Eine Wand mit Wahlplakaten in der rumänischen Hauptstadt Bukarest.

Wiederholungswahl in Rumänien Wer wird Präsident im zweiten Anlauf?

Stand: 04.05.2025 03:06 Uhr

Die Präsidentenwahl in Rumänien wurde im vergangenen Jahr durch das Verfassungsgericht annulliert. Nun wird die Wahl wiederholt. Ein Rechtspopulist könnte in die Stichwahl einziehen - doch wer wird sein Gegner?

Von Oliver Soos, ARD Wien, zzt. in Bukarest

Elf Kandidatinnen und Kandidaten treten an und nahezu alle Umfragen sehen einen sicher in der Stichwahl: George Simion, den 38-jährigen Chef der rechtsnationalen AUR-Partei. Bei der ursprünglich ersten Runde der Präsidentenwahl in Rumänien im November des Vorjahres hatte er noch den vierten Platz belegt und dann den Gewinner unterstützt, den rechtsradikalen Calin Georgescu. 

Doch Georgescu hatte seinen Sieg völlig überraschend aus dem Nichts errungen - auch als plötzlich unzählige TikTok-Accounts aktiv wurden. Russland wurde verdächtigt, daran mitgewirkt zu haben, doch nachgewiesen wurde das bislang nicht. Kurz vor der Stichwahl annullierte das Verfassungsgericht dann die erste Runde wegen Unregelmäßigkeiten bei Georgescus Wahlkampffinanzierung. Der rechtsradikale Politiker wurde ausgeschlossen.

Er hat dann den Staffelstab an Simion weitergegeben, damit er der Kandidat für das rechte Lager wird. Simion erzählt von einem Telefonat: "Georgescu hat mich angerufen, als ihn die Wahlkommission illegal aus dem Rennen genommen hat. Er hat gesagt: Komm, jetzt sammle du Unterschriften für die nächste Wahlrunde."

Ein typischer rechtsradikaler Populist

Zwischen den beiden gibt es allerdings einen Unterschied: Anders als Georgescu, dem eine Russland-Nähe nachgesagt wurde, sieht Simion Putin als Aggressor in der Ukraine und als Bedrohung auch für Rumänien. Und dennoch ist Simion strikt gegen eine militärische Unterstützung der Ukraine.

Ansonsten ist Simion ein typischer rechtsradikaler Populist. "Ich bin mit Donald Trump und Giorgia Meloni auf einer Linie. Ich bin nicht liberal. Mit mir wird es keine Hochzeiten von Schwulen in Rumänien geben", sagt Simion.

In Rumänien hat der Präsident nicht nur repräsentative Aufgaben. Er ist auch für die Verteidigung, die Justiz und die Geheimdienste zuständig und er vertritt das Land bei Sitzungen des EU-Rats. Simion gibt sich im Wahlkampf EU-kompatibel. "Ich sage nicht, dass wir aus der EU austreten müssen. Es sind unsere Partner. Aber meine Agenda ist 'Romania First'. Ich vertrete die rumänischen Interessen."

George Simion wurde politisch gecoacht. Er gibt sich bei Auftritten wie ein rechter Staatsmann und ist in Interviews durchaus höflich und freundlich. Das war nicht immer so, erzählt die Leiterin des Auslandsbüros Rumänien der Konrad-Adenauer-Stiftung, Katja Plate. "Er stammt aus einem Milieu der Fußball-Ultras, man könnte auch sagen Hooligans. Wir kennen Simion von Auftritten im rumänischen Parlament, wo es Rangeleien gab, wo er ans Rednerpult getreten ist, um einen Minister zu würgen", sagt Plate.

Wer kommt noch in die Stichwahl?

Um das zweite Ticket für die Stichwahl am 18. Mai könnte es laut den Umfragen zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Kandidaten kommen. Der eine, Crin Antonescu, gilt unter Politikanalysten als der "Kandidat des Regierungsapparats", der andere, Nicusor Dan, als der "liberale Reformer".

