
Alkohol-Einschränkung in russischer Region "Dann kauft man eben bei Schwarzbrennern"
Eine Region nordöstlich von Moskau versucht, den Alkoholkonsum der Russen zu reduzieren, denn die Folgen von Alkoholmissbrauch sind dort drastisch. Verkaufsbeschränkungen sollen helfen. Funktioniert das?
Schluss mit dem Saufen - so möchte Georgij Filimonow verstanden werden. Er ist Gouverneur von Wologda, einer Region knapp 400 Kilometer nordöstlich von Moskau. Für sein Vorhaben hat er gute Gründe: "71 Prozent der Todesfälle von Männern im erwerbsfähigen Alter hängen mit alkoholbedingten Krankheiten zusammen: Leberzirrhose, Herzinsuffizienz, Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen, Fahren unter Alkoholeinfluss, Messerstechereien, Schlägereien", schilderte Filimonow die Verhältnisse in der Region.
"Dies ist eine schwere soziale Krankheit und eine Geißel unserer Gesellschaft. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der an Alkoholismus Leidenden um 30 Prozent. Und all dies geschieht unter friedlichen Bedingungen, nicht an der Front", so der Gouverneur.
Filimonow, treuer Putin-Anhänger und Mann der Tat, machte schon in der Vergangenheit Schlagzeilen, als er in Wologda ein Stalin-Denkmal errichten ließ oder als er sich für das bedingungslose Verbot von Abtreibungen aussprach.
Das auf seine Idee hin vom lokalen Parlament verabschiedete Gesetz schreibt nun vor, dass Alkohol in ganz Wologda an Wochentagen nur noch zwischen 12 Uhr und 14 Uhr verkauft werden darf. Davor und danach: kein Verkauf von Bier, Wein oder Wodka.

Wie das Verbot umgangen wird
Inzwischen sind einige Journalisten nach Wologda gereist und berichten dem Rest des Landes von den Auswirkungen der Alkoholeinschränkung: von Taxifahrern, die im Kofferraum einen kleinen Vorrat Spirituosen bunkern, um den abends und nachts zu verkaufen - gegen Aufpreis, versteht sich.
Von Schlangen, die sich mittags in oder vor Geschäften bilden und von größeren Mengen Alkohol, die im Einkaufswagen landen.
Die Behörden von Wolodga halten dagegen. Sie verschickten sogar ein offizielles Dementi: Zeitungsberichte, nach denen es laufe wie zu Prohibitionszeiten in Chicago, seien falsch. Taxifahrer würden mit Alkohol-Testkäufern überführt, illegaler Alkoholverkauf werde unterbunden.

Ein Gläschen gehört dazu - auch wenn Veteranen an einem Denkmal in St. Petersburg zusammenkommen.
"Weniger Betrunkene am Abend sehen wir noch nicht"
Das kremlkritische Online-Medium Sota fragte in Wologda nach. "Ich sehe das Verkaufsverbot nur positiv. Aber es hat sich eigentlich nichts geändert. Am Wochenende oder jeden Tag mittags kann man Alkohol kaufen. Weniger Betrunkene am Abend sehen wir noch nicht", sagte eine Befragte.
Ein Mann sagt: "Ich selbst finde zwar, dass Alkohol die Geißel der Gesellschaft ist, Ursache von Tod und Kriminalität. Wenn ein Mensch aber nicht einmal die freie Entscheidung darüber hat, ob er sich vergiftet oder nicht, hat das nur wenig mit Demokratie zu tun."
Und: Wo ein Verbot, da finden sich Umgehungsstrategien, weiß ein weiterer Passant: "Die Leute kaufen auf Vorrat, kistenweise, oder bei Geschäftemachern. Gibt es keinen lizenzierten Alkohol, dann kauft man eben von Schwarzbrennern - oder man brennt gleich selbst."

Nein, Wladimir Putin plant keine Einschränkung beim Alkoholverkauf - und lässt sich immer wieder beim Anstoßen mit Gästen fotografieren, wie hier mit Chinas Staatschef Xi.
Die Ursachen des Problems bleiben bestehen
Allerdings: Was seit dem 1. März in Wologda läuft, ist ein eher mildes Experiment: An Wochenenden bleibt alles beim Alten, Kneipen sind ohnehin nicht betroffen und letztlich bleibt immer noch der Weg in die Nachbarregion.
Dennoch schrieb Gouverneuer Filimonow in dieser Woche über die Ein-Monats-Bilanz: voller Erfolg, Straftaten unter Alkoholeinfluss minus 30 Prozent, Unfälle mit betrunkenen Fahrern sogar minus 50 Prozent, Alkoholvergiftungen rückläufig. Und etwa jedes dritte Spirituosengeschäft in der Region habe bereits dicht machen müssen.
Den Alkoholverkauf zeitlich einzuschränken - an die Ursachen des Problems geht das nicht. Dennoch landete die besorgte Nachfrage in Moskau: Macht das Beispiel Wologda Schule? Nein, beruhigte ein Putin-Sprecher, dafür gebe es keine Pläne. Dies sei und bleibe eine rein regionale Angelegenheit.