

Ein Schriftzug, der Abo Gdi bei seiner Rückkehr begrüßt: "Welcome to Syria".

Harter Schock

Abo Gdi aber ist rastlos. Er will gleich weiter, das Viertel sehen, in dem er aufgewachsen ist. Yarmouk liegt im Süden der Stadt und ist palästinensisch geprägt. Seine Kindheit und Jugend hat er hier verbracht: "Gute Zeiten", sagt Abo Gdi.

Er weiß, dass das Haus, in dem er aufgewachsen ist, durch Assads Bomben zerstört wurde. Und doch: Der Schock, dass da einfach gar nichts mehr ist, trifft ihn härter als gedacht.

Vor der Reise gab es die Hoffnung, dass er hier vielleicht was aufbauen, mit seiner Frau und den Kindern wieder hier leben könnte. Aber nun erkennt er seine Heimat kaum wieder. "Ich bin einfach traurig. In diesem Viertel kann ich nicht mehr leben."

Verloren steht er auf dem leeren Platz, links und rechts Ruinen, Häuserreste mit Einschusslöchern, Schutt. Und dann plötzlich ein bekanntes Gesicht. Mit Fouad Bouzu ist er aufgewachsen. Natürlich wünscht sich der Nachbar, dass Ahmad zurückkommt, aber er warnt auch: "Wenn er das Geld hat, um hier ein Geschäft aufzubauen, dann kann er wiederkommen. Ansonsten würde ich es eher nicht empfehlen."

Überleben in den Trümmern

Fouad baut gerade sein Haus wieder auf. Er hat nur das Nötigste, die Zukunft ist ungewiss. Gewiss ist aber, dass nicht nur Ahmads altes Haus zerstört ist, sondern auch seine Schule. Das wusste er bisher noch nicht, und es ist ein Rückschlag. "Ich habe mir immer gewünscht, dass meine Kinder auf die gleiche Schule gehen, wo ich auch gelernt habe", sagt er inmitten der Trümmer. "Aber dieser Wunsch ist nun weg."

Doch Abo Gdi will nicht aufgeben. Es gebe andere Schulen und andere Viertel. In der Altstadt beispielsweise ist vieles intakt geblieben. Die Kämpfe haben vor allem in den Randbezirken stattgefunden. Da, wo sie schon vorher nicht reich waren und jetzt fast gar nichts mehr haben.

Aber selbst in den Trümmern leben Menschen - genauer gesagt, sie überleben: kein fließendes Wasser, keine richtige Stromversorgung. Wer Geld hat, leistet sich Elektrizität per Generator, an jeder Straßenecke werden Benzin und Diesel in Wasserkanistern verkauft. Auch Solarpanele sieht man an manchen Häusern - offenbar ein Privileg der Elite zu Assad-Zeiten. Die meisten aber hangeln sich von Stromausfall zu Stromausfall.

Zwischen Ernüchterung und Hoffnung

Nach den ersten Tagen schwankt Abo Gdi zwischen Ernüchterung und Hoffnung. Er strahlt, wenn er durch das Zentrum läuft - so frei und unbeschwert habe er sich hier noch nie gefühlt. Überall schüttelt er Hände, umarmt Bekannte, genießt seine Stadt und denkt über Geschäftsideen nach.

Dass Assad weg ist, habe alles verändert. Gern würde er in einem der besseren Viertel eine Wohnung kaufen. In Damaskus ist das günstiger als in Deutschland, rechnet er vor: Es könnte eine Gelegenheit sein, eine Investition in die Zukunft und ein Weg, um seine Frau Aiat zu überzeugen, dass sich ein Umzug lohnt. Aber derzeit hat er die Mittel nicht.

Die Schwiegermutter wohnt östlich der Stadt. In ihrem Dorf haben sie zwischen ausgebrannten Autos und Ruinenresten angefangen, wieder Gemüse anzubauen. Auch hier ist die Freude über das Wiedersehen riesig. Nadia Masada vermisst ihre Tochter; die Enkelkinder hat sie noch nie persönlich getroffen. Aber sie warnt: "Sie würden sich hier nicht zurechtfinden, hier ist vieles immer noch chaotisch und nicht gut organisiert."

Menschen sitzen beim Essen zusammen.

Abo Gdi beim Essen mit der Familie seiner Schwiegermutter.

Seine Frau bleibt beim Nein

Sie rät davon ab, jetzt schon wieder her zu ziehen. Vielleicht in ein, zwei Jahren, da könne man noch einmal schauen. Zusammen rufen sie die Familie in Tübingen an. Aiat würde gern zu Besuch kommen, aber ganz zurück nach Syrien? Sie bleibt bei ihrem klaren Nein.

Abo Gdi ist nachdenklich geworden. Wenn er allein wäre, würde er sofort zurückkehren, sagt er. Aber er will nicht einfach so für Frau und Kinder entscheiden. Und die Herausforderungen vor Ort sind größer, als er dachte: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich komme mit viel Geld oder ich warte, bis das Land wieder etwas gesünder wird." Beim nächsten Mal, vielleicht im Sommer, würde Ahmad die Familie gern mitnehmen - und schauen, ob er sie doch noch überzeugen kann.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung "Weltspiegel" am 13. April 2025 um 18:30 Uhr.