Rumänien ist laut Transparency International nach Ungarn und Bulgarien das drittkorrupteste Land der EU. Die Politikverdrossenheit im Land ist groß. Ausgelöst einerseits durch die Corona-Maßnahmen und durch die Koalition der beiden zuvor verfeindeten großen Parteien, der liberalkonservativen PNL und der sozialdemokratischen PSD, der immer wieder vorgeworfen wird, eine korrupte Klientelpartei zu sein. Viele Rumänen sind der Ansicht, dass durch diesen Zusammenschluss politische Kontrolle verloren gegangen ist.

Zusammen mit der dritten Regierungspartei, der Partei der ungarischen Minderheit UDMR haben sie als gemeinsamen Kandidaten den ehemaligen PNL-Chef, Minister und Interimspräsidenten, Crin Antonescu, aufgestellt.

Der bekannte rumänische Politikwissenschaftler, Sorin Ionita, vom Thinktank Expert Forum hält nichts von dem 65-Jährigen. "Er ist eine Figur der Regierungskoalition, er ist wie ein Hologramm. Antonescu ist Teil eines, wie wir sagen, Bojko-Borissow-Projekts, benannt nach dem ehemaligen bulgarischen Regierungschef. Das bedeutet, dass man nominell pro-europäisch ist, aber dann vor allem EU-Gelder stiehlt", sagt Ionita.

Ein Reformer mit Chancen

Der dritte Kandidat mit guten Chancen, in die Stichwahl zu kommen, ist der parteilose Bürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan. Er hat 2016 die liberale Reformpartei "Rettet Rumänien" (USR) gegründet, ist dann aber nach Meinungsverschiedenheiten aus der Partei ausgetreten. Er steht für einen pro-europäischen Kurs und will Reformen. "Die staatlichen Institutionen und die Verwaltung müssen wieder in Funktion gebracht werden. Wir brauchen einen echten Kampf gegen die Korruption", sagt Dan.

Der 55-Jährige ist Mathematiker. Er gilt als sehr pragmatisch, aber mit Defiziten in den Bereichen Kommunikation und Charisma. Dafür hat er laut Ionita einen entscheidenden Vorteil: "Er ist ein authentischer Kandidat. Die Leute schätzen an ihm, dass er nicht korrupt ist. Er ist in Bukarest ein, unter den gegebenen Umständen, erfolgreicher Bürgermeister. Und dass ein Politiker sauber ist, das ist am Balkan etwas ziemlich Einzigartiges", sagt Ionita.

Außenseiterchancen hat noch ein ehemaliger PSD-Regierungspolitiker: der mittlerweile parteilose Victor Ponta, den Katja Plate von der Konrad-Adenauer-Stiftung als möglichen PSD-Schattenkandidaten sieht. Er tritt als ultrareligiöser Trumpist an und scheint Calin Georgescus Erfolg aus dem vergangenen Jahr kopieren zu wollen. Ponta war zuletzt ein Geschäftsmann, mit guten Kontakten zur Trump-Familie und zum autoritären serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Im Wahlkampf erhielt er Besuch von Trumps Sohn, Donald Trump Jr., und veröffentlichte ein Foto mit ihm.

Wut und Frust in der Bevölkerung

In der Stichwahl scheinen nun zwei Duelle am wahrscheinlichsten: Rechtspopulist gegen Regierungskandidat oder Rechtspopulist gegen Reformer. Normalerweise gehen die Experten davon aus, dass die Mehrheit der Rumäninnen und Rumänen einen rechten Kandidaten in der Stichwahl verhindern werden.

Doch nach der ersten Wahlrunde mit dem überraschend guten Ergebnis für den rechtsradikalen Nobody Calin Georgescu und der anschließenden Annullierung gab es viel Wut, Frust und Proteste auf den Straßen. Und so hört man in Rumänien gerade immer wieder einen Satz: Die politische Stimmung ist zur Zeit unberechenbar.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Mai 2025 um 09:00 Uhr.