Ein Bauzug fährt durch Dernau im Ahrtal.

Wiederaufbau nach der Flut Was das Ahrtal für den Klimaschutz tut

Stand: 21.06.2025 15:41 Uhr

Fast vier Jahre ist die Flutkatastrophe an der Ahr her. Beim Wiederaufbau im Tal setzen mehrere Orte nun auf neue Wege, um zu heizen. Damit soll die Region umweltfreundlicher werden.

Von Johannes Baumert, ARD-aktuell

Es ist brütend heiß im kleinen Technikraum des Kraftwerks in Marienthal an der Ahr. Dabei stehen die beiden gelben Heizungsbrenner still. "Unser heißes Wasser beziehen wir gerade komplett über die Solarthermie-Anlage", erklärt Rolf Schmitt, der das Nahwärmenetz des Ortes mit aufgebaut hat.

Gut 30 Haushalte sind an das Netz angeschlossen - sie alle erhalten ihr warmes Wasser aus dem zentralen Heizhaus. Entstanden ist das Projekt aus der Not heraus. Nach der verheerenden Flutkatastrophe im Juli 2021, die nicht nur Häuser, Brücken und Straßen zerstörte, sondern auch fast alle Heizungen im Ahrtal, stand eine Frage im Raum: Wie soll künftig im Ahrtal geheizt werden?

"Und dann haben wir uns letztendlich für dieses Dorfwärmesystem entschieden, weil wir viele Vorteile dadurch haben", sagt Schmitt. So könne das Dorf von fossilen Energieträgern loskommen, außerdem seien die Preise relativ stabil und die Wartungskosten für die einzelnen Haushalte gering. 

Sonne und Holzpellets heizen ganzes Dorf

Das System dahinter ist einfach: Im Sommer erhitzt eine Solarthermie-Anlage auf dem Dach des Heizhauses das Wasser, das über ein Rohrleitungsnetz in die angeschlossenen Haushalte fließt. Im Winter übernehmen zwei große Heizkessel die Arbeit, die mit Holzpellets betrieben werden. Sie stammen aus Holzabfall eines Sägewerks in der Region und werden nur etwa 50 Kilometer angefahren. "Das war uns wichtig", sagt Schmitt. Rund 200 Tonnen CO2 will der Ort damit jedes Jahr sparen. 

Ein weiterer Vorteil: Wer sich anschließt, braucht keine eigene Heizung mehr im Keller - lediglich eine kleine Übergabestation an der Wand reicht aus.

Nahwärme ist auch ein Versuch, fossile Energieträger wie Gas oder Öl aus dem engen Tal zu verbannen. Denn die Flut spülte Öltanks durch die Dörfer, der Schlamm war oft mit Öl kontaminiert. Viele Häuser blieben so lange Zeit unbewohnbar. Im Überschwemmungsgebiet im Tal dürfen daher keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden. 

Ein komplett zerstörtes Haus in Marienthal im Ahrtal (Aufnahme vom 18.07.2021)

Das kleine Dorf Marienthal wurde bei der Flutkatastrophe weitestgehend zerstört.

Mehrere Orte planen ähnliche Projekte

Auch in Dernau, einem Nachbardorf von Marienthal, wird an einem Nahwärmenetz gearbeitet. Fast vier Jahre dauerten die Planungen. In der Zeit haben sich viele Bewohnerinnen und Bewohner provisorische oder neue Heizsysteme angeschafft.

Doch rund 220 der insgesamt etwa 600 Haushalte wollen sich dem neuen Nahwärmenetz anschließen, unter ihnen auch Gerhard Meyer. "Gas und Öl wollten wir auf keinen Fall mehr hier", sagt er. Auch die Preisschwankungen auf dem Gasmarkt hätten ihn zum Umdenken bewegt. 

Bis Ende 2026 sollen hier die ersten Häuser angeschlossen sein. Damit will Dernau rund 2.000 Tonnen CO2 im Jahr sparen. "Das ist jetzt nicht nur auf zehn oder fünfzehn Jahre ausgelegt. Davon sollen Generationen von Bürgerinnen und Bürgern profitieren", sagt Gerd Wolter, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Energie Dernau GmbH. 

Das gesamte Vorhaben kostet fast 20 Millionen Euro. Finanziert wird es von denen, die sich daran anschließen, außerdem über öffentliche Förderungen. Die Gemeinde Dernau hat dafür eigens eine Firma gegründet, die das Projekt verwaltet. Sie müsse keinen großen Gewinn machen und könne die Wärme nahezu zum Selbstkostenpreis an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Für den einzelnen Haushalt soll es am Ende nicht mehr kosten als eine traditionelle Heizungsanlage.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Ein Heizhaus muss gebaut, das Leitungsnetz im gesamten Dorf verlegt werden. 

Tal will klimafreundlicher werden

Nicht jeder Ort im Ahrtal setzt auf klassische Heizkraftwerke. Rech geht einen anderen Weg - mit einem sogenannten kalten Nahwärmenetz. Hier wird kein heißes Wasser zentral erzeugt, sondern über Erdsonden die natürliche Wärme aus dem Boden aufgenommen. In den Häusern sorgen individuelle Wärmepumpen dafür, dass geheizt und im Sommer sogar gekühlt werden kann. 

So ist das Ahrtal noch eine große Baustelle. Nach der Flut 2021 soll es eine nachhaltige Modellregion werden. Doch auch vier Jahre nach der Katastrophe sind viele Straßen und Häuser noch immer nicht wieder aufgebaut. Und auch bis alle Haushalte an die Nahwärmenetze angeschlossen sind, wird es noch lange dauern. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR4 am 17. März 2025 um 14:00 Uhr